Menschenleere Fabriken: Zukunftsfantasie oder lohnende Investition?
Viele Produktionen setzen bereits auf Automatisierung. Ist eine vollständige Automatisierung einer Fabrik aber immer sinnvoll? Erfahren Sie mehr, wann Roboter lohnenswert sind und wann Prozesse besser von Menschenhand erledigt werden sollten.
„Von Natur aus will der Mensch auf eigenen Füßen stehen … aber wie soll ihm das gelingen, wenn seine eigenen Maschinen ihm den Boden unter den Füßen wegschneiden?“ So heißt es in der Ankündigung von Philip K. Dicks Kurzgeschichte „Autofab“, die 1955 erstmals in der Novemberausgabe der US-amerikanischen Science-Fiction-Zeitschrift Galaxy erschien. Die Geschichte spielt in einer postapokalyptischen Welt, in der die überlebenden Menschen die Kontrolle über selbstreplizierende Roboter verlieren, die den Menschen Güter liefern sollen. Die sogenannten „Autofabs“ entscheiden zunehmend selbständiger, was sie produzieren und warum. Im Verlauf der Geschichte versuchen die Menschen dann, die Kontrolle über die Produktion zurückzuerlangen. Sollte uns diese Geschichte möglicherweise als Warnung dienen?
Dystopien in Buchform mögen ja unterhaltsam sein. Doch wie sieht die Realität aus? Was genau stellen Roboter bereits autonom her? Für die breite Öffentlichkeit sind Roboter Maschinen, die programmiert werden, um den Menschen bei Spielen wie Schach, Poker oder in Quizshows zu schlagen. Jedoch hätten die meisten Menschen vermutlich keinen blassen Schimmer, inwiefern Roboter, Automatisierungstechnik und das sogenannte Lights‑Out‑Manufacturing sich heute schon auf ihre Konsumgewohnheiten auswirken.
Der Begriff Lights‑out‑Manufacturing beschreibt Herstellungsverfahren und Fabriken, die ohne Menschen funktionieren. In solchen Fabriken kann das Licht also im wahrsten Sinne des Wortes ausgeschaltet werden. Allen Bedenken der Science‑Fiction‑Autoren zum Trotz sind derartige Produktionsprozesse bereits gang und gäbe.
Die wohl bekannteste menschenleere Produktionsstätte ist FANUC in Japan. Bei FANUC stellen Roboter ohne menschliches Zutun andere Roboter her. Gary Zywiol, Vizepräsident von FANUC Robotics America, beschrieb die Bedingungen in der FANUC‑Fabrik so: „Hier bleibt nicht nur das Licht aus, sondern Klimaanlage und Heizung auch.“
In dem aus 22 Fabriken bestehenden Komplex verrichtet eine riesige Belegschaft aus gelben Robotern ihre Arbeit und repliziert sich an sieben Tagen die Woche rund um die Uhr selbst. Im Jahr 2015 stellte FANUC etwa 22.000 bis 23.000 CNC‑Maschinen im Monat für Kunden wie Tesla Motors und Apple her. Und nachdem das Unternehmen im Februar 2015 ankündigte, eine Milliarde in den Standort Japan investieren zu wollen, sind die Arbeitsplätze der selbstreplizierenden Roboter heute sicherer als je zuvor.
Auch in anderen Ländern setzt sich der von FANUC begründete Automatisierungstrend verstärkt durch. Doch bevor Unternehmen ihre Herstellungsprozesse an Maschinen übergeben können, benötigen sie funktionierende Automatisierungssysteme. Midwest Engineering Systems (MWES) aus Wisconsin bietet individuelle Maschinenbau- und Automatisierungslösungen an, die Herstellern den Übergang zur menschenleeren Fabrik ermöglichen. Seit 1991 hat MWES Tausende Automatisierungssysteme entwickelt. Die Vorteile eines Lights‑Out‑Herstellungssystems kennt man dort also genau. Man weiß aber auch um die Hindernisse, die bei der Einführung eines solchen Systems oftmals zu überwinden sind.
„Zu den Vorteilen des Lights‑Out‑Manufacturing zählen die Verringerung und nachhaltige Stabilisierung der Lohnkosten“, erklärt Peter Gratschmayr, Senior Sales Engineer bei MWES. „Auch die Zahl der produzierten Güter und die Qualität steigen. Gleichzeitig sinken die Energiekosten für Heizung, Belüftung, Klimaanlage sowie Strom. Außerdem gibt es weniger Ausschuss und Feldausfälle.“
Belastungstests der Maschinen zeigen Eignung für den Dauerbetrieb
Um herauszufinden, ob sich eine Maschine für den Dauerbetrieb eignet, prüft MWES zuerst, ob die Prozessfähigkeit (Cpk) 1,67 übersteigt. Mithilfe des Cpk‑Werts wird gemessen, wie zuverlässig ein Produktionsprozess ist. Allgemein gilt ein Cpk‑Wert von 1,67 als Zeichen dafür, dass 99,9999 Prozent der gefertigten Teile die Anforderungen erfüllen werden. Die Ausfallrate liegt damit also bei eins pro einer Million. Außerdem führt man bei MWES eine sogenannte Fehlermöglichkeits- und –einflussanalyse (FMEA) durch, um potentielle Fehler zu beurteilen. Des Weiteren erfolgt eine Flussanalyse für ein- und ausgehende Güter. Wenn eine Maschine alle drei Prüfungen besteht, geht man davon aus, dass sie für den Dauerbetrieb geeignet ist.
Doch auch wenn die Eignung einer Maschine so bestätigt wurde, zahlt sich die Umstellung auf eine menschenleere Fabrik nicht in jedem Fall aus. „Wenn ein Kunde den Wechsel erwägt, muss auch berücksichtigt werden, in welchem Verhältnis die Kosten für die neue Technik zu den Einsparungen stehen, die durch geringere Lohnkosten, bessere Qualität, weniger Ausschuss und das vorhersagbare Produktionsvolumen erzielt werden“, erklärt Gratschmayr und sagt weiter: „Amortisiert sich die Investition nicht innerhalb von zwei Jahren, macht es sie unattraktiver.“
Selbst wenn sich die Investition rechnet, kann eine 100-prozentige Automatisierung unter bestimmten Umständen, beispielsweise bei starken Produktvariationen, nicht zielführend sein. Der Bedeutung der Automatisierung tut dies jedoch keinen Abbruch. So gut wie jeder Hersteller kann davon profitieren, bestimmte Schritte seiner Fertigungsverfahren zu automatisieren.
Dabei kommt es vor allem darauf an, die Prozesse zu identifizieren, die sich am besten zur Automatisierung eignen und die höchste Kapitalrendite erzielen können. Besonders attraktiv ist Automatisierung bei Prozessen, in denen das Eingreifen des Menschen zu Qualitäts- oder Sicherheitsproblemen führen kann, oder in Situationen, in denen Arbeiter einfach nicht mit der Geschwindigkeit der Maschine mithalten können.
Roboter sollten vor allem gefährliche Prozesse übernehmen
Birgt ein Herstellungsprozess Gefahren für Mitarbeiter, könnte ein automatisierter Prozess eine sinnvolle Alternative sein: „Roboter können Nichteisenmaterialien im Laserschweißverfahren selbständig zusammenfügen und komplexe Entgratungs– und Montagearbeiten mittels Kraftrückkopplung ausführen. Sie sind in der Lage, bei hohen Geschwindigkeiten Kleinteile für mehrteilige Artikel aus den jeweiligen Fördertöpfen aufzunehmen und allgemein unter Bedingungen zu arbeiten, die der Mensch körperlich nicht ertragen könnte“, so Gratschmayr.
Sobald ein Produktionsschritt bei hohen Temperaturen erfolgt, schwere Lasten gehoben werden müssen oder giftige Gase austreten bzw. andere gefährliche Arbeitsbedingungen herrschen, beispielsweise beim Beschicken von Hochöfen oder Lackierstraßen, in der Glasproduktion oder beim Schneiden von Carbonfasern, können Roboter die Arbeit den Menschen erleichtern.
Ein typisches Beispiel für einen automatisierten Verarbeitungsprozess in der Zerspanungstechnik ist die Fertigung komplexer Teile in einer mannlosen dritten Schicht. „Mithilfe des CNC‑Mehrspindlers können Kosten und Umlaufbestand bei Zerspanungsarbeiten mit kleinen Stückzahlen und stark unterschiedlichen Produkten gesenkt werden”, erklärt Gratschmayr. Des Weiteren merkt er an, dass in Unternehmen, in denen Zerspanungsarbeiten erbracht werden, eine hochwertige Anlage zur Entsorgung der Späne unerlässlich ist.
An dieser Stelle darf jedoch nicht vergessen werden, dass eine menschenleere Fabrik bedingungsloses Vertrauen in den Herstellungsprozess erfordert. Unternehmen, in denen ständig unterschiedliche Teile gefertigt werden, können sich nicht den Luxus leisten, unzählige Versuche durchzuführen, um die Möglichkeit einer Automatisierung für jedes einzelne Teil zu prüfen. Dort muss man sich vielmehr darauf verlassen, dass digitale Werkzeuge Prozesse kreieren, die ohne physische Testläufe problemlos in einer automatisierten Arbeitsumgebung verwendet werden können.
Dieser Artikel wurde aktualisiert. Die ursprüngliche Veröffentlichung war im Dezember 2015.