Nachhaltige Raumfahrt? Neuartige Raketen von Perigee Aerospace

Die südkoreanische Firma Perigee Aerospace setzt auf schnelle Planung und Simulation, um maßgeschneiderte Raketen kostengünstig und nachhaltig zu entwerfen.


Die Trägerrakete Blue Whale 1 von Perigee Aerospace kann einen 200-Kilogramm schweren Minisatelliten in eine sonnensynchrone Umlaufbahn in 499 Kilometer über der Erde bringen.

Perigee Aerospace.

Abschuss für die Rakete Blue Whale 1 von Perigee Aerospace

Kijun Lee

17. Juli 2025

Min. Lesedauer
  • Das Raumfahrtunternehmen Perigee Aerospace liefert maßgeschneiderte Trägerraketen und Startdienste für zunehmend kleine und diversifizierte Satellitenflotten

  • Die Design-Iteration-Software Autodesk Vault ermöglicht Planungsoptimierung, indem sie den Zugang zu aktuellen Daten für alle Mitglieder des Perigee-Teams gewährleistet

  • Um die Beschränkung des begrenzten Testraums im südkoreanischen Luftraum zu umgehen, setzt das Unternehmen auf Simulationsverfahren sowie die Entwicklung eines eigenen HIL-Simulators (Hardware-in-the-Loop)

Das Start-Up-Unternehmen Perigee Aerospace wird als erstes private Unternehmen eine Trägerrakete in Südkorea betreiben – und gilt damit auch einer der wenigen kleinen Raumtransporter weltweit. Masse ist für kleine Trägerraketen ein wichtigerer Aspekt als für große Trägerraketen. Dazu erfordern sie eine anspruchsvollere Technologie. Für Firmen, die aber sich auf diese kleinere Art der Produktion setzen, rückt der Traum vom nachhaltigen Zugang zum Weltraum in greifbare Nähe. Die südkoreanische Firma will noch in diesem Sommer mit einem Teststart vom Meer westlich der Insel Jeju Geschichte schreiben.

Hindernisse für den Zugang zum Weltraum sind nach wie vor hoch

Das mit Flüssigmethan betriebene Blue-1S-Triebwerk von Perigee Aerospace.
Das Blue-1S-Haupttriebwerk wird mit Flüssigmethan betrieben. Perigee Aerospace.

Auch wenn das von privaten Unternehmen wie SpaceX angeführte neue Weltraumzeitalter – die sogenannte New Space Era – schon vor einiger Zeit begann, bleiben die Eintrittsbarrieren in die Raumfahrtindustrie hoch.

Auf der einen Seite herrscht aufgrund des enormen Wertes der Satellitenindustrie große Nachfrage nach Fahrzeugen, die Satelliten starten können. Auf der anderen Seite ist das Angebot wegen der entsprechend hohen technischen Hürden begrenzt. Aus diesem Grund warten viele Unternehmen jahrelang und zahlen Millionen oder gar zweistellige Millionenbeträge für den Start ihrer Satelliten. Weil viele Unternehmen ihre Satelliten aus Kostengründen auf einer großen Trägerrakete bündeln, ist es auch schwierig, die Satelliten auf die jeweils vorgesehenen individuellen Umlaufbahnen zu bringen.

Das südkoreanische Unternehmen Perigee Aerospace erkannte in der Bereitstellung von maßgeschneiderten Trägerraketen und Startdiensten für zunehmend kleine und diversifizierte Satellitenkonstellationen eine Innovationschance. Durch die Verkleinerung der Trägerraketen und die damit verbundene drastische Reduzierung der Startkosten würden die Eintrittsbarrieren in das Satellitengeschäft senken.

Die Blue Whale 1 – eine Trägerrakete von Perigee, die derzeit entwickelt wird – soll Satelliten mit einem Gewicht von 200 bis knapp über 500 Kilogramm in eine niedrige Erdumlaufbahn bringen. Ziel des Unternehmens ist es, die Vorteile aus einem Inlandsstart sowie niedrigen Startkosten zu ziehen und mit dieser Trägerrakete zunächst die südkoreanische Binnennachfrage zu bedienen. Danach will Perigee Aerospace auf den Markt für kleine Trägerraketen in Südostasien und Europa expandieren.

„Maßgebend für den Erfolg im neuen Weltraumzeitalter ist eine drastische Senkung der Startkosten“, so Eunkwang Lee, VP of Propulsion bei Perigee Aerospace. „Viele Unternehmen entwickeln Trägerraketen mit verschiedensten Merkmalen, um diese Kosten zu senken. Um die Produktionskosten zu reduzieren, arbeiten wir gemeinsam an der Entwicklung von Schlüsseltechnologien, wie etwa Bauteile, die Mehrwert anbieten, interne Fertigungskapazitäten und Technologien zur Wiederverwendung von Trägerraketen. Bei unserem Entwicklungszentrum im südkoreanischen Landkreis Okcheon bauen wir zum Beispiel unter Verwendung von Autoklaven und additiven Fertigungsanlagen Behälter aus Kohlefaserverbundwerkstoffen, die kryogenen Temperaturen und Hochdruckumgebungen standhalten können.“

Ein schneller Design-Iterationsprozess senkt Kosten

Einer der Hauptfaktoren, die zur Kostensenkung durch bessere Planung beitragen, ist die schnelle Iteration von Entwürfen. Auf die Erstellung – und Verwerfung – unzähliger physischer Prototypen wird verzichtet. Stattdessen wird die optimale Lösung durch die Iteration zahlreicher Entwurfssimulationen mit unterschiedlichen Parametern sowie durch die anschließende Analyse der Daten gefunden. Je schneller und genauer dieser Prozess abläuft, desto geringer sind die Kosten und desto höher ist die Qualität des Endprodukts.

Um schnelle und genaue Design-Iterationen zu gewährleisten, verwendet Perigee Aerospace die Autodesk-Software Inventor als zentrale und einzige Plattform für alle Arbeitsschritte des Teams von der Planung über die Validierung bis hin zur Visualisierung. „Wir verwenden Inventor für 3D- und Autodesk AutoCAD für 2D-Zeichnungen“, erklärt der Südkoreaner. „Es ist großartig, alles in einem Tool entwerfen, analysieren, neu entwerfen, herstellen und zeichnen zu können – mit Inventor können wir die Basisdaten für die Analyse erstellen, und es ist sehr leicht, die Daten zu vereinfachen oder zu bearbeiten, um sie effizienter auswerten zu können. Die in Inventor integrierten Funktionen zur Strukturanalyse ermöglichen die schnelle Ableitung struktureller Lösungen, die dann in den Entwurf integriert werden können. Durch die Zeichnungsfunktionen von Inventor können wir Visualisierungen erstellen, die dem tatsächlichen Produkt sowohl optisch als auch im Gesamteindruck sehr ähnlich sind.“

In Autodesk Vault werden dann diese Daten systematisiert, um sicherzustellen, dass alle Teammitglieder Zugriff auf die aktuellsten Entwurfs- und Testdaten haben. „Wir wollen die Datenverwaltung für Design-Iterationen zentralisieren und letztendlich unsere hauseigenen Design-, Fertigungs- und Testkapazitäten entwickeln“, erklärt Lee. „Durch Vault verwalten wir den Zugriff nach Teams und gewährleisten eine Datensicherheit, die für die jeweiligen Teams spezifisch eingestellt ist.“ Der Design-Iterationsprozess generiere viele Daten, die durch eine Verwaltung in Vault für jedes Mitglied sichtbar sei, was Verwirrung vermeide und die Entwicklung beschleunige, so der Vortriebsleiter.

Simulationen für wiederverwendbare Technologie

Eine Trägerrakete von Perigee Aerospace kehrt zur vertikalen Landung und Wiederverwendung auf den Boden zurück.
Perigee Aerospace testet eine Technologie zur Wiederverwendung von Trägerraketen. Perigee Aerospace.

Die Wiederverwendbarkeit von Trägerraketen spielt für Kosteneinsparungen eine maßgebliche Rolle. Die Startkosten für wiederverwendbare Trägerraketen sind im Vergleich zu konventionellen Trägerraketen um 20 % niedriger. Daher ist wiederverwendbare Technologie für Perigee von entscheidender Bedeutung, um die Hindernisse für wiederverwendbare Weltraumtechnologie zu verringern. Eine äußerst ausgeklügelte Ausstattung und Steuerung ist aber nötig, damit die erste Stufe einer Trägerrakete die zweite Stufe und ihre Nutzlast auf eine Höhe von etwa 100 Kilometern befördern kann, um dann zur Erde zurückzukehren und aufrecht und unbeschädigt an einem genauen Ort zu landen. Diese Schwierigkeit führt dazu, dass derzeit nur wenige Unternehmen – wie SpaceX – in der Lage sind, Trägerraketen wiederzuverwenden.

Unternehmen wie Perigee, die kleinere Trägerraketen entwickeln, stehen vor noch größeren Herausforderungen. Kleinere Trägerraketen sind viel schwieriger zu steuern und bei der Landung anfälliger für Störungen. Die Wiederverwendung von Trägerraketen erfordert außerdem risikoreiche Tests, wie etwa vertikale Starts oder Landungen. In Südkorea gibt es keine Wüsten oder andere ähnlich geeignete offene Flächen, auf denen solche riskanten Tests durchgeführt werden können.

Die Lösung dafür sei die Simulation: „Um die Flugsteuerungsalgorithmen zu testen und sicherzustellen, dass die Trägerrakete unter verschiedenen Störungen und Flugszenarien normal gesteuert werden kann, haben wir einen hauseigenen HIL-Simulator [Hardware-in-the-Loop] entwickelt“, so der südkoreanische VP. Im November 2023 setzte Perigee diese Technologien ein und ging mit dem erfolgreichen Senkrechtstart und der Landung seines Testfahrzeugs Blue Whale 0.3 aus einer Höhe von über 100 Meter den ersten Schritt zur Wiederverwendbarkeit von Trägerraketen.

Nachhaltigkeit in der Raumfahrtindustrie

Ein Verbrennungstest von dem mit Flüssigmethan betriebenen Blue 1S-Triebwerk von Perigee Aerospace wird durchgeführt.
Durchführung eines Verbrennungstests von dem mit Flüssigmethan betriebenen Blue 1S-Triebwerk von Perigee Aerospace. Perigee Aerospace.

Mit der zunehmenden Häufigkeit von Starts im neuen Weltraumzeitalter steigen auch deren Umweltauswirkungen. Mit etwa 200 pro Jahr ist die derzeitige Anzahl der weltweiten Starts ist noch relativ gering – dementsprechend ist eine genaue Bewertung der Umweltauswirkungen schwierig. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass die Häufigkeit der Starts in Zukunft drastisch ansteigen wird und damit die Nachhaltigkeit eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Trägerraketen spielen wird.

Perigee Aerospace setzt umweltfreundliche Materialien und Kraftstoffe ein, um ein nachhaltiges Unternehmen zu werden. Die Zelle der Rakete Blue Whale 1 besteht vor allem aus Kohlefasern, die wesentlich leichter sind als das in herkömmlichen Trägerraketen verwendete Aluminium. Dadurch wird eine Verbesserung, die Kraftstoffeffizienz sowie eine Verringerung der Kohlendioxidemissionen erreicht – mit positiven Auswirkungen für die Umwelt. Dazu verwendet das Trägerraketentriebwerk statt Flugturbinenkraftstoff flüssiges Methan als Treibstoff – mit der Folge, dass Schafstoffemissionen erheblich reduziert werden.

Auch in Zukunft wird Perigee Aerospace neue umweltfreundliche Technologien entwickeln, um die Nachhaltigkeit seiner Trägerraketen zu verbessern. Seit kurzem legt das Unternehmen den Schwerpunkt auf das aus der Zersetzung von Viehdüngern, Lebensmittelabfällen und anderen Stoffen gewonnene Biomethan. „Da die Trägerrakete Blue Whale 1 mit Methan betrieben wird, ist es möglich, flüssiges Methan, das aus Biomethan verflüssigt wurde, als Kraftstoff zu verwenden. Die Verwendung von Biomethan als Treibstoff wird in Zukunft zunehmen und wir haben vor, diese Vorteile zu nutzen, um eine kohlenstoffneutrale Trägerrakete zu entwickeln“, so Lee.

Portrait des Autors

Zur Person: Kijun Lee

Kijun Lee ist freiberuflicher Journalist, Übersetzer und Redakteur für die koreanische Ausgabe von Design & Make with Autodesk. Seine Beiträge wurden in der südkoreanischen Zeitschrift „JoongAng Ilbo“  und in „Forbes Korea“ veröffentlicht. Internationale Politik, Spitzentechnologien und Beziehungen zwischen Gemeinschaften zählen zu seinen thematischen Schwerpunkten.

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