KI in der Fertigung: Ein Blick in die Fabrik der Zukunft
- Die Fertigungsindustrie soll durch Künstliche Intelligenz (KI) nicht den Menschen ersetzen, sondern eine effektive Zusammenarbeit von Robotern und Belegschaft ermöglichen
- Je intelligenter – sprich: „smarter“ – eine Maschine ist, desto mehr repetitive Tätigkeiten kann sie übernehmen und desto mehr Zeit bleibt dem Personal für andere Aufgaben
- KI-Systeme werden bei der Geschwindigkeit, der Präzision und der Qualitätskontrolle in der Fertigung neue Maßstäbe setzen
Der fragwürdige Traum unzähliger Science-Fiction-Werke: die vollautonome Fabrik, in der Maschinen und Roboter unter Leitung einer KI unermüdlich ihrer Arbeit nachgehen und für den Menschen bis auf wenige Ausnahmen kein Platz mehr vorgesehen ist.
Die Pläne unserer Zeit verfolgen in Bezug auf die KI-Nutzung im Fertigungsalltag hingegen andere Ziele. Hier handelt es sich bei den eingesetzten KIs eher um Verbünde von Anwendungen für kompakte und dedizierte Systeme, die jeweils für spezifische Fertigungsprozesse verantwortlich sind. Doch es gibt auch Parallelen zur vorgenannten Zukunftsvision, denn diese Systeme agieren – wenn auch in variablem Ausmaß – tatsächlich autonom und reagieren zunehmend intelligent und mitunter schon menschengleich auf externe Ereignisse wie einen Systemausfall, einen Brand oder eine Naturkatastrophe.
Die Bedeutung Künstlicher Intelligenz für die Fertigungsindustrie
In der Fertigungsindustrie bezieht sich die Bezeichnung „KI“ auf die Fähigkeit von Maschinen, autonom Aufgaben auszuführen, die normalerweise Menschen vorbehalten sind. Dies umfasst zum einen das geeignete Vorgehen bei externen und internen Ereignissen, zum anderen aber durchaus auch das Antizipieren von unerwarteten (und erwartbaren) Ereignissen wie dem bevorstehenden Verschleiß eines Werkzeugs inklusive Ergreifung entsprechender (vorbereitender) Maßnahmen.
Historiker bemessen die Entwicklung der Menschheit durch die einzelnen Zeitalter hindurch – Steinzeit, Bronzezeit, Eisenzeit usw. – daran, inwieweit der Mensch jeweils Natur, Werkstoffe, Werkzeuge und Technologien beherrschte. Aktuell befinden wir uns demgemäß im Informationszeitalter, Computerzeitalter oder auch digitalen Zeitalter, das laut Duden „durch den zunehmenden Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechniken geprägt ist“. In der Tat leben wir in einer Welt, aus der Elektronik und Computer nicht mehr wegzudenken sind, in der wir in zuvor ungeahntem Maße in die Natur eingreifen können und durch globale Zusammenarbeit zu Dingen in der Lage sind, die sich vor einigen Generationen niemand auch nur vorzustellen wagte.
Mit der zunehmenden Leistungsfähigkeit von Computern – die sie schließlich in die Lage versetzte, auch menschliche Aufgaben zu übernehmen – war die Entwicklung von KIs der nächste logische Schritt. Doch wir haben die Wahl, wozu wir maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz einsetzen. Die Stärke einer KI liegt nicht darin, den Menschen zu ersetzen, sondern Kreative bei dem zu unterstützen, was diese jeweils am besten können. Das kann in der Fertigungsbranche die konkrete Herstellung bestimmter Komponenten oder die Entwicklung neuer Produkte und Teile sein.
Immer häufiger liegt der Fokus jedoch auf der Zusammenarbeit von Mensch und Roboter. Denn auch wenn in den Medien oft der Eindruck entstehen mag, Industrieroboter wären autonom und „smart“, geht es häufig nicht ohne umfangreiche menschliche Beaufsichtigung bzw. Kontrolle. Hier sorgen KI-gestützte Innovationen für mehr Sicherheit und Effizienz beim Miteinander von Mensch und Maschine.
Der Status quo
In der Fertigungsbranche von heute sind Haupteinsatzbereiche Künstlicher Intelligenz unter anderem Messverfahren und zerstörungsfreie Prüfungen (ZfPs). Außerdem wird KI-Technologie bei der Produktentwicklung unterstützend hinzugezogen. Bei der eigentlichen Ausführung der Fertigung steckt sie dagegen noch in den Kinderschuhen. Zwar ist hin und wieder schon von einer automatisierten Werkstattfertigung die Rede, Fakt ist jedoch, dass die meisten Fabriken keineswegs „smarte“ Maschinen verwenden, sondern nach wie vor solche, die noch rein mechanisch betrieben werden oder – wenn überhaupt – nur in geringem Maße digitalisiert sind.
Bei neueren Fertigungssystemen dienen Bildschirme als Mensch-Computer-Schnittstellen. Hierüber kann das Personal die von elektronischen Sensoren bereitgestellten Daten zum Rohmaterialvorrat, zum Systemstatus, zum Energieverbrauch und zu vielen weiteren Aspekten grafisch aufbereitet abrufen – wahlweise direkt an der Maschine oder an einem verbundenen Computer. Damit ist der Weg für KI in der Fertigung vorgezeichnet.
Auf kurze Sicht sind die Echtzeitüberwachung von maschinellen Bearbeitungsprozessen und die Zustandsüberwachung von beispielsweise Verschleißteilen im Rahmen der vorausschauenden Wartung naheliegende Einsatzgebiete: Sensoren liefern kontinuierlich Daten an Algorithmen. Diese wiederum ermitteln anhand der Daten relevante Muster und führen entsprechende Analysen durch, um voraussichtliche Probleme aufzudecken und die Wartungsteams proaktiv in Bereitschaft zu versetzen. Hierzu können geräteinterne Sensoren genutzt werden – wie akustische Sensoren, die verdächtige, auf einen bevorstehenden Ausfall hinweisende Geräusche von Förderbändern oder Zahnrädern wahrnehmen, oder Sensoren, die den Zustand einzelner Werkzeuge überwachen. Die so gewonnenen Informationen können dann mit einem Analysemodell verknüpft werden und dazu dienen, die mutmaßliche Restlebensdauer der jeweiligen Komponente zu bestimmen.
In Werkstätten wird zudem die additive Fertigung immer wichtiger. Diese hat dazu beigetragen, dass Systeme mit vielen neuen Arten von Sensoren bestückt wurden. Letztere ermöglichen die Überwachung neuer Faktoren im Hinblick auf Werkstoffe und Fertigungstechnologien, die erst im Laufe der zurückliegenden Dekade weite Verbreitung gefunden haben.
Die nahe Zukunft
Künstliche Intelligenz ermöglicht dank des Konzepts des digitalen Zwillings eine weitaus höhere Präzision beim Prozessdesign in der Fertigung sowie bei der Problemdiagnose und -behebung. Der digitale Zwilling ist eine exakte virtuelle Nachbildung des jeweiligen physischen Objekts (eines Maschinenwerkzeugs oder herzustellenden Teils). Dies geht über ein einfaches CAD-Modell weit hinaus, denn mit dem Zwilling lässt sich auch das Verhalten des echten Objekts bei vorhandenen Mängeln vorab prüfen (und alle Teile weisen irgendeine Art von Mangel auf – deswegen verschleißen sie früher oder später). Für die Anwendung dieser digitalen Zwillingstechnologie beim Prozessdesign und bei der Wartung ist eine KI unerlässlich.
Großunternehmen können von der Einführung einer KI stark profitieren und haben zudem die finanziellen Mittel für die damit verbundene Investition. Trotzdem stammen einige der kreativsten Anwendungsmöglichkeiten von kleinen bis mittleren Unternehmen (KMUs) aus Bereichen wie der Vertragsgestaltung oder von Zulieferern technologieintensiver Branchen wie der Luft- und Raumfahrt.
Um größeren Mitbewerbern voraus zu sein, werden viele KMUs zu Early Adoptern von neuen Werkzeugen, Maschinen, Technologien oder Prozessen, die – zumindest in der Fertigungsindustrie – einen Unterschied machen können, obwohl die KMUs vereinzelt noch gar nicht damit umzugehen wissen. Dies kann sowohl auf die Planung als auch die eigentliche Fertigung zutreffen und ist einer der Gründe, die es erschweren, in der additiven Fertigung Fuß zu fassen. Hier wäre der Anreiz einer KI-Einführung für ein KMU vermutlich größer als für ein großes Unternehmen: Intelligente Systeme können wertvolles Feedback geben sowie bei der Einrichtung und der Inbetriebnahme Unterstützung leisten. Damit fällt es kleinen Start-ups dann gegebenenfalls leichter, sich einen Namen zu machen.
Im Prinzip lässt sich somit in ein Fertigungsverfahren das komplette Know-how für sämtliche Engineering-Prozesse integrieren, sodass nicht nur das Werkzeug mit der zugehörigen KI bereitsteht, sondern zugleich alle Informationen für Installation, Implementierung, Sensoren und Analysen zur Feststellung von betriebs- und wartungsbezogenen Problemen. Für diese Analysen kämen wahrscheinlich am ehesten „unüberwachte Modelle“ zum Tragen, die darauf trainiert wurden, im Feedback der Sensoren auf Auffälligkeiten oder „Fehler“ mit Abklärungsbedarf zu achten und auf diese Weise Muster unbekannter Probleme aufzuspüren.
Ein Praxisbeispiel gefällig? Nehmen wir das im November 2017 initiierte und 14,3 Millionen britische Pfund (umgerechnet etwa 16,7 Millionen Euro) schwere Joint-Venture-Forschungsprojekt DRAMA (dies steht für „Digital Reconfigurable Additive Manufacturing facilities for Aerospace“, zu Deutsch „digitale rekonfigurierbare Anlagen für die additive Fertigung in der Luft- und Raumfahrt“), an dem auch Autodesk und das britische Manufacturing Technology Centre (MTC) beteiligt waren und dessen Ziel darin bestand, den Prototyp einer „digitalen Lernfabrik“ zu errichten. Bei diesem Projekt wurde von der gesamten Prozesskette der additiven Fertigung ein digitaler Zwilling erstellt. Die Anlage kann individuell nach den jeweiligen Anwendungsanforderungen konfiguriert werden und ermöglicht es interessierten Unternehmen, unterschiedliche Hardware- und Software-Optionen zu testen. Darüber hinaus entsteht derzeit eine Knowledge Base zum Thema „Additive Fertigung“, die den Unternehmen die Einführung der Technologie und der zugehörigen Prozesse erleichtern soll.
Autodesk war bei DRAMA federführend für die Planung, für Simulationen und für Optimierungen unter Berücksichtigung aller fertigungsspezifischen Folgeprozesse zuständig. Das Wissen, wie sich das Fertigungsverfahren auf jedes einzelne Teil auswirkt, kann für die Automatisierung herangezogen und anschließend mittels generativen Designs in die Planung eingebunden werden, damit das digitale Teil seinem physischen Pendant noch mehr gleicht.
Die ferne Zukunft
Die große Vision besteht darin, Herstellern ein effektives Komplettpaket anbieten zu können, das alles enthält: die Software, die Fertigungsmaschinen für die Fabrik, die digitalen Zwillinge aller Maschinen, das Bestellsystem (das im Datenaustausch mit den Lieferkettensystemen der Fabrik steht) und die Analysefunktionen (zur Überwachung der Fertigungsmethoden sowie zur Datenerhebung während des Systembetriebs) – kurzum eine „Factory in a Box“ (eine portable Fertigungsanlage, die beispielsweise in einem Container Platz finden kann).
Die „Factory in a Box“
Bei einem solchen Fertigungssystem könnte der Hersteller ein am aktuellen Tag produziertes Teil mit dem gleichen Teil vom Vortag vergleichen, die Qualitätssicherung vornehmen und die Ergebnisse der zerstörungsfreien Prüfung jedes Prozesses analysieren. So könnte der Hersteller genau ermitteln, welche Parameter bei der Fertigung des jeweiligen Teils Anwendung fanden, und anhand der Sensordaten feststellen, wo Mängel vorliegen.
Die ultimative Wunschvorstellung wäre ein System, bei dem die Ausgangswerkstoffe an einer Seite eingeführt werden und die gewünschten Teile an der anderen Seite fertig herauskommen. Etwaiges Personal wäre hier nur noch damit betraut, die Systeme zu warten, während die meisten Tätigkeiten letzten Endes von Robotern ausgeführt würden.
Das moderne Konzept sieht da etwas anders aus: Es sind immer noch Menschen, die planen und Entscheidungen treffen, die Fertigung überwachen und eine Vielzahl an Fertigungsfunktionen ausüben, während das System selbst Informationen zu den tatsächlichen Auswirkungen der menschlichen Entscheidungen bereitstellt.
Maschinelles Lernen und autonome KI
Die große Stärke von neuralen Netzen, maschinellem Lernen, Deep Learning und sonstigen selbstorganisierenden Systemen (und somit von Künstlicher Intelligenz) ist die Fähigkeit, aus eigener Erfahrung und unabhängig vom Menschen zu lernen. Derartige Systeme können binnen kurzer Zeit in umfangreichen Datensätzen bedeutsame Muster erkennen, was menschlichen Analyseprofis niemals gelänge. Nichtsdestotrotz geben in der heutigen Fertigungsbranche großteils immer noch Experten die Entwicklungsrichtung KI-gestützter Anwendungen vor. Dabei bringen sie ihre Erkenntnisse aus den von ihnen selbst entworfenen Vorgängersystemen ein: Wie lief es allgemein? Was war nicht so gut? Was jedoch schon?
Irgendwann erhalten neue Angestellte dann dank dieses Expertenwissens Unterstützung von einer autonomen KI, die zum Zwecke der vorbeugenden Wartung und der Prozessoptimierung eine Auswertung der von den integrierten Sensoren stammenden Daten vornimmt und entsprechende Betriebsinformationen bereitstellt. Wobei auch dies wieder nur ein Zwischenschritt sein wird hin zu unter anderem selbstkorrigierenden Systemen, die bei einem Teileausfall selbst Kompensationsmaßnahmen ergreifen, um den Betrieb am Laufen zu halten, und zugleich den Austausch der fehlerhaften Komponenten in Auftrag geben.
Fabrikplanung und Layout-Optimierung
KI-gestützte Anwendungen eignen sich jedoch nicht nur für Fertigungsprozesse, sondern auch für die Planung von Anlagen, bei deren Layout viele Faktoren von der Anwendungssicherheit bis hin zur Effizienz des generellen Prozessablaufs zu berücksichtigen sind. So muss eine Anlage möglicherweise rekonfigurierbar sein, damit kurzfristige Projekte bei Bedarf umgesetzt werden können oder weil sich Prozesse immer wieder ändern, denn häufige Änderungen können außerplanmäßige Auswirkungen auf den Platz- und Materialbedarf und dadurch Effizienz- und Sicherheitsprobleme zur Folge haben. Mit Sensoren können derartige Vorkommnisse nachverfolgt und quantifiziert werden, weshalb KIs für die Optimierung von Fabrikplänen nahezu prädestiniert sind.
Sensorik und KI-gestützte Echtzeitanalysen
Wenn in einem Bereich wie der additiven Fertigung, in der viel Unsicherheit herrscht, neue Technologien eingeführt werden, kommt der zerstörungsfreien Prüfung von Teilen nach der Fertigung eine große Bedeutung zu. Die zerstörungsfreie Prüfung kann allerdings mit hohen Kosten verbunden sein – gerade, wenn Produktionsmittel wie CT-Scanner, die zur Analyse der strukturellen Integrität von Bauteilen verwendet werden, mit einzubeziehen sind. Hier können maschineninterne Sensoren Abhilfe schaffen. Diese können mit Modellen verknüpft werden, die auf großen, aus der Fertigung bestimmter Teile gewonnenen Datensätzen beruhen. Anhand der vorliegenden Sensordaten lässt sich anschließend ein Modell für maschinelles Lernen erstellen, das sich zum Beispiel auf in CT-Scans festgestellte Mängel bezieht. Teile, die das Analysemodell als voraussichtlich mangelhaft einstuft, können dann gekennzeichnet werden, sodass schlussendlich nicht mehr grundsätzlich alle Teile einem CT-Scan unterzogen werden müssen, sondern nur noch die zuvor gekennzeichneten
Auch das Nutzungsverhalten seitens des Personals – ein Aspekt, den Ingenieure bereits in der Planung zu berücksichtigen versuchen – lässt sich mit Sensoren genau erfassen und KI-gestützt analysieren, während bei der Analyse durch einen Menschen gegebenenfalls zusätzliche Schritte erfolgen oder Schritte vergessen werden.
Bei der Anpassung von Fertigungsverfahren und Werkzeugen an unterschiedliche Umgebungsbedingungen kann sich eine KI ebenfalls als hilfreich erweisen, so in puncto Luftfeuchtigkeit. Entwickler von Technologien für die additive Fertigung haben festgestellt, dass ihre Maschinen in manchen Ländern nicht wie vorgesehen funktionierten und die Feuchtigkeitssensoren vor Ort gelegentlich unerwartete Daten lieferten. In einem Fall betraf dies sogar eine eigentlich feuchtigkeitskontrollierte Umgebung. Des Rätsels Lösung: Jemand von der Belegschaft ging immer wieder zum Rauchen nach draußen und ließ dabei jedes Mal die Tür offen.
Eine effektive Nutzung von Sensordaten erfordert effektive KI-Modelle, denen beigebracht werden muss, was die Daten aussagen – also welche Probleme bestehen, wie die Ursachen ermittelt werden können und welche Maßnahmen daraufhin folgen müssen. Aktuelle Machine-Learning-Modelle sind bereits in der Lage, anhand von Sensordaten vorherzusagen, wann ein Problem voraussichtlich auftreten wird, und das jeweils zuständige Personal darauf hinzuweisen. Zukünftig werden KI-Systeme Probleme jedoch nicht nur antizipieren, sondern auch in Echtzeit Gegenmaßnahmen ergreifen können, und schon bald werden KI-Modelle die Aufgabe erhalten, proaktive Maßnahmen gegen Probleme noch vor deren Entstehen auszuarbeiten und Fertigungsverfahren zu verbessern.
Generatives Design
Beim generativen Design wird die Design-Software mit spezifischen Vorgaben für das jeweilige Projekt gefüttert, woraufhin sie mehrere Lösungsvarianten generiert. Auch hier kommt Künstlicher Intelligenz eine wichtige Funktion zu. Vor Kurzem hat Autodesk eine große Anzahl an Materialdaten für die additive Fertigung erhoben und auf deren Basis ein Modell für generatives Design entwickelt. Dieses Prototypmodell „weiß“, wie sich Materialeigenschaften – in Abhängigkeit davon, wie sich das Fertigungsverfahren auf einzelne Merkmale und die Geometrie auswirkt – verändern.
Im Prinzip ist generatives Design nichts anderes als ein anpassbares Optimierungsverfahren. Bewährte Optimierungsverfahren verfolgen zur Optimierung von Teilen eher generalisierte Ansätze, wo Algorithmen für generatives Design viel spezifischer vorgehen und Einzelmerkmale in den Fokus rücken können. Hierbei kommt das Wissen um die mechanischen Eigenschaften des entsprechenden Merkmals zum Tragen, das aus Materialprüfungen und der Zusammenarbeit mit Universitäten stammt. Letzten Endes handelt es sich allerdings bei jedem Entwurf zunächst um eine Idealvorstellung, die bei Fertigungsverfahren in der „echten Welt“ veränderlichen Umgebungsbedingungen unterworfen ist. Ein effektiver Algorithmus für generatives Design bezieht auch derartige Variablen mit ein.
Generatives Design kann zu einem optimalen Entwurf inklusive der erforderlichen Spezifikationen für die Software führen, die anschließend an mehrere entsprechend ausgerüstete Fertigungsanlagen geschickt werden können. Dies ermöglicht es, mit kleineren, auf verschiedene Standorte verteilten Anlagen eine größere Bandbreite an Teilen zu fertigen. Zudem könnten die Anlagen jeweils den lokalen Bedarf decken, wobei es sich an einem Tag vielleicht um Teile für die Luft- oder Raumfahrt handelt und am nächsten um Teile für andere akut benötigte Produkte. Mit diesem Ansatz ließen sich die Vertriebs- und die Transportkosten reduzieren, was beispielsweise im Automobilbau an Bedeutung gewinnt.
Flexibilität und Rekonfigurierbarkeit
Künstliche Intelligenz kann auch dazu verwendet werden, Fertigungsverfahren zu optimieren sowie flexibler und rekonfigurierbar zu gestalten. Hierzu kann auf Grundlage der aktuellen Nachfrage ein Werkshallenplan mit entsprechendem Prozess entworfen und dies für eine potenzielle zukünftige Nachfrage wiederholt werden, um die daraus resultierenden Modelle einander gegenüberzustellen und zu vergleichen. Daraus ergibt sich die geeignete Lösung: wenige große Fertigungsmaschinen oder viele kleine, die gegebenenfalls weniger kosten und bei einem Rückgang der Nachfrage anderen Projekten zugewiesen werden können. Solche „Was-wäre-wenn“-Analysen sind eine Spezialität von KIs.
Neben Werkshallenplänen dienen Modelle auch zur Optimierung von Prozessabfolgen: 3D-Drucker können additiv gefertigte Teile direkt einer Wärmebehandlung unterziehen, wobei das Ausgangsmaterial vorbehandelt sein oder eines weiteren Wärmezyklus bedürfen kann. Hier könnten mehrere „Was-wäre-wenn“-Szenarios durchgespielt werden, um die sinnvollste Anlagenausstattung zu ermitteln, denn womöglich wäre es auch zielführender, bestimmte Prozessbereiche an Subunternehmen auszulagern.
KI-gestützte Anwendungen in diesem Bereich könnten außerdem Einfluss auf den Business Case nehmen, demgemäß entschieden wird, ob eine Fabrik auf einen einzigen Prozess setzen oder besser mehrere Produkte bzw. Projekte in Angriff nehmen und so die Resilienz erhöhen sollte. In Branchen wie der Luft- und Raumfahrt, die sinkende Zahlen melden, wäre es dann zum Beispiel eventuell eine Option, den Fertigungsbetrieb auf Medizinprodukte auszuweiten.
KI in der Fertigung: Anwendungsmöglichkeiten und Potenziale
In der Fertigung wird Künstliche Intelligenz unweigerlich ihren Weg in Planung, Prozessverbesserung, Reduktion von Teileverschleiß und Optimierung des Energieverbrauchs finden.
Die Maschinen und Geräte werden immer intelligenter und immer stärker vernetzt, sei es untereinander, innerhalb der Lieferkette oder in anderen Bereichen der Geschäftsautomatisierung. Im Optimalfall gehen die Werkstoffe in eine Fertigungsstraße und kommen als fertige Teile wieder heraus, während Sensoren alles überwachen. Der Mensch behält zwar die grundsätzliche Prozesskontrolle, hält sich aber eigentlich nicht mehr im Fertigungsareal auf, da alle repetitiven Tätigkeiten automatisiert ablaufen. Dadurch werden essenzielle Fertigungs- und Personalressourcen für Innovationen – genauer: die Entwicklung neuer Methoden für die Komponentenkonstruktion und -fertigung – frei.
Doch wie jede bahnbrechende Neuerung trifft auch KI regelmäßig auf Widerstand. Dies betrifft unter anderem die Kenntnisse und Kompetenzen, die für den Umgang mit einer KI erforderlich sind und über die zum einen nur wenige verfügen und deren Erwerb zum anderen kostspielig sein kann. Folglich mangelt es vielen Herstellern am internen Know-how auf diesem Gebiet. Hinzu kommt, dass sie ihre Stärken oftmals in der Spezialisierung sehen und ohne eine Vielzahl überzeugender Argumente nicht bereit sind, das Risiko einer Investition in die Prozessneu- oder -weiterentwicklung, geschweige denn in die Fabriktransformation einzugehen.
Insbesondere KMUs würden deshalb möglicherweise ein Prozess-Fertigpaket vorziehen, dessen Software sich nahtlos in die bestehenden Werkzeugsysteme integrieren lässt und mittels Sensoren und Analysen Verbesserungen herbeiführt: die „Factory in a Box“, die noch um die digitale Zwillingtechnologie ergänzt werden könnte und es den Konstruktionsteams erlauben würde, neue Fertigungsverfahren vorab zu simulieren und so die Entscheidungsrisiken zu reduzieren.
Ein weiterer wichtiger Einsatzbereich von KIs ist die vorausschauende Wartung. Nach der Aufrüstung der Fertigungsmaschinen mit KI-Modellen, die vorab mit dem geballten Wissen zur jeweiligen Maschine trainiert wurden, fahnden die Modelle vor Ort in den von der Maschine erhobenen Daten nach neuen Ursache-Wirkung-Mustern, um potenziellen Problemen vorzubeugen.
Bei der Qualitätskontrolle fallen ebenfalls große Mengen an Daten an, was optimal für maschinelles Lernen und KI ist. Hier ein Szenario aus der additiven Fertigung: Die Fertigung eines Werkstücks erzeugt bis zu einem Terabyte an Daten zu der Art und Weise, wie die entsprechende Maschine das Teil hergestellt hat, zu den lokalen Umgebungsbedingungen und zu allen während des Prozesses aufgetretenen Problemen. Diese Datenmenge kann kein Mensch analysieren, ein KI-System hingegen schon. Dies lässt sich ebenso auf subtraktive Fertigungsverfahren, Gussverfahren, Spritzgussverfahren und viele weitere Fertigungsverfahren übertragen.
Ergänzt durch Technologien wie virtuelle Realität (VR) und Augmented Reality (AR) können KI-Systeme Planungszeiten verkürzen und Fertigungsprozesse optimieren. An Fertigungsstraßen liefern VR- und AR-Systeme bereits Einblicke in den Fertigungsprozess und bieten visuelle Unterstützung zur Steigerung von Geschwindigkeit und Präzision, etwa mittels einer AR-Brille, die anleitende Schaubilder zum Zusammenbau eines Teils ins Blickfeld projiziert. Des Weiteren kann das System Arbeitsschritte beaufsichtigen und konkrete Ratschläge erteilen wie „Sie brauchen den Gegenhalter nicht weiterdrehen“, „Drehen Sie den Gegenhalter noch ein Stück weiter“ oder „Sie müssen noch den Auslöser betätigen“.
Was das Thema KI anbelangt, kommt es großen Unternehmen eher darauf an, möglichst viele Teile von externen Zulieferern zu beziehen, während KMUs primär danach trachten, selber möglichst viele Teile herzustellen. Ausnahmen bestätigen die Regel: Autohersteller führen Punktschweißarbeiten an Chassis meist selbst durch, kaufen aber Einbauteile wie Lager und Kunststoffkomponenten hinzu.
Hinsichtlich der eigentlichen Teile erfreuen sich intelligente Komponenten stetig wachsender Beliebtheit, also Teile mit integrierter Sensorik, die sowohl ihren eigenen Zustand als auch von außen einwirkende Faktoren wie Druck- oder Drehkräfte im (elektronischen) Blick behalten. Dies ist insbesondere für den Automobilbau von Interesse, da diese Faktoren nicht von den gefahrenen Kilometern abhängen, sondern von der jeweiligen Fahrweise – ein Auto, das ständig über Schlaglöcher rumpelt, wird voraussichtlich häufiger in die Werkstatt müssen.
Eine intelligente Komponente macht externe Prüfungen verzichtbar, da sie dem KI-System regelmäßig einen Statusbericht übermitteln und darauf hinweisen kann, wann eine Wartung oder ihr Ausfall bevorsteht. Dies reduziert zugleich den systeminternen Datenverkehr, denn ab einem bestimmten Punkt kann die Datenmenge sich erheblich auf die Analyseleistung auswirken.
Aktuell bietet Künstliche Intelligenz somit vor allem in der additiven Fertigung das Potenzial, Mehrwert zu schaffen, da additiv gefertigte Produkte höhere Kosten bedingen und geringere Produktionsstückzahlen aufweisen. Doch mit etwas mehr Zeit und Reife werden KI-Systeme wahrscheinlich in allen Bereichen der fertigungsbezogenen Wertschöpfungskette eine tragende Rolle einnehmen.
Bei diesem Beitrag handelt es sich um die aktualisierte Fassung eines erstmals im Januar 2021 veröffentlichten Artikels.