Die meisten Firmen kommen nicht umhin, ihre Prozesse schlanker zu gestalten – dies ist notwendig, in einem Umfeld, in dem die Kosten steigen, Fachkräfte Mangelware sind und zeitraubende Abläufe verschwinden sollen. Es ist für manch jungen Mensch schwer vorstellbar, dass bei Speditionen noch Faxe eingehen, um einen Transportauftrag zu vergeben und im Nachgang telefoniert wird. Gerade der Bausektor ist einer, dessen Produktivität seit Jahrzehnten nicht gestiegen ist.
Stephan Jorra ist seit fünf Jahren Betriebsleiter des Siemens-Energy-Werks in Berlin Spandau und verantwortlich für das operative Geschäft und 1.500 Mitarbeitende. Jorra sagt: „Wir sind ein gesundes Werk. Dennoch sehen wir, dass wir schneller auf Marktveränderungen reagieren müssen; in manchen Bereichen sind wir zu träge und müssen die Effizienz steigern und Fixkosten reduzieren.“
Jorra sieht in einer agilen Organisationsstruktur den Hebel, um flexibler zu werden und Dinge schneller abzuarbeiten: „Bei der agilen Methode wird keine Energie darauf verschwendet, alles groß auszuplanen.“ Stattdessen erreiche man eine größere Dynamik und kann schnell Erfolge feiern, so der Betriebsleiter.
Er veranschaulicht dies mit einem Beispiel aus dem administrativen Bereich: „Zwei Mitarbeiter waren lange Zeit zwei Tage die Woche damit beschäftigt, Rechnungen von Logistikdienstleistern auf Projekte zu buchen. Nach Einführung eines automatisierten Prozesses werden die Rechnungen automatisch zugeordnet und die Versandmitarbeiter können sich um andere Dinge kümmern. Ein KI-System hat dem Mitarbeiter also eine mühsame Sisyphusarbeit abgenommen.“ Dieses Projekt wurde sehr schnell durch ein organisationsübergreifendes agiles Squad-Team umgesetzt.
Den Begriff Squad-Team kennt man eher von der Polizei oder Feuerwehr, wo es sich um eine mobile Einsatztruppe handelt. In der agilen Organisation sind es sich selbst organisierende, cross-funktionale Teams, die aus bis zu acht Personen bestehen. Je nach Aufgabe werden diese Teams neu zusammengestellt.
In der Fertigung selbst bleiben agile Methoden naturgemäß außen vor – die Produktion bei Siemens Energy läuft weiterhin taktbasiert – aber im Vorfeld der Produktion wurden ebenfalls agile Prozesse eingeführt, erzählt Stephan Jorra. Agilität in der Fertigung lasse sich verwirklichen, wenn man hier ebenfalls auf cross-funktionale Teams setzt, Mitarbeitende aus dem Shopfloor teilhaben lässt und diese die neuen Prozesse mitgestalten.
Doch nicht immer empfinden es Mitarbeitende als positiv, wenn gewohnte Tätigkeiten wegfallen, weil eine Maschine dies besser und schneller kann.