Damit der Turm diese Extreme aushält, sind in den Wänden und Decken circa 2.700 Tonnen Stahl verbaut. Ein Foto von den Bauarbeiten zeigt, wie eng die Bewehrung sitzt. „Das Gebäude ist im Inneren so komplex, dass wir eventuelle Kollisionen vorab unbedingt in einem digitalen Modell prüfen mussten“, so Dr. Jan Niklas Franzius, der damalige Planungskoordinator für den Rohbau vom Unternehmen Züblin.
Das komplette Gebäude existiert digital als BIM-Modell (Building Information Modeling) in Autodesk Revit und konnte somit frühzeitig mit der Software Navisworks auf etwaige Kollisionen untersucht werden. Auch der Bauablauf war digitalisiert – einige Bauteile, wie beispielsweise die Fertigteiltreppen, wurden hierzu mit einem QR-Code versehen. Damit konnten die Baubeteiligten die Werkstoffe jederzeit tracken und wussten sofort, wenn etwas auf der Baustelle mal nicht nach Plan verlief.
Der Turm entstand in der sogenannten Gleitbaumethode, das ist eine vertikale Bauweise: Der Wolkenkratzer wurde von unten nach oben gezogen und „glitt“ damit in die Höhe. Im Dreischichtbetrieb betonierte man ihn in einem Stück, sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag. „Einen Baustopp kann man sich bei der Gleitbauweise nicht leisten, sonst wird der Beton hart“, so Franzius.
Außerdem darf unterhalb des Gleitstangensystems aus sicherheitstechnischen Gründen keiner arbeiten – das führte dazu, dass der Eingangsbereich am Fuße des Turms erst ganz zum Schluss gebaut wurde. „Das stellte uns vor eine statische Herausforderung. Damit wir die Stabilität des Turms gewährleisten konnten, haben wir spätere Öffnungen wie Fenster erst einmal zubetoniert“, erzählt der Planungskoordinator.
Der thyssenkrupp Testturm wäre „ohne BIM nicht möglich gewesen“
Als schon nach wenigen Monaten die Turmwände standen, wurden die Decken von oben mit einem Kran eingesetzt. Trotz aller schwindelerregenden Herausforderungen entstand der Turm in einer Rekordbauzeit von circa zwei Jahren. Die feierliche Eröffnung war im Herbst 2017. Ohne BIM wäre das nicht möglich gewesen. Zeitersparnis und ein gut geplanter Ressourcenumgang sind klare Vorteile von digitalem Bauen. Das zeigen auch diverse Auszeichnungen: Der Turm gewann bereits mehrere Architekturpreise für seine nachhaltige Bauweise.
Nun bleibt noch die Frage, warum solch ein Turm, der Standards für die Megastädte der Zukunft setzt, ausgerechnet am Schwarzwald steht – sicher nicht primär, um Besucher mit dem Weitblick ins umliegende Grün zu beeindrucken. Vielmehr sucht man die Nähe zu den 10.000 Studierenden der Ingenieurwissenschaften an den umliegenden Universitäten und Fachhochschulen sowie den Wissenschaftlern der benachbarten Forschungszentren, um diesen Talentpool für die Gestaltung der Städte von morgen zu nutzen.