„Das ist nicht das letzte Virus, mit dem wir konfrontiert werden!" Wie COVID-19 die Büroplanung verändern wird
Frühere Pandemien hatten bereits einen großen Einfluss auf die Stadtplanung. Die COVID-19-Pandemie wird sich gleichermaßen auf die Büroplanung auswirken.
Die Pandemie geht weiter— und Unternehmen müssen die Gestaltung ihrer Bürogebäude überdenken und nach Wegen suchen, den „Bewegungsfluss” von Menschen innerhalb der Räumlichkeiten zu verbessern und ihre Belüftungs- und Luftstromsysteme zu modernisieren. Die Umsetzung notwendiger Änderungen mag für manche Unternehmen eine Herausforderung darstellen, sie ist aber unerlässlich.
Zukunft der Büroraumplanung
Wie Dr. Elvis Garcia, Dozent an der Harvard Graduate School of Design, sagt: „Machen wir uns nichts vor. Das ist nicht das letzte Virus, mit dem wir konfrontiert werden.“ Sehen Sie sich das Video an, um mehr darüber zu erfahren, wie COVID-19 die Büroplanung verändern wird.
[Transkript]
Sam Omans, Architecture Industry Strategy Manager, Autodesk: Pandemien haben in der Vergangenheit einen enormen Einfluss auf die Architektur gehabt. Manhattan zum Beispiel hat diese geraden, rechtwinklig angeordneten Straßen. Sie entstanden im 19. Jahrhundert als Reaktion auf Gesundheitsbedenken im Zusammenhang mit Abwasser, Licht und Luft. Bei geraden Straßen können die Abwasserkanäle direkt darunter angelegt werden. Bei früheren Pandemien, Grippewellen und Seuchen verstand man den Zusammenhang mit Wasser und Abfall. Diese Dinge aus der Stadt heraus zu verlagern und Licht und Luft in die Stadt hinein zu bringen, war ab dem 19. Jahrhundert ein wichtiger Aspekt der Stadtplanung.
Dr. Elvis Garcia, Lecturer, Harvard Graduate School of Design: Ein Büro an sich ist keine sichere Umgebung. Wir sprechen hier von einem abgeschlossenen Raum mit Luftzirkulation, in dem sich Menschen befinden. Damit müssen wir umgehen können. Denn machen wir uns nichts vor: Zwar ist es nur ein Virus, aber es ist nicht das letzte Virus, mit dem wir konfrontiert werden.
Lilli Smith, AIA, Senior Product Manager, Autodesk: Es gibt einige besonders relevante Stellen in einem Büro: Kaffeemaschine, WCs, Ausgänge, Orte, zu denen die Wege der Mitarbeitenden führen. Es ist wichtig, zu analysieren, wo sich diese Wege kreuzen, wo es zu einer Überlastung der Räumlichkeiten durch zu viele Menschen kommen könnte.
Pete Thompson, Senior Principal Engineer, Autodesk und Lehrbeauftragter, Lund University: Was sich durch diese Pandemie wirklich geändert hat, ist, dass „Einbahnstraßen“ jetzt in vielerlei Hinsicht notwendig sind, damit die Leute in allen Richtungen mindestens zwei Meter Abstand halten. Verschiedene Technologieaspekte können bei der Planung und Umsetzung dieser neuen Routen helfen.
Garcia: Eine der größten Herausforderungen ist die Organisation der „Verkehrsströme” innerhalb der Büros.
Smith: In den Büros ist Social Distancing jetzt sehr wichtig geworden.
Thompson: Bei der Planung eines Bürobereichs werden die Standardpositionen der Mitarbeitenden einfach mit einem Punkt auf einem Bodenraster bestimmt. Wenn die einzelnen Punkte jeweils zwei Meter auseinander liegen, wird dabei aber noch nicht die Körpergröße der Personen berücksichtigt und die Bewegung der Mitarbeitenden wird dabei auch nicht einkalkuliert.
Einen durchschnittlichen Durchgang begehen in „normalen Zeiten“ etwa 130 Personen pro Minute. Beim Social Distancing wird das auf 25 oder 30 Personen pro Minute reduziert, das sind 75 % weniger. Bei der Planung des Personenverkehrs in Gebäude hinein und aus ihnen heraus muss berücksichtigt werden, dass das Ganze nun länger dauert.
Garcia: Zwei weitere wichtige Parameter sind die Belüftung und der Luftstrom. Ja, es wäre einfacher, die Fenster zu öffnen, da dadurch die Virenbelastung in der Luft reduziert wird. So simpel ist es aber nicht. Diese Maßnahme muss mit komplexeren Systemen wie Luftreinigungssystemen mit speziellen Filtern kombiniert werden. Und in vielen Büros können die Fenster gar nicht geöffnet werden. Ich glaube, es ist ein Problem für viele Büros, dass sie ihre Belüftungs- und Luftströmungssysteme modernisieren müssen.
Thompson: Es ist ein bisschen einfacher als vor 15 Jahren, einige dieser Anforderungen in 3D zu planen. Wir verfügen über digitale Tools. Die Planer könnten also BIM-Software wie [Autodesk] Revit nutzen, mit der der 3D-Bereich entworfen und alle diese Wege dargestellt werden können.
Smith: Gerade als die Pandemie in vollem Gange war, haben wir unsere Tools für Generatives Design auf den Markt gebracht. Damit können Sie Ihre Entwurfsideen festhalten und prüfen, ob sie auch funktionieren. Nehmen wir ein Restaurant: Sie prüfen den Abstand der Tische und achten darauf, dass er für die Kunden und Kundinnen sicher ist. Sie schauen aber auch auf die Anzahl von Tischen: Gibt es noch genug Tische, damit mein Restaurant wirtschaftlich rentabel ist?
Abstand war immer wichtig, darum war er schon vor der Pandemie Teil unseres Plans für diese Tools. Wie groß oder klein dieser Abstand war, konnte einfach angepasst werden. Es erwies sich also als ein recht gutes System, das wir auf unvorhergesehene Weise nutzen konnten.
Garcia: Technologie hilft uns, die notwendigen Anpassungen vorzunehmen, wenn sich eine Situation ändert. Wenn wir etwa herausfinden, dass sich das Virus auf andere Weise verbreitet, können wir die Technologie sehr leicht für praktikable Lösungen anpassen. Andernfalls müssten wir von vorne beginnen. Ich denke daher, dass uns Technologie wirklich helfen kann, uns schnell an neue Szenarien anzupassen, die sich aus den neuen Erkenntnissen über das Virus ergeben.
Omans: Im Laufe der Geschichte sind wir von geschlossenen Büros über Arbeitsnischen zu komplett offenen Büros übergegangen, mit so vielen Personen darin wie möglich. Dabei haben wir über die Zeit festgestellt, dass die Zufriedenheit der Mitarbeitenden eher sinkt. Das ist also eine Chance, die Mitarbeiterzufriedenheit wieder zu verbessern und bei der Raumnutzung neue Wege zu gehen.
Garcia: Das ist ein Wendepunkt, und ich glaube, die Menschen realisieren nun, dass die Art, wie wir Räume nutzen, einen direkten Einfluss auf die Gesundheit hat. Es geht nicht nur um dieses eine Virus. Es geht auch darum, wie wir leben und wie diese Technologie uns dabei helfen kann, zu verstehen, wie wir bauen und wie wir die Auswirkungen unserer Umgebung auf unsere Gesundheit verringern können.