Nachnutzung: Neues Leben für ausgediente Gebäude
- Nachnutzung oder auch „Adaptive Reuse“ kann nicht nur einen Beitrag zur Wahrung des Kulturerbes leisten. Die geschickte Umnutzung ausgedienter Bauwerke kann auch für eine städtebauliche Revitalisierung sorgen
- Die Verlängerung der Lebensdauer von Bauwerken ist eine besonders nachhaltige Strategie mit sozialen und finanziellen Vorteilen
- Zehn konkrete Projektbeispiele zeigen eindrucksvoll, wie ungenutzte und verwaiste Bauten dank der Nachnutzung ihren Wert und Zweck zurückerhalten
Dass kaum etwas nachhaltiger ist, als einer bestehenden Ressource neues Leben einzuhauchen, wird durch das berühmte Zitat des Architekten und Vordenkers der Nachhaltigkeit Carl Elefante deutlich: „Das nachhaltigste (‚grünste‘) Gebäude ist das, das bereits gebaut ist.“ Nach Einschätzung von Experten werden sich sagenhafte 90 % der Projektentwicklungen im Immobilienbereich im nächsten Jahrzehnt nicht auf Neubauten, sondern auf die Sanierung und Wiedernutzung von Bestandsgebäuden konzentrieren. Was so erstaunlich klingt, ist eigentlich nur logisch: Die adaptive Umnutzung von Immobilien gestaltet sich häufig schneller, kostengünstiger und nachhaltiger als Neuentwicklungen.
Was ist mit Nachnutzung gemeint?
Der Begriff Nachnutzung oder zu Englisch „Adaptive Reuse“ bezeichnet die Umnutzung von Bauwerken, die für ihren ursprünglichen Zweck nicht mehr benötigt werden und deshalb oft leer stehen. Durch innovative Nachnutzungs-Konzepte sollen architektonisch und kulturell schutzwürdige Bauwerke erhalten, Leerstand in Innenstädten beseitigt und sozialer Wandel gefördert werden. Nachnutzung kann die Nutzungsdauer von Gebäuden und Infrastrukturen erheblich verlängern und ist damit eine konsequente Antwort auf soziale und technologische Entwicklungen.
Nachnutzung in der Architektur
Nachnutzung kann unterschiedliche Ausprägungen haben. In der Architektur bezieht sie sich auf die Umwidmung eines bestehenden Gebäudes für eine neue Nutzung. So können beispielsweise leerstehende Industriegebäude in Schulen, Büros oder Wohnungen verwandelt werden.
Abgrenzung zum Denkmalschutz
Ähnlich wie beim Denkmalschutz kann Nachnutzung zur Erhaltung kulturhistorisch wertvoller Gebäude beitragen. Beide Ansätze sind jedoch voneinander abzugrenzen. Nachnutzung zielt darauf ab, ein altes Gebäude oder einen Standort für neue Zwecke zu nutzen. Die Umnutzung läuft dabei normalerweise auf einen Kompromiss zwischen Erhalt und Abbruch hinaus. Denkmalschutz verfolgt dagegen das Ziel, Gebäude in ihrer bestehenden Form und Integrität mit den ursprünglich verwendeten Materialien dauerhaft zu erhalten. Denkmalschutz ist in vielen Ländern und auf unterschiedlichen Ebenen streng geregelt. Dabei unterliegen auch bauliche Eingriffe besonderen Vorschriften. So muss die Modernisierungen der technischen Gebäudeausrüstung bei der Altbausanierung zum Beispiel so erfolgen, dass die moderne Anlagentechnik schonend in den denkmalgeschützten Bestand integriert wird. In Deutschland ist die Denkmalschutz-Gesetzgebung Sache der Bundesländer. Die Denkmalschutzgesetzte regeln auch die Aufgaben und Zuständigkeiten der Denkmalbehörden und normieren deklaratorische Denkmallisten.
Sofern es sich nicht um denkmalgeschützte Gebäude handelt, unterliegt die Nachnutzung diesen Zwängen nicht. Dadurch entsteht eine gewisse Freiheit, auch moderne architektonische Materialien zu verwenden und gleichzeitig die Geschichte des Gebäudes zu würdigen. Eine Außenwanddämmung kann beispielsweise die Behaglichkeit des Gebäudes steigern und dessen Klimabilanz verbessern.
Unterschied zu reinen Umbau-, Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen
Nachnutzung beinhaltet immer Umbau-, Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen. Der Begriff Nachnutzung oder eben „Adaptive Reuse“ setzt jedoch zwingend voraus, dass sich dabei auch der ursprüngliche Zweck des Gebäudes ändert, was bei den oben genannten Projekttypen nicht der Fall ist.
Integration
Bei der Integration wird um ein bestehendes Bauwerk herum gebaut, wobei dieses erhalten bleibt und in ein neues Gebäude integriert wird. Ein eindrucksvolles Beispiel für Integration ist der Wasserturm Jægersborg in Dänemark, der von Dorte Mandrup zu einem Studentenwohnheim umgebaut wurde.
Facadism oder Fassadismus: Wenn nur die Fassade bleibt
Ein weiteres eng mit der Nachnutzung verbundenes Konzept nennt sich Fassadismus. Dahinter steckt ein Vorgehen, bei dem die Fassade eines Gebäudes erhalten bleibt und das restliche Gebäude abgerissen und durch moderne Baukonstruktionen ersetzt wird. Dadurch kann das Straßenbild erhalten werden. Allerdings ist die Methode kostspielig, weil die Fassade, die in der Regel aus empfindlichen historischen Baustoffen besteht, während der Bauarbeiten gestützt und geschützt werden muss. Aus Sicht des Denkmalschutzes ist in erster Linie der Erhalt ganzer Gebäude erstrebenswert, sodass der Fassadismus häufig als dürftiger Kompromiss gesehen wird. Befürworter der Methode argumentieren damit, dass dieser Kompromiss zumindest das historische Stadtbild erhalten kann.
Infrastruktur
Zwar bezieht sich die Nachnutzung zumeist auf die Umnutzung von Gebäuden. Allerdings ist das Konzept nicht auf den Hochbau beschränkt. So gibt es auch zahlreiche Projektbeispiele, bei denen eine veraltete oder ungenutzte Infrastruktur in öffentliche Räume mit neuen Funktionen umgewandelt wurde.
Ein prominentes Beispiel für „Adaptive Reuse“ von Infrastruktur ist die einzigartige Parklandschaft High Line in New York City. Das Gelände entstand auf der ehemaligen Hochbahn der West Side Elevated Line und schlängelt sich gute 2,4 Kilometer durch Lower Manhattan. Die ehemalige Bahninfrastruktur bietet einen barrierefreien Zugang und beherbergt heute über 500 Pflanzen- und Baumarten, Rastplätze und Aussichtsplattformen sowie einen Lebensmittelmarkt.
Was sind die Vorteile der Nachnutzung?
Die Vorteile der Nachnutzung sind weitreichend und erstrecken sich auf wirtschaftliche, soziale und ökologische Aspekte.
1. Nachhaltigkeit
Da kann der Neubau noch so energieeffizient sein: Laut einer Studie von Preservation Green Lab dauert es stolze 10 bis 80 Jahre bis ein solches Gebäude durch seinen effizienteren Betrieb die Auswirkungen seines eigenen Bauprozesses kompensiert hat. Wen wundert es? In gewisser Hinsicht sind Gebäude nichts anderes als tonnenschwere Industrieprodukte. Die Verlängerung der Nutzungsdauer verbessert diese Bilanz erheblich und ist insofern eine äußerst nachhaltige Strategie, um die wir bei zunehmender Urbanisierung und dem Druck zur Nachverdichtung nicht herumkommen. Nachnutzung kann weltweit dafür sorgen, das Ziel Netto-Null-Emissionen zu erreichen, da ein wesentlicher Anteil der Kohlenstoffemissionen bei der Umnutzung bestehender Baukonstruktionen kein zweites Mal anfällt.
Dies trifft zwar genauso auf die Denkmalpflege zu, doch „Adaptive Reuse“ verlängert nicht nur die Lebensdauer. Da die Planenden zudem bei der Wahl der Baumaterialen freier sind, können sie auch rezyklierte Baustoffe und effiziente Systeme einsetzen, sodass die Projekte sogar eine LEED-Zertifizierung erreichen können.
2. Finanzielle Vorteile
Abgesehen von den primären Einsparungen, die sich aus der Wiederverwendung vorhandener Materialien und Infrastrukturen sowie der Vermeidung von Abriss- und Neubaukosten ergeben, ist auch der Immobilienerwerb häufig vergleichsweise günstig. Viele Adaptive-Reuse-Projekte profitieren dabei auch von städtebaulichen Förderinstrumenten. Gut geplante Umnutzungsprojekte können die umliegenden Gewerbebetriebe wiederbeleben und die regionale Wertschöpfung wiederherstellen.
3. Soziale Vorteile
Eine Wiederbelebung brachliegender Bauten belebt Stadtviertel, indem sie erschwinglichen Wohnraum schafft, die öffentliche Sicherheit erhöht und neue Geschäftsmöglichkeiten in Mischgebieten entstehen lässt. Da sich normalerweise auch in zentraler Lage günstige Mieten realisieren lassen, sind die neuen Räumlichkeiten häufig besonders interessant für kleine Unternehmen. In diesem Umfeld ist es für sie zudem leichter, Beziehungen zu Kunden und Anwohnenden aufzubauen.
4. Städtebauliche Aspekte
Nachnutzung kann in der Stadtplanung für mehr Flexibilität sorgen und Optionen für Wachstum und Modernisierung bieten. Der Ansatz kann auch dabei helfen, ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, wie beispielsweise die Verringerung des Autoverkehrs durch die Schaffung von Wohnraum in der Nähe von Verkehrsverbindungen und Arbeitsplätzen.
Grenzen der Nachnutzung
Nicht jedes Gebäude eignet sich für die Nachnutzung. Selbst wenn die Projektentwickler ein gutes Nutzungskonzept vorweisen können, das den örtlichen Marktbedürfnissen entspricht, stehen manchmal sowohl bautechnische als auch baurechtliche Gründe einer Umnutzung entgegen. Zu den üblichen Herausforderungen gehören bestehende finanzielle Verbindlichkeiten oder Franchise-Vereinbarungen im Falle von Hotels. Zusätzliche Hürden baurechtlicher Natur können sich aus der Erfüllung heutiger Sicherheitsnormen oder den Festlegungen in Flächennutzungs- und Bebauungsplänen ergeben. Auch ist die Barrierefreiheit nachträglich nicht immer zu erreichen.
In manchen Städten, wie beispielsweise in Portland im US-amerikanischen Bundesstaat Oregon, können bei Gebäudesanierungen teure Nachrüstungen erforderlich sein, um Standards für erdbebensicheres Bauen oder ähnliche Anforderungen zu erfüllen. Allein dadurch werden Projekte mitunter unwirtschaftlich. Darüber hinaus können die üblichen Probleme mit Altlasten in Bestandsgebäuden in Form von Asbest, bleihaltigen Anstrichen oder Schimmel eine Rolle spielen, die im Zuge des Projekts zu bewältigen sind.
10 Beispiele für Nachnutzung
1. Das Re-Habit Programm von KTGY verwandelt ein ehemaliges Einkaufszentrum in ein Zuhause mit zahlreichen- Perspektiven
In den Vereinigten Staaten gibt es mehr als 580.000 obdachlose Menschen. Von diesen verbringen 35 % die Nacht nicht in einem Bett. Auf der anderen Seite mussten in dem Land allein im Jahr 2021 mehr als 5.000 Einzelhandelsgeschäfte schließen. Die naheliegende Frage war, ob sich die nun leerstehenden Gebäude für die Unterbringung der Menschen umnutzen lassen.
Genau das hat sich das Architekturbüro KTGY mit seinem Projekt Re-Habit vorgenommen. Das Konzept sieht vor, ein leerstehendes Kaufhaus in ein Zentrum für gemeinschaftliches Wohnen mit Schlafkabinen, Speisesälen, Erholungsbereichen, Einzelhandelsflächen und verschiedenen Hilfsangeboten umzuwandeln. Die Angebote sollen den Bewohnenden Sicherheit und Strategien vermitteln, um langfristig wieder auf eigenen Beinen stehen zu können. Auch Beschäftigungsmöglichkeiten sind Bestandteil des Projekts. Sie sorgen für eine aktive Teilhabe der Bewohner und Bewohnerinnen und geben ihnen die Möglichkeit, sich als Teil des Erfolgs des Gemeinschaftszentrums wahrzunehmen. Der besonders nachhaltige Entwurf für die Umgestaltung umfasst auch die Einrichtung von Dachgärten und Photovoltaik-Fassaden.
2. Hong Kongs neues Kunstzentrum schlägt eine Brücke zur Kolonialgeschichte
Das 2018 eröffnete Tai Kwun Center – zu Deutsch „Große Station“ – ist ein bedeutendes Revitalisierungsprojekt in der Innenstadt von Hong Kong. Auf einer Fläche von knapp 28.000 m² wurde der ehemalige Strafvollzugskomplex mit 16 historischen Polizei- und Gerichtsgebäuden in eine einzigartige Freiraum-Oase verwandelt, die als Kulturzentrum fungiert. Das Projekt sichert den Erhalt mehrerer 150 Jahre alter Gebäude, die noch aus der britischen Kolonialzeit Hong Kongs stammen, und umfasst auch zwei neue Gebäude.
Wer das Zentrum heute besucht, kann Konzerte und Kunstausstellungen genießen oder bekommt Cocktails in einem Gefängnis serviert, in dem einst Ho Chi Minh inhaftiert war. Der Komplex verbindet auf einzigartige Weise historische und moderne Architektur. So orientieren sich die Fassadenornamente aus Aluminium am bestehenden Originalmauerwerk und sorgen für eine elegante Verhüllung der viel besuchten Kunstgalerien JC Cube und JC Contemporary.
3. Wegen oder „dank“ der Pandemie: Erschwinglicher Wohnraum in verlassenen Bürogebäuden
Schon seit Jahrzehnten wird bezahlbarer Wohnraum in bestimmten Regionen Kaliforniens immer knapper. Gleichzeitig hat die Pandemie in dem gesamten US-amerikanischen Bundesstaat für einen noch nie dagewesenen Leerstand in Bürogebäuden gesorgt. Der Gedanke, den riesigen Flächenleerstand in Wohnraum umzuwandeln, gewinnt nicht zuletzt dank staatlicher Initiativen wie dem Projekt Homekey von Gouverneur Gavin Newsom an Popularität.
Laut einer Studie von RentCafe war 2021 ein Rekordjahr für Umnutzungsprojekte zur Schaffung von Wohnraum. Allein in Los Angeles befanden sich demnach 4.322 Projekte in Planung. Ein bemerkenswertes Beispiel ist die Umwandlung des kultigen Hollywood Western Building in einen gemischten Wohnkomplex mit bezahlbaren Wohnungen. Das als Meisterwerk der Art-Déco- Architektur geltende Gebäude ist besser bekannt als das Mayer Building – benannt nach einem seiner Erbauer, dem Mitbegründer von Metro-Goldwyn Mayer, Louis Mayer. Es zählt zu den historisch-kulturellen Wahrzeichen von Los Angeles und steht auf der Liste der Kulturdenkmale in den Vereinigten Staaten. Laut Planung sollen knapp 4.500 m² Bürofläche in den oberen Etagen des vierstöckigen Gebäudes in 79 Wohnungen für Einkommensschwache umgewandelt werden. Gleichzeitig sollen im Erdgeschoss etwa 930 m² Einzelhandelsfläche erhalten bleiben.
4. Der Corktown Campus von Ford: Beginnt hier die Revitalisierung Detroits?
Es ist eigentlich nichts, worauf die Stadt Detroit stolz sein kann, aber es gibt nicht viele amerikanische Städte, die mehr Gelegenheiten für die Nachnutzung bieten. Tausende leerstehende Gebäude zeugen von dem verheerenden wirtschaftlichen Niedergang, der auf die Verlagerung der Produktion der Automobilindustrie aus der Stadt folgte.
Nicht zuletzt dank erheblicher Investitionen im Zentrum hat sich die Stadt in den letzten Jahren jedoch zu einem Modell für den wirtschaftlichen Wiederaufschwung entwickelt. Zu den bekanntesten Projekten gehört der ambitionierte Plan der Ford Motor Company, die altehrwürdige Michigan Central Station in Detroits Stadtteil Corktown in einen riesigen „Innovationscampus“ mit einer Nutzfläche von über 100.000 m² umzuwandeln. Mit dem Projekt sollen 2.500 Mitarbeitende in die Gegend gelockt und 2.500 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden.
Der Entwurf für das knapp 12 Hektar große, öffentlich zugängliche Gelände, dessen Mittelpunkt das Bahnhofsgebäude bildet, stammt federführend von dem Büro für Architektur und strategische Stadtentwicklung PAU. Unter Wahrung der Geschichte des Areals werden die heutigen Bedürfnisse der Einwohnerinnen und Einwohner und der ansässigen Unternehmen in den Vordergrund gestellt, während gleichzeitig eine geschickte Verbindung zu den umliegenden Vierteln und der Stadt hergestellt wird.
Damit aus dem Bahnhof, für den der Zug bereits vor 30 Jahren im wahrsten Sinne des Wortes abgefahren zu sein schien, ein riesiger Campus für Elektromobilität und urbane Mobilitätslösungen entstehen kann, muss das von den Elementen stark gebeutelte Gebäude nun zunächst trockengelegt werden.
5. LEED-zertifiziertes Wohnen in Wänden, in denen Luftfahrtgeschichte geschrieben wurde
Der Komplex Roebling Lofts in Trenton im US-amerikanischen Bundesstaat New Jersey ist ein Musterbeispiel für die nachhaltige Umnutzung von Gebäuden. Das Gebäude gehörte einst zur Drahtseilfabrik John A. Roebling’s Sons Co. Hier wurden die Seile für viele der großen Hängebrücken hergestellt, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten gebaut wurden – darunter so berühmte Bauwerke wie die George Washington Bridge in New York City und die Golden Gate Bridge in San Francisco. Das Unternehmen Roebling’s Sons Co. lieferte sogar die Drahtseile für die Spirit of St. Louis – das legendäre Langstreckenflugzeug, mit dem Charles Lindbergh 1927 den Atlantik überquerte.
Das 1917 errichtete Gebäude war für die damalige Zeit eine moderne Produktionsstätte mit extragroßen Fenstern und hervorragendem baulichen Brandschutz. Das Architekturbüro Clarke Caton Hintz verwandelte das Industrieobjekt nun in einen zeitgemäßen Komplex mit gemischter Nutzung. Um das Projekt trotz seiner Einstufung als Industriedenkmal so nachhaltig wie möglich zu gestalten und Steuererleichterungen nutzen zu können, fand eine enge Zusammenarbeit mit dem National Park Service statt. Während das Außenmauerwerk sowie die Stahl- und Holzrahmenkonstruktion des Gebäudes erhalten blieben, konnten die Architekten auch Solarenergieanlagen und recycelte Materialien einsetzen. Auch originale Anlagen aus dem Werk, darunter eine Maschine für die Prüfung von Drahtseilen, werden in gemeinschaftlich genutzten Bereichen ausgestellt. Das Projekt erhielt das LEED-Gold-Zertifikat und erreichte 10 von 10 Punkten für die Wassereffizienz sowie eine besonders hohe Umweltqualität in Innenräumen.
6. Das Jaffa Hotel in Tel Aviv verbindet acht Jahrhunderte Architektur
Für den visionären Architekten und Designer John Pawson und den Architekten und Denkmalpfleger Ramy Gill war das Tel Aviv Jaffa Hotel fast schon eine monumentale Liebeserklärung. Es dauerte ein Jahrzehnt, um Jaffas historisches Kloster der Josefsschwestern und das angrenzende ehemalige französische Krankenhaus aus dem 19. Jahrhundert zu restaurieren, zu renovieren und in Boutique-Hotel und Wohnungen für die Marke W Hotels zu verwandeln. Das Ergebnis ist eine einzigartige Mischung aus klassischen Stilen der arabischen und neoklassischen Architektur mit zeitgenössischen Elementen und würdigt die historische Ästhetik des Gebäudes mit freigelegten Wänden, an denen sich die Patina von Generationen zeigt. Das einzigartige I-Tüpfelchen des Projekts war am Ende dem Zufall geschuldet: Bei Aushubarbeiten entdeckten die Arbeitenden einen alten Innenhof und eine Bastionsmauer aus der Zeit der Kreuzzüge im 13. Jahrhundert. Die bedeutenden Bodendenkmale konnten erhalten werden und bilden einen spektakulären Blickfang im neuen Gebäude.
7. Google sichert sich attraktives Grundstück in Los Angeles. Darauf steht ein kultiges Einkaufszentrum
Für eine ganze Generation von „Angelanos“ war das Einkaufszentrum Westside Pavilion einer der angesagtesten Orte in Los Angeles überhaupt. Das 1985 eröffnete Wahrzeichen im Westen der US-amerikanischen Stadt war jahrzehntelang ein Ort gewaltiger kultureller Anziehungskraft, der in unzähligen Filmen, Fernsehsendungen und Musikvideos auftauchte. Der ursprüngliche Entwurf stammt von dem Architekten Jon Jerde, der vor allem für seine Bauten für die Olympischen Spiele 1984 in Los Angeles und seine grandiosen Einkaufszentren wie die gigantische Mall of America in Minnesota bekannt ist. Wirtschaftlich ging es mit dem Standort zuletzt bergab, bis er 2018 geschlossen wurde.
Der Projektentwickler Hudson Pacific Properties plant inzwischen, das gewaltige dreistöckige Gebäude unter dem Namen One Westside zu einem High-Tech-Mehrzweckkomplex mit gut 54.000 m² Grundfläche umzubauen, der hauptsächlich den Tech-Giganten Google beherbergen wird. Der umgerechnet 410 Millionen Euro teure Totalumbau, der 2022 abgeschlossen sein soll, wird radikale Neuerungen mit sich bringen, darunter Terrassen und Innenhöfe mit faltbaren Glaswänden, die – ähnlich wie in Fußballstadien mit verschließbarem Dach – eine wetterflexible Arbeitsumgebung fördern sollen.
Dabei ist der Umbau des Einkaufszentrums nur ein Beispiel für die zunehmende Präsenz des Tech-Giganten in Los Angeles. Google hatte zuvor bereits den Spruce-Goose-Hangar-Komplex in Playa Vista in Büro- und Produktionsräume für seine YouTube-Abteilung umgewandelt. Apropos YouTube: Falls Sie traurig sind, dass das goldene Zeitalter der Einkaufszentren vorbei ist, bleibt das Westside Pavilion Shoppingcenter für immer im Musikvideo zu „Free Fallin“ von Tom Petty verewigt und ist natürlich auch auf der Plattform zu finden.
8. Von der Käsefabrik zum Wohlfühlort für Kunstschaffende
The Momentary, ein Veranstaltungsort für zeitgenössische Kunst in Bentonville, ist nur die jüngste Neuerung an einem Ort, der in den letzten 150 Jahren viele dramatische Veränderungen erlebt hat. Das lange Zeit als Jagdgebiet der Osage genutzte Gelände wurde in den 1800er Jahren in eine Obstplantage umgewandelt und diente dann zunächst Eagle Flour von 1913 bis 1947 als Standort für eine Mühle, bevor dort bis 2013 von Kraft Foods eine Käsefabrik betrieben wurde.
Nun wurde das Momentary als unkonventionelles Kulturzentrum mit Ausstellungsräumen, Aufführungsorten für Musik, Theater und Film sowie Atelierräumen für ein Künstlerresidenz-Programm konzipiert. Das Büro Wheeler Kearns Architects erhielt den Auftrag, das gut 5.800 m² große Gelände in einen multidisziplinären Ort für bildende, darstellende und gastronomische Künstler umzuwandeln und dabei so viel wie möglich von der bestehenden Gebäudesubstanz zu erhalten. Die Architekten betonten den Kontrast zwischen Alt und Neu, indem sie in den Ergänzungsbauten zeitgenössische Materialien wie Stahl und Glas einsetzten. Außerdem gelang es ihnen, soziale und gastronomische Funktionen geschickt mit den Ateliers der Künstler zu überlagern und so die Rolle der zeitgenössischen Kunst im täglichen Leben zu unterstreichen.
9. Nach langem Leerstand: Alte Druckerei wird zum High-Tech-Zentrum
Seit 20 Jahren arbeiten die Planungsteams von HOK an der Verwandlung eines 80 Hektar großen ehemaligen Industriegebiets gute 6 km westlich der Innenstadt von St. Louis in die hochmoderne Cortex Innovation Community – ein dynamischer Mischnutzungskomplex, der Hunderte von Unternehmen beherbergt.
Zu den architektonischen und innenarchitektonischen Projekten, die HOK zur Realisierung des Cortex beisteuerte, zählen neben zahlreichen Neubauten auch Objektplanungen nach dem Adaptive-Reuse-Konzept und Inneneinrichtungen von 22 Büro-, Labor-, Coworking-, Inkubator-, Gründer- und Innovationszentren.
So gehörte zu dem umfangreichen Projekt auch die Umwandlung einer leerstehenden Druckerei der St. Louis Post-Dispatch aus dem Jahr 1930 in ein Inkubationszentrum mit Mietangeboten für die wachsende Startup-Gemeinschaft von St. Louis im Bereich der Biowissenschaften. Um die neuen Räume zu schaffen, wurde das 1930 erbaute und unter Denkmalschutz stehende Crescent Building entsprechend behutsam saniert. Der Komplex unterstützt von Startups bis hin zu großen Organisationen Biotech-Firmen in allen Entwicklungsstadien. Zu den Highlights gehören ein mehrstöckiges Atrium, in dem früher Druckmaschinen standen, ein Gründach, eine Terrasse und sechs Meter hohe Fenster im gesamten Gebäude.
10. Genießen Sie den Charme vergangener Tage im TWA Hotel am JFK Airport
Am New Yorker John F. Kennedy Airport wurde ein ausgedientes Flughafen-Terminal zu einem Boutique-Hotel in einmaliger Lage umgebaut. Dabei handelt es sich ganz und gar nicht um irgendein unbekanntes Objekt, sondern das helle, geschwungene TWA Flight Center Terminal, das der renommierte Architekten Eero Saarinen für die inzwischen aufgelöste Trans World Airlines entwarf. Als das Terminal 1962 eröffnet wurde, war es bis zum finanziellen Niedergang der Airline und seiner Schließung eine wahre Ikone der Architektur.
Nach einer zweijährigen und umgerechnet 245 Millionen Euro teuren Umgestaltung, an der 22 Regierungsbehörden und mehr als 170 Firmen beteiligt waren, wurde das Gebäude Anfang 2019 als Hotel wiedereröffnet, das den Glanz vergangener Tage detailgetreu bewahrt. Es verfügt über 512 schallisolierte Gästezimmer mit raumhohen Fenstern aus Fabrica-Glas – dem Vernehmen nach die zweitstärksten Fenster der Welt. Reisende mit kürzeren Aufenthalten können die Restaurants, Einzelhandelsgeschäfte und die Dachterrasse mit dem Endlospool des Hotels genießen.
Dieser Artikel wurde aktualisiert. Er wurde ursprünglich im Juni 2019 veröffentlicht.