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Das CAD-Versprechen: Generatives Design löst es ein

Eine Behauptung wird nicht dadurch wahrer, dass man sie über Jahrzehnte hinweg ständig wiederholt. Ein guter Beleg dafür: Seit 52 Jahren glauben die Menschen, dass CAD ein Akronym für den Begriff Computer Aided Design sei.

In Wirklichkeit steht die Abkürzung aber für Computer Aided Documentation – computerunterstützte Dokumentation.

Der Computer kann den Designprozess nicht unterstützen. Das Designkonzept entsteht im Kopf des Anwenders und der Computer ist lediglich dafür da, diese Ideen zu dokumentieren. Welche Hürde galt es also zu überwinden, damit Computer wirklich beim Design helfen können? Lassen Sie es mich anhand des folgenden Beispiels veranschaulichen.

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Erinnern Sie sich noch an den C:\> Befehl? Wenn ja, dann stellen Sie sich ihn jetzt bestimmt als weißen Text auf schwarzem Hintergrund vor. Dieser bewirkt … nichts. Genauso arbeitet man seit Jahrzehnten mit Computern: Sie sind passive Werkzeuge, die auf Anwender warten, die ihnen sagen, was sie machen sollen.

Kann ein Computer mehr? Wie wird er zu einem Partner bei der Entwicklung? Neuentdeckte Fähigkeiten machen diesen Traum jetzt wahr: Heutzutage können Computer kreativ und lernfähig sein.

Computer sind das Herzstück des generativen Designs, weil sie mittlerweile selbst Ideen und Vorschläge in den Designprozess einbringen. Beim generativen Design sagen Sie dem Computer nur, wohin Sie wollen und welche Bedingungen eingehalten werden müssen. Danach durchforstet der Computer den gesamten, ihm bekannten Informationsraum nach Lösungen und schlägt Konzepte vor, auf die Sie selbst nie gekommen wären.

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Eine in den 1960er Jahren von der NASA entwickelte Antenne

Hier ist ein Beispiel für diese Arbeitsweise: Das Bild zeigt eine Antenne, die von der NASA in den 1960er Jahren entwickelt wurde. Sie flog mehrfach ins Weltall, wurde von einem Ingenieur entwickelt und galt als elegante, höchst leistungsfähige Lösung.

Vor etwa zehn Jahren entwickelten Ingenieure einen Algorithmus, der eine Unzahl verschiedener Antennenstrukturen analysieren und ihre Leistungsfähigkeit simulieren kann. Auf Basis dieser Simulationen entwickelte dieser Algorithmus weitere Antennen mit immer besserer Leistungsfähigkeit. Aus diesem Prozess entstand das Antennendesign unten. Obwohl es eher seltsam aussieht, bringt es die doppelte Leistung der älteren Antenne.

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Eine leistungsstärkere Antenne, die mit einem Computer-Algorithmus entwickelt wurde

Schon 1915 sagte der Biologe D’Arcy Wentworth Thompson: „Die Gestalt eines Objekts ist eine Skizze seiner Fähigkeiten.“

Das ist sehr schön ausgedrückt, finde ich. Jetzt, 100 Jahre später, setzt Autodesk diesen Gedanken sozusagen wortwörtlich mit der Software Dreamcatcher um. Dreamcatcher ist ein Forschungsprojekt, in dem Designer dem Computer die Kräfte beschreiben, die auf ein Objekt wirken – und der Computer legt los und erstellt das Objekt. Die Kräfte können beispielsweise strukturelle Belastungen oder auch Herstellungsmethoden sein.

Um Ihnen noch ein Beispiel zu geben: Stellen Sie sich vor, ich wollte einen Überrollbügel für einen Formel-1-Rennwagen entwickeln. Bei der alten Arbeitsmethode würde ich mit der Idee im Kopf beginnen, das Bauteil am Computer entwerfen und dann mit einer Analysesoftware testen. Und dann hätte ich lediglich eine einzige Designvariante.

Mit Dreamcatcher geben Sie dem Computer das Ziel vor. Statt ihm zu befehlen, was er machen soll, sagen Sie ihm, was Sie erreichen wollen. Sie beschreiben präzise Ihr Problem und der Computer erstellt eine hohe Anzahl möglicher Lösungen. Danach analysiert er sie automatisch, indem er auf Cloud-Computing-Ressourcen zugreift.

Das Entscheidende daran: In der Zeit, in der Sie bisher gerade mal ein Design erstellt und analysiert hätten, hat Dreamcatcher sie alle durchdacht. Die besten Vorschläge werden in einem Übersichtstool dargestellt und Sie können sich die verschiedenen Varianten mit all ihren Vor- und Nachteilen anschauen. Dieser Prozess kann zu interessanten Erkenntnissen führen, auf deren Basis Sie vielleicht sogar die Aufgabe neu definieren, überarbeiten und/oder präzisieren wollen. Dann wiederholen Sie den Prozess – aber letzten Endes wählen Sie ein vom Computer generiertes Design.

Für die Herstellung dieses Überrollbügels hat sich ein Computer die technischen Daten eines Formel-1-Rennwagens über Google aus dem Internet geladen und die Spezifikationen durch eine Worterkennung eigenständig gelesen und verstanden. Er übernimmt die Informationen und beginnt damit, auf ihrer Basis alle möglichen Designvarianten zu generieren.

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Bei einem Formel-1-Rennwagen befindet sich der Überrollbügel hinter dem Kopf des Fahrers.

An diesem Punkt sitze ich wieder am Design Explorer, kann die einzelnen Vorschläge betrachten, ihre jeweiligen Vor- und Nachteile im Hinblick auf Teile und Kosten analysieren oder auch Werkstoffe anpassen. Im Bild unten sehen Sie einen Überrollbügel, der von einem Computer auf Basis eines Anforderungsdokuments entwickelt wurde, ohne dass ein Mensch bei der Zeichnung eingegriffen hätte.

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Ein Überrollbügel, der komplett von einem Computer entworfen wurde

Auf diese Weise werden Computer kreativ und sind in der Lage, Ideen zu entwickeln, die Menschen tatsächlich unterstützen. Über die Kreativität hinaus ist die Lernfähigkeit des Computers das Neuartige an diesem Prozess.

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Die Beschriftungen der obigen Bilder hat ein Computer automatisch generiert. Ihm wurden zuvor Millionen von Bildern gezeigt, um ihn quasi zu trainieren. Jetzt ist der Computer in der Lage, Dinge zu erkennen und außerdem mit den richtigen Bildunterschriften zu versehen. Selbst wenn er die Bilder nie zuvor gesehen hat. Es sind Bilder mit komplexem Inhalt, aber der Computer weiß, dass es sich um „Eine Gruppe junger Menschen, die Frisbee spielen“ handelt. Das weiße Ding, eigentlich nur ein kleiner, weißer Strich, ist tatsächlich ein Frisbee – wie hat er das bloß erkannt?

Autodesk übernimmt exakt diese Methoden und überträgt sie auf Design- und Analysesoftware. Bei meiner Arbeit führe ich jede Menge Analysen durch – und lösche sie wieder, sobald ich mit einer Aufgabe fertig bin. Und der Computer vergisst sofort, dass sie jemals existierten. Gute und schlechte Ergebnisse, die alle etwas aussagen und lehren – sie alle lösen sich quasi in Wohlgefallen auf, und der Computer behandelt die nächste Aufgabe so, als ob er noch nie etwas Vergleichbares gesehen hätte. Doch was wäre, wenn in dieser Arbeitsschleife ein Lernsystem integriert wäre, sodass der Computer jedes Mal, wenn ich etwas auf die Aerodynamik hin untersuche, eine Verbindung zwischen Ursache und Wirkung herstellen könnte? Und was würde passieren, wenn dieser Vorgang immer und immer wieder ablaufen würde?

Letztendlich bräuchte ich keine tiefergehende Analyse, um zu einem Ergebnis zu kommen, da ich ein hochgebildetes System zur Verfügung habe, das mir seine Ideen verrät. Natürlich kann ich dann immer noch eine genauere Analyse vornehmen, aber oft genug reicht mir diese erste schnelle Antwort: eine Idee, die den Kern dessen beschreibt, was Aerodynamik ausmacht. Ich wäre dann in der Lage, dem Computer etwas komplett Neues zu zeigen, das er noch nie zuvor gesehen hätte, und er könnte mir sagen, ob es aerodynamisch ist oder nicht.

Ich finde es bemerkenswert, dass Computer sich in naher Zukunft eigene Meinungen bilden können. Das wirklich Interessante ist aber die Vorstellung: Was wäre, wenn Computer es gerade dann machen, wenn sie keine aktuellen Aufgaben bearbeiten? Wenn sie ganz von selbst neue Formen kreieren, analysieren und die Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung erforschen würden? Systeme, die solche Verbindungen verstehen, werden automatisch Ideen zu den Themen entwickeln, an denen ein Unternehmen arbeitet.

Wie oft haben Sie davon geredet, Sie müssten sich mit einem neuen Designtool vertraut machen? Womöglich ist es an der Zeit, dass diese Designtools sich mit Ihnen vertraut machen.

Unsere Welt ist immer mehr auf Vorstellungskraft und Innovation angewiesen. Zusammen wirken sie wie ein gemeinsamer Antrieb in einer Welt unbegrenzter Ausdrucksfähigkeit. Das Schöne ist, dass jeder Einzelne von uns diese Eigenschaften besitzt. Vorstellungskraft und Innovation sind die treibenden Kräfte für Designer. Ich freue mich riesig darauf, an Werkzeugen für das Zeitalter der Phantasie mitzuarbeiten – ein Zeitalter, in dem das Akronym CAD eine ganz neue Bedeutung gewinnt: Computer Als Designer.