Wenn die Babyboomer in Rente gehen: Wege aus dem Fachkräftemangel

Um die Auswirkungen dieser Entwicklung zu bekämpfen, setzen Arbeitgebende auf verschiedenste Initiativen, um zukünftige Personallücken zu vermeiden.

Eine Frau trägt eine Kiste mit ihren Habseligkeiten, Luftballons und ein Schild mit guten Wünschen für den Ruhestand aus dem Büro.

Shawn Radcliffe

1. Juli 2025

Min. Lesedauer
  • Nicht nur auf dem US-Arbeitsmarkt stehen enorme Veränderungen bevor, wenn die Nachkriegsgeneration in Rente geht

  • Arbeitgebende setzen heute auf Personalbeschaffungs-, Weiterbildungs- und Vielfalts-Initiativen, um einen zukünftigen Fachkräftemangel abzuwenden

  • Zu den innovativen Lösungen zählen spezialisierte Förderprogramme, die Arbeitnehmenden Unterstützung im zunehmenden Alter bieten

Mitunter in den USA geht die Generation der geburtenstarken Nachkriegsjahrgänge in Rente. Zusammen mit der Alterung der Erwerbs- und der Gesamtbevölkerung führt diese Entwicklung zu einer richtungsweisenden Veränderung auf den Arbeitsmärkten. Nach den Millennials machen Babyboomer die zweitgrößte Altersgruppe in den USA aus, und im Zeitraum zwischen heute und 2030 werden jeden Tag 10.000 von ihnen das traditionelle Rentenalter von 65 Jahren erreichen.

Bis dann werden die über 65-Jährigen ein Fünftel der Gesamtbevölkerung der USA ausmachen, in Deutschland laut der Bertelsmann Stiftung sogar ein Viertel der Bevölkerung. Viele Angehörige dieser Generation arbeiten länger, was u. a. auf eine durch Fortschritte im Gesundheitswesen begünstigte höhere Lebenserwartung zurückzuführen ist. Letztendlich werden jedoch auch ältere Arbeitnehmende in den Ruhestand gehen und damit jahrzehntelanges Wissen und Erfahrung mitnehmen.

Ein Elektroingenieur prüft eine Statorwicklung in einer elektrotechnischen Fabrik.
In den USA sind mehr als ein Viertel der Beschäftigten in den Bereichen Architektur, Ingenieurwesen und verwandten Branchen 55 Jahre oder älter.

Nach Angaben des US Bureau of Labor Statistics (BLS) stieg zwischen 2011 und 2023 der Anteil der Arbeitnehmenden, die 55 Jahre oder älter sind, in vielen Sektoren:

  • Architektur, Ingenieurwesen und verwandte Branchen: Anstieg von 25 % auf 27 %

  • Bauwesen: Anstieg von 17 % auf 21 %

  • Fertigung: Anstieg von 20 % auf 25 %

  • Werbebranche, Öffentlichkeitsarbeit und verwandte Branchen: Anstieg von 16 % auf 17 %

Diese Veränderungen spiegeln einen Trend wider, der die gesamte US-Erwerbsbevölkerung betrifft. Laut den BLS-Daten ist zwischen 2023 und 2011 der Anteil von Personen ab 55 Jahren an der Gesamtbevölkerung im erwerbsfähigen Alter von 21 % auf 23 % gestiegen. Zur Veranschaulichung war 1995 nur 12 % der US-Gesamtbelegschaft 55 Jahre oder älter. Im Vergleich war laut dem Statistischen Bundesamt destatis mit Blick auf die Gesamtwirtschaft 2023 gut jeder vierte Erwerbstätige (26 %) in Deutschland 55 Jahre oder älter. 2011 lag der Anteil noch bei nur 15,4 %.

Architektur, Ingenieurwesen und verwandte Branchen können sich diesen demografischen Kräften nicht entziehen. In naher Zukunft könnten Unternehmen einen großen Verlust von Fachkräften erleben, denn derzeit machen Arbeitnehmende, die 55 Jahre oder älter sind, bis zu einem Viertel der Belegschaft in diesen Branchen aus. Laut der 2023 State of Enterprise Architecture Survey – einer branchenweiten internationalen Umfrage des Softwareunternehmens Sparx Systems – werden beispielsweise mehr als zwei Drittel der heute tätigen Architekten bis 2035 in den Ruhestand gehen. Weitsichtige Unternehmen planen schon jetzt, um in dieser Übergangsphase Stabilität in der Belegschaft zu gewährleisten.

Unternehmen ergreifen Maßnahmen zur Vermeidung von Personallücken

Angesichts einer alternden Belegschaft – und der Möglichkeit eines schnellen Verlusts erfahrener Mitarbeiter – ergreifen viele Unternehmen Maßnahmen, um Personallücken zu vermeiden. Laut des 2024 State of Design & Make-Berichts von Autodesk gab jedoch ein Fünftel der Befragten an, ihre Unternehmen würden die Herausforderungen dieses demografischen Wandels nicht meistern und damit das Risiko eingehen, den Rückstand später aufholen zu müssen.

Der Autodesk-Bericht beruht auf einer Umfrage und Interviews mit fast 5.400 internationalen Führungskräften, Zukunftsforschern und Experten aus den Bereichen Architektur, Ingenieurwesen, Bauwesen und Gebäudebetrieb, Planung und Fertigung sowie Medien und Unterhaltung.

Nach Angaben des Berichts sind die beliebtesten Strategien zukunftsorientierter Unternehmen die Weiterbildung und die verstärkte Einstellung von Mitarbeitern. Insbesondere gaben 29 % der Befragten an, ihre Unternehmen würden in gezielte Maßnahmen zur Anwerbung von Nachwuchskräften investieren.

„Inzwischen bemühen wir uns, eine Funktion mit Zuständigkeit für die Anstellung und Weiterbildung innerhalb unserer Ingenieurgruppe zu entwickeln“, so Jeff Walling, Miteigentümer der Verfahrenstechnik- und Integrationsfirma ABM Equipment Co. „Wir haben festgestellt, dass die Kosten für die Einarbeitung ausgeglichen werden, wenn wir neuen Mitarbeitenden nicht erst schlechte Gewohnheiten abtrainieren müssen.“

Ein Dozent gibt erwachsenen Studierenden im Klassenzimmer Anweisungen zur Elektrotechnik.
Viele Unternehmen in den Planungs- und Fertigungssektoren investieren in Schulungsprogramme, um das Risiko von Kompetenzlücken zu minimieren.

Darüber hinaus gaben 17 % der für die Studie Befragten an, dass ihre Unternehmen sich auf die Fort- und Weiterbildung der vorhandenen Mitarbeitenden konzentrierten, darunter auch Initiativen, die älteren Arbeitnehmenden helfen, neue technische Fähigkeiten zu entwickeln und auf dem neuesten Stand der Technik zu bleiben.

Laut BLS wird im Jahre 2032 21 % der US-Bevölkerung mit 65 Jahren oder mehr noch arbeiten – 2022 waren es nur 19 %: Dadurch wird eine künftige Verbesserung der Kompetenzen der derzeitigen Mitarbeitenden – vor allem der älteren, die möglicherweise Schwierigkeiten mit der Einarbeitung in neuere Tools haben – von entscheidender Bedeutung sein. Das BLS prognostiziert, dass zwischen 2022 und 2032 ältere Erwachsene 57 % des Wachstums der Erwerbsbevölkerung in den USA ausmachen werden.

Wie weiter aus dem Bericht hervorgeht, setzen 10 % der Unternehmen wegen der rasch alternden Belegschaft Initiativen für Vielfalt und Integration um. Zu diesem Ansatz gehört auch die Schaffung einer Arbeitskultur, die die Wertschätzung von Mitarbeitenden aller Altersgruppen fördert und die einzigartigen Erfahrungen und Perspektiven anerkennt, die jeder Einzelne in die jeweiligen Projekte einbringt.

Zu den weiteren Maßnahmen zählen die zukunftsorientierte Ermittlung von Mitarbeitenden mit Führungspotenzial und deren Vorbereitung auf diese künftigen Aufgaben, die Schaffung von Praktikums- und Ausbildungsprogrammen zur Förderung von Nachwuchskräften sowie der Einsatz von Technologie und künstlicher Intelligenz zur Unterstützung der Arbeitnehmenden.

Mit 4 % gab eine geringere Anzahl der Befragten an, dass ihre Unternehmen Gehälter, Sozial- und Zusatzleistungen einsetzten, um Fachkräfte anzuwerben und langfristig zu binden. Weitere 4 % der Befragten berichteten, dass ihre Unternehmen Fernarbeitsoptionen und flexible Arbeitszeiten anböten.

Unterstützung für alternde Arbeitnehmende

Die Einarbeitung in aktuelle Technologien ist nicht die einzige Herausforderung, die ältere Mitarbeitende zu bewältigen haben. Daneben wird die Alterung der Belegschaft andere Schwierigkeiten für Unternehmen mit sich bringen, die nicht alle im direkten Zusammenhang mit den Tätigkeitsbereichen der Mitarbeitenden stehen.

Laut den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) haben 70 % der US-Amerikaner im Alter von 55 bis 64 Jahren mindestens eine chronische Erkrankung wie Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Asthma oder Krebs. Weitere 37 % bzw. 14 % haben mindestens zwei bzw. drei chronische Erkrankungen.

Mit umfassenden Programmen für Gesundheit und Wohlbefinden können Unternehmen diese Arbeitnehmenden unterstützen. Laut einem Bericht des Weltwirtschaftsforums sind 46 % der in neun internationalen Märkten befragten Wirtschaftsführenden der Meinung, dass die Unterstützung der Gesundheit und des Wohlbefindens der Mitarbeitenden eine unverzichtbare Voraussetzung für den Erfolg eines Unternehmens sei. Weitere 49 % sind der Meinung, dass steuerliche Anreize für solche Initiative erforderlich seien.

Eine ältere Frau im Rollstuhl mit ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn auf einem Gartenweg.
Förderprogramme können Arbeitnehmenden zugutekommen, die ihre beruflichen Pflichten mit der Pflege eines alternden Elternteils in Einklang bringen müssen.

Mit Arbeitgeberleistungen wie der kostenlosen Mitgliedschaft im Fitnessstudio oder gesunden Snacks bei Meetings ist es dabei oft nicht getan. Ältere Mitarbeitende benötigen möglicherweise spezialisierte Leistungen, wie etwa Unterstützung für die Pflege eines alternden Elternteils – manchmal bei gleichzeitiger Kinderbetreuung – oder die Anpassung des Arbeitsplatzes, um ihn für Arbeitnehmende mit chronischen Erkrankungen besser zugänglich zu machen.

Durch einen mehrgleisigen Ansatz im Umgang mit der alternden Belegschaft können Unternehmen sicherstellen, dass ältere Arbeitskräfte produktiv bleiben und gut mit jüngeren Kollegen zusammenarbeiten können. Gleichzeitig können diese Firmen die jüngeren Generationen schon jetzt darauf vorbereiten, die Aufgaben der älteren Arbeitnehmenden zu übernehmen, wenn diese schließlich doch in den Ruhestand gehen. 

Shawn Radcliffe

Zur Person: Shawn Radcliffe

Shawn Radcliffe (ShawnRadcliffe.com) lebt und arbeitet im kanadischen Ontario als freiberuflicher Journalist und Yoga-Lehrer. Sein besonderes Interesse gilt Themen aus den Bereichen Gesundheit, Medizin, Wissenschaft, Architektur, Ingenieur- und Bauwesen sowie Yoga und Meditation.

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