Auf dem Treffen des Automotive Innovation Forum von Autodesk im April berichtete Alfonso Albaisa, der Senior VP und Head of Design bei Nissan, dass sein Unternehmen bereits fortschrittliche Design-Tools zur „Humanisierung virtueller Erfahrungen“ einsetze.
Unter den strengen Corona-Auflagen der vergangenen Monate hat er sich mit seinem Entwicklungsteam auf der ganzen Welt in virtuellen Designstudios zusammengesetzt, um gemeinsam an neuen Automodellen zu arbeiten. In einem VR-Umfeld konnten sie sich dabei von Fahrzeug zu Fahrzeug bewegen, hinterm Steuer Platz nehmen, die Rückspiegel und andere Komponenten verstellen sowie Änderungsvorschläge einbringen.
„Als Entwickler wollen wir neue Designs und Modelle so schnell wie möglich selbst erleben. Mit den neuen Design-Tools können wir ein Umfeld für spontane und authentische Kommunikation erstellen. Für kreative Prozesse ist das unverzichtbar“, sagt Albaisa.
Zur optimalen Nutzung dieser digitalen Möglichkeiten sind neuartige Kompetenzen erforderlich, von der Entwicklung über den Vertrieb bis hin zum Kundendienst, von der Planungs- und Entwicklungsebene bis zur Fabrikhalle.
Mit der zunehmenden Technologisierung der Branche ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Arbeitskräfte in der Automobilindustrie die richtigen Fähigkeiten entwickeln und über die aktuellen digitalen Tools verfügen. Um hochqualifizierte Fachkräfte anzuwerben und zu halten, muss alles digitalisiert werden. Nur so kann man den Anforderungen der immer mobileren und besser vernetzten Heim- und Büroumgebungen gerecht werden.
Digitale Fahrzeuge erfordern digitale Arbeitsabläufe„Allein die Unterhaltungssysteme heutiger Fahrzeuge bestehen aus über zehn Millionen Zeilen Programmiercode“, so Hildegard Wortmann, die als Vorstandsmitglied bei Audi für den Bereich Marketing und Vertrieb zuständig ist, in ihrer Rede auf der GTC 21 von NVIDIA. „So viel Programmiercode benötigte vor nur ein paar Jahren ein gesamtes Fahrzeug.“
Allerdings passen sich die Führungskräfte traditioneller Automobilhersteller auf unterschiedliche Weise an die rasant wachsende Rolle von Software in ihren Betriebsabläufen an. Einige von ihnen holen sich etablierte Softwareanbieter ins Boot, um von der branchenübergreifenden Expertise zu profitieren und sie auf ihre eigenen Bedürfnisse bei Entwicklung, Fertigung und Montage anzuwenden. Andere hingegen entscheiden sich für eine vertikale Integration und bauen ganze Abteilungen auf, um maßgeschneiderte Programmiercodes für ihre Fahrzeuge und ihre Kundschaft zu entwickeln.
In jedem Fall ist es entscheidend, dass die Anpassung in die richtige Richtung stattfindet. Einer Studie von McKinsey zufolge haben führende Softwareunternehmen einen drei- bis sechsmal höheren Durchsatz und eine höhere Qualität als die schlechter abschneidende Konkurrenz. Somit ist der Produktivitätsunterschied deutlich größer als in der Hardwareentwicklung. Entsprechend muss die Integration von Software in ein Unternehmen auf die richtige Art und Weise passieren, um damit große Vorteile erzielen zu können.
Doch funktioniert das in einem bestehenden Automobilkonzern überhaupt so, wie es einer Wunschvorstellung aus dem Silicon Valley entspräche? Die Volkswagen AG zufolge schon – jedenfalls hat das Unternehmen vor Kurzem seine neue Software-Sparte CARIAD an den Start gebracht. Mit geplanten 10.000 Beschäftigten wird die Abteilung nach SAP das zweitgrößte Tech-Unternehmen in Deutschland sein.