Kugali Media: Afrikanische Geschichten für ein weltweites Publikum

Von Comics und Spielen bis hin zu TV und Film: Kugali Media fördert afrikanische Fachkräfte, um afrikanische Geschichten auf die Weltbühne zu bringen.


Die von der Kritik hochgelobte Fernsehserie „Iwájú“, die in Zusammenarbeit mit den Walt Disney Animation Studios produziert wurde, ist das erste große Animationsprojekt von Kugali Media.

Credit: Kugali Media.

Ein Standbild aus der Miniserie „Iwájú“ zeigt ein junges afrikanisches Mädchen, das mit den Händen in die Hüften gestemmt vor einer Treppe steht.

Matt Alderton

28. November 2025

Min. Lesedauer
  • Zu Afrikas Vielzahl an ungenutzten Ressourcen zählt ein Schatz an bisher außerhalb des Kontinents wenig bekannten Geschichten

  • Kugali Media mit Sitz in London ist ein panafrikanisches Unterhaltungsunternehmen, das afrikanische Geschichten – darunter die mit den Walt Disney Animation Studios produzierte afrofuturistische Zeichentrickserie „Iwájú“ – einem globalen Publikum nahebringen will

  • Die „Kugali Academy“ von Kugali Media bildet afrikanische Animatoren und Kreativschaffende aus, um den Kontinent bei der bevorstehenden Flut afrikanischer Inhalte und Medien auf internationaler Ebene zu unterstützen

Afrika ist reich an Ressourcen. Neben 1,5 Milliarden Menschen – fast 20 % der Weltbevölkerung – beherbergt der Kontinent laut Angaben der Vereinten Nationen auch 8 % des Erdgases, 12 % der Erdölreserven, 65 % der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen und 10 % der internen erneuerbaren Süßwasserquellen, ganz zu schweigen von etwa 30 % der weltweiten Mineralienreserven. All dies deutet auf eine blühende Zukunft für die 54 Länder des zweitgrößten Kontinents der Erde hin.

Die wertvollste Ressource Afrikas ist jedoch vielleicht weder sein Land noch seine Mineralien oder sein Wasser. Der in Afrika geborene VFX-Künstler Hamid Ibrahim behauptet, es seien die Menschen.

„Sehr wenige verstehen, wie vielfältig der Kontinent ist“, sagt Ibrahim, der aus Uganda stammt und heute in London lebt und arbeitet. „Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Mein Heimatland Uganda ist zwar sehr klein, aber wir sprechen über 50 Sprachen. Es gibt so viele Kulturen – richtig viele – und sie haben alle ihre eigenen Geschichten.“

Von griechischen Mythen wie der Geschichte von Prometheus bis hin zu europäischen Märchen sind Geschichten aus westlichen Ländern weltweit bekannt und beliebt. Afrikanische Geschichten bleiben jedoch auf der Weltbühne weitgehend unbekannt.

„Wenn es um afrikanische Geschichten geht, denken die meisten Menschen an eine sehr deprimierende Geschichte, nämlich die der Sklaverei. Wenn sie aber Afrika besuchen würden, würden sie erkennen, dass die Sklaverei nur ein einzelner Moment in der Geschichte ist“, so der geborene Ugander weiter. „Überlegen Sie, was Afrika ist. Es ist der Geburtsort der Menschheit, und wir haben die Geschichte dieser Reise und unserer Herkunft noch kaum erzählt. Das möchte ich ändern.“

Aus diesem Wunsch nach Veränderung heraus gründete er 2017 zusammen mit den afrikanischen Podcastern Tolu Olowofoyeku und Olufikayo „Ziki“ Adeola Kugali Media, ein panafrikanisches Unterhaltungsunternehmen, das afrikanische Geschichten einem globalen Publikum erzählen will. Weniger als ein Jahrzehnt später hatte das Trio bereits Erfolg mit Projekten wie der  animierten Sci-Fi-Miniserie „Iwájú“, die in einer futuristischen Version der nigerianischen Hauptstadt Lagos spielt.

Die sechs Folgen der in Zusammenarbeit mit den Walt Disney Animation Studios für den beliebten Streaming-Dienst Disney+ produzierten Serie wurden 2024 ausgestrahlt. Die Serie erhielt drei Emmy-Nominierungen bei den Children’s and Family Emmy Awards sowie Nominierungen bei den ANNIE Awards und den NAACP Awards. „Iwájú“ ist der erste Band einer umfangreichen Anthologie, die Kugali Media über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Afrikas schreiben will. Als Gesamtwerk versprechen die Erzählungen, den afrikanischen Arbeitsmarkt, die afrikanische Wirtschaft und am allerwichtigsten die afrikanische Erfahrung zu verändern.

„Überlegen Sie, was Afrika ist. Es ist der Geburtsort der Menschheit, und wir haben die Geschichte dieser Reise und unserer Herkunft noch kaum erzählt. Das möchte ich ändern.“

– Hamid Ibrahim, Kugali Media

Die Gründung einer Bewegung

Olufikayo „Ziki“ Adeola, Toluwalakin Olowofoyeku und Hamid Ibrahim von Kugali Media posieren in afrikanisch inspirierten formellen Gewändern.
Olufikayo „Ziki“ Adeola, Toluwalakin Olowofoyeku und Hamid Ibrahim gründeten Kugali Media, um afrikanische Geschichten auf der globalen Bühne zu erzählen. Credit: Kugali Media.

Laut Ibrahim ist Kugali Media nicht nur ein Unternehmen, sondern eine Bewegung. Erinnern kann er sich noch gut an den Moment, als er beschloss, sich für sie zu engagieren. 2018 arbeitete er als Rigger für das britische VFX-Unternehmen MPC: Unter anderem trug er dort zu den 3D-Animationen für die 2019 erschienenen Neuverfilmungen von Disneys „König der Löwen“ und „Dumbo“ bei. Obwohl er das Unternehmen bereits zusammen mit Olowofoyeku und Adeola gegründet hatte, war es zu diesem Zeitpunkt kaum mehr als ein Hobby. Dann hatte er plötzlich einen Geistesblitz.

„Aus Lagos kam ein Animationsprojekt, das ich ziemlich cool fand. Also habe ich es ein paar Kollegen gezeigt“, so Ibrahim. „Stellen Sie sich vor, Ihr Kind malt ein schönes Bild und Sie legen diese Zeichnung – ohne jeglichen Kontext – einem Kunstkritiker vor, der sie gnadenlos verreißt. Das hat mich irgendwie ziemlich stark berührt. Ich beschloss, etwas dagegen zu tun.“

„Mein Gedanke war: Ein Kontinent mit Milliarden von Menschen muss auf jeden Fall qualitativ hochwertige Inhalte produzieren können“, so der Kugali-Chef weiter. „Niemand hätte mich überzeugen können, dass es nicht möglich ist. Es wurde in mir ein wahres Feuer entfacht.“

So heiß waren die Flammen, dass Ibrahim seinen Job kündigte, um sich voll und ganz für Kugali Media zu engagieren. Später übernahm er sogar die Geschäftsführung. Das Geld ging ihm aber schnell aus, und er musste sich monatelang von Reis und Eiern ernähren. Dennoch gab er nicht auf.

Da Olowofoyeku und Adeola – Präsident bzw. Kreativdirektor von Kugali Media – mit Comics aufgewachsen waren, legte das Unternehmen zunächst den Fokus auf die Veröffentlichung von Comicbüchern mit afrikanischen Helden und Geschichten.

„Wir haben es geschafft, Comics herauszubringen, die qualitativ mit denen von Marvel konkurrieren konnten – und das zu geringen Kosten“, erklärt Ibrahim: Ein Weltklasse-Comic lasse sich ohne erlesene Design-Software, mit nur Papier und Stiften für umgerechnet weniger als 5 Euro produzieren. „Das war also eine sehr gute Einstiegsmöglichkeit für uns, um Geschichten zu erzählen, die auf Weltniveau mithalten können.“

Der Disney-Effekt

Während die Comicbuchform nach wie vor ein attraktives Medium ist, bieten Film und Fernsehen eine einzigartige Gelegenheit, die Mission von Kugali Media in großem Maßstab zu verwirklichen. Der große Durchbruch des Unternehmens in Hollywood kam nach einem Interview mit der BBC im Jahr 2019, in dem Ibrahim öffentlich seine Ambitionen erklärte, Disney Konkurrenz zu machen und die US-amerikanische Firma auf dem afrikanischen Markt zu schlagen. Das Interview ging viral und landete bei einem Disney-Manager, der daraufhin um ein Treffen bat.

„Sie haben erstmal Kontakt mit uns aufgenommen, nur um zu reden“, so der Kugali-Geschäftsführer. Aber sein Unternehmen nutzte die Gelegenheit, Disney einige Geschichten vorzuschlagen, in der Hoffnung auf eine potenzielle Zusammenarbeit. Disney gefielen zwar alle Vorschläge, jedoch entschied man, dass „Iwájú“ am einfachsten zu produzieren wäre. Zunächst wurde eine Freigabe für die Produktion von sechs Folgen – jeweils 5 Minuten lang – erteilt. Allerdings beschloss Disney später, diese in der Standard-Comic-Serienlänge von etwa 20 Minuten pro Folge zu finanzieren. „Clark Spencer, der Präsident der Walt Disney Animation Studios, sagte einfach: ‚Machen wir’s‘“, berichtet Ibrahim. „Damit wurde es die erste lange Serie, die Walt Disney Animation Studios je produziert hat.“

In diesem Moment ging es um alles oder nichts: Das Kugali-Team wollte unbedingt Ersteres. „Das ganze Team war sehr entschlossen“, so Ibrahim. „Wir waren sicher, dass wir hochwertige Inhalte produzieren könnten. Wir brauchten nur eine Chance zu zeigen, was wir können.“

Standbild eines jungen afrikanischen Mannes aus einem Animationsvorschlag für das Comicbuch „Lake of Tears“.
Nach dem Erfolg der in Zusammenarbeit mit den Walt Disney Animation Studios produzierten Miniserie „Iwájú“, stellt Kugali Media nun neue Originalinhalte vor, wie etwa eine animierte Version des Comics „Lake of Tears“. Credit: Kugali Media.

Kugali Media hat quasi die Rolle eines Stellvertreters für ganz Afrika übernommen. „Die allgemeine Einstellung gegenüber Afrika ist engstirnig“, sagt Ibrahim. „Mit anderen Worten: Wenn jemand darüber nachdenkt, woher die nächste große Innovation kommen könnte, wird er Afrika nicht einmal in Betracht ziehen.“

Groß angelegte Projekte mit Mainstream-Partnern wie Disney sind eine Chance, die öffentliche Wahrnehmung zu ändern, so der Kugali-Chef. „‚Iwájú‘ hat meine Motivation drastisch verändert“, sagt er. "Vor Iwájú ging es nur darum, ein Feuer zu entfachen. Ich wollte zeigen, was wir tun können. Aber die Reaktion auf ‚Iwájú‘ hat mich sehr bewegt.“

Er erinnert sich vor allem an die Nichte eines afrikanischen Freundes, die im Ausland lebt. Bevor sie „Iwájú“ sah, weinte sie und beklagte sich immer, wenn sie vom Westen nach Afrika zurückreisen musste. Nachdem sie die Serie aber gesehen hatte, flehte sie ihre Mutter ständig an, dorthin zu reisen.

„Das war ungeheuer wichtig“, so Ibrahim weiter. „Ich wusste, dass die Geschichte viele Erwachsene – die aus der afrikanischen Diaspora – tief berühren würde. Aber was ich nicht wusste, war, dass es auch für Kinder so entscheidend und monumental sein wird. Damit änderte sich meine Motivation: Anstatt es anderen zeigen zu wollen, fing ich an, anderen zu erklären, dass es eine Menge wichtiger Arbeit zu tun gibt, die eine große Wirkung für viele Menschen auf der Welt haben wird.“

Fortbildung im Großmaßstab

Hamid Ibrahim präsentiert einen Vortrag auf der Bühne beim FTI SuperNova Festival 2024 in Antwerpen.
Hamid Ibrahim teilt seine Vision für Kugali Media und afrikanische Geschichtenerzählung auf dem FTI SuperNova Festival 2024 in Antwerpen. Credit: Kugali Media und FTI SuperNova.

„Iwájú“ war nur der Anfang. Kugali Media will auf dem Erfolg der Serie aufbauen und die Reichweite afrikanischer Geschichten mit neuen Projekten in den Sparten Print, Film, Fernsehen und sogar Spiele weiter ausbauen. Das einzige Problem? Fachkräfte – oder besser gesagt, der Mangel daran.

„Die Unterhaltungsbranche in Afrika ist noch sehr jung. Daher ist es sehr schwierig, dort ein komplettes Projekt auf die Beine zu stellen, geschweige denn mehrere vollständige Projekte. Das können nur wenige Unternehmen“, so der Kugali-Geschäftsführer. Als Kreativschaffender mit Schwerpunkt kreative Führung macht er sich darüber Sorgen, was passieren könnte, wenn die Nachfrage nach afrikanischen Geschichten steigt, das Angebot an afrikanischen Kreativschaffenden aber nicht. „Ich habe schon gesehen, dass bei jedem größeren Projekt auf dem Kontinent immer dieselben Personen auftauchen. Jetzt, wo immer mehr Projekte nach Afrika kommen und dieselben Kreativschaffenden immer eingesetzt werden, wird irgendwann eine Menge an Fachkräfte versprochen, die es gar nicht gibt. Die Branche ist sehr risikoscheu – ein großer Fehler kann einen um Jahre zurückwerfen. Das finde ich sehr beunruhigend. Wir müssen neue, hochqualifizierte Fachkräfte in diesem Bereich fördern, denn im Moment glaube ich nicht, dass wir in Afrika mehr als zwei hochwertige Spielfilme gleichzeitig machen können.“

Die Zusammenarbeit mit Unternehmen wie Disney ist ein wichtiges Mittel, um Fachkräfte fortzubilden. „Wir können die erforderliche Qualität nur erreichen, wenn wir mit Leuten zusammenzuarbeiten, die auf diesem Niveau arbeiten können, während wir unsere eigenen Fachkräfte ausbilden“, fährt Ibrahim fort. Das Personalmodell von Kugali Media hänge in hohem Maße von unabhängigen Vertragspartnern ab, die vor Ort in Afrika tätig seien – derzeit in mindestens 15 verschiedenen Ländern: „Für mich war ‚Iwájú‘ quasi eine Disney-Universität, denn unsere Kreativschaffenden wurden dadurch alle deutlich besser.“

Doch die Partner können nicht allein die ganze Last tragen. Bei Kugali Media weiß man, dass das Unternehmen auch seinen Teil dazu beitragen muss. Deswegen wurde die „Kugali Academy“ ins Leben gerufen: Diese vom Unternehmen geförderte Talentschmiede bietet aufstrebenden Kreativschaffenden eine kostenlose, hochwertige Ausbildung. Da viele nicht über die notwendige Hard- oder Software für Animationen oder visuelle Effekte verfügen, müssen die Mitwirkenden über Mobilfunk oder virtuelle Desktop-Dienste aus der Ferne auf die Technologie zugreifen. Nach Abschluss des einjährigen Kurses erhalten die Absolventen Zugang zu einem firmeninternen Fachkräftenetzwerk, über das Kugali Media seine Auftragsnehmenden für künftige Projekte auswählt.

Auf diese Weise können Fachkräfte auf organische Weise gefördert werden, die sowohl Kugali Media als auch ganz Afrika dienen können. „Kompetenzen werden im Rahmen einer Art Mentoringprogramm ständig weitergegeben“, so der Kugali-Chef. „Eine versierte Fachkraft lernt eine andere an. Dann haben wir zwei kompetente Kreativschaffende, die weitere unterrichten. Und so weiter und so fort.“

Im ersten Schritt wolle man bis zu 500 Kreativschaffende mit Kenntnissen in Autodesk Maya und verwandten gefragten Technologien ausbilden, damit sie innerhalb von zwei Jahren von Arbeitgebern in der Branche eingestellt werden könnten, so Ibrahim. Selbst wenn für einige Projekte Arbeitskräfte aus dem Ausland hinzugeholt werden müssen, könne man trotzdem ein Team kreativer Führungskräfte aufbauen, deren Beteiligung an Projekten die Grundlage für authentische, glaubwürdige und legitime afrikanische Geschichten bilden kann.

Afrikanische Medien: Bereit zum Durchstarten

Was gut für Afrika sei, sei auch gut für das Publikum, so Ibrahim: Menschen hätten sich an bestimmte Arten von Geschichten gewöhnt, die auf sehr schablonenhafte und formelhafte Weise erzählt würden. Da afrikanische Geschichten und Geschichtenerzählende neu seien, könnten sie neue Formate und Perspektiven einbringen.

„Weil die Branche in Afrika noch sehr jung ist, gibt es viel Spielraum“, so der Kugali-Geschäftsführer. „Medieninhalte, die aus Europa oder Hollywood kommen, folgen einer Art Checkliste. Es gibt eine Maschine, durch die alles läuft. Aber diese Maschine gibt es auf dem afrikanischen Markt nicht – also es gibt viel mehr Spielraum, neue Wege zu gehen. Das ist sehr spannend.“

Das geschieht bereits dank Projekten wie „Iwájú“. Aber wenn das Publikum endlich auf den Geschmack afrikanischer Geschichten komme, die von afrikanischen Kreativschaffenden zum Leben erweckt wurden, würde die afrikanische Medien- und Unterhaltungsbranche wie ein Überschalljet abheben, so ist Ibrahim sicher. „Ich glaube wirklich, dass Afrika in der Lage ist, die Filmbranche zu dominieren“, sagt er. „Wenn wir unsere Einzigartigkeit erkunden und unsere besonderen Geschichten entfesseln, werden wir alle Erwartungen sprengen.“

Matt Alderton

Zur Person: Matt Alderton

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