Ziraat Towers: Wie Istanbuls Skyline mit digitalen Tools gestaltet wurde

Wie die Firma Kalyon İnşaat durch schlanke Prozesse die Fehleranzahl und CO2-Bilanz reduziert, um neue Effizienzstandards zu setzen.


Die Ziraat Towers, das Herzstück des neuen Istanbul Financial Center, sind ein Musterbeispiel dafür, wie sich durch den Einsatz digitaler Planungs- und Kollaborationstools Prozesse verbessern und Nachhaltigkeitsziele erreichen lassen.

Credit: Kalyon İnşaat.

Moderne Architektur und geschäftiges Treiben: In der Dämmerung erheben sich beleuchtete Wolkenkratzer über das Stadtbild.

Zach Mortice

10. Juni 2025

Min. Lesedauer

• Die Ziraat Towers im neuen Istanbul Financial Center wurden mit modernen digitalen Tools geplant, deren Einsatz zu erheblichen Reduzierungen der Kosten und Bauzeit bei gleichzeitiger Gewährleistung technischer Genauigkeit und Qualität führte

• Der Gewerbekomplex besteht aus zwei Glastürmen mit aufwendigen Fassaden, weitläufigen Büro- und Einzelhandelsflächen sowie einem Veranstaltungszentrum. Durch den Einsatz nachhaltiger Prozesse und Werkstoffe wurde eine LEED Platinum-Zertifizierung erreicht

• Die Baufirma Kalyon İnşaat setzte digitale Tools ein, um die Zusammenarbeit zu erleichtern, Fehler zu minimieren und Prozesse zu optimieren. Dadurch konnte das Unternehmen die Projektkomplexität bewältigen, die CO2-Bilanz verbessern und die zukünftige Projekteffizienz steigern

Seit Jahrhunderten gilt Istanbul als kulturelle und wirtschaftliche Brücke zwischen Ost und West – heute entsteht in dieser Weltstadt ein architektonisches Wahrzeichen, das an dieses Vermächtnis anknüpft. Das Istanbul Financial Center ist ein gemischt genutztes Gebäude mit 1,3 Millionen Quadratmetern Bürofläche, 93.000 Quadratmetern Einzelhandelsfläche, 70.000 Quadratmetern Hotelfläche und 60.400 Quadratmetern Wohnfläche. Ein Kultur- und Veranstaltungszentrum mit 2.000 Sitzplätzen rundet das Areal ab.

Als Hauptsitz der größten türkischen Bank stellen die Ziraat Towers das Herzstück des neuen Istanbul Finance Center dar. Der Bürokomplex besteht aus zwei Glastürmen mit 40 bzw. 46 Stockwerken und einer Gesamtfläche von 430.000 Quadratmetern. Die zwei Türme umfassen aufwendige Fassaden, weitläufige Büro- und Einzelhandelsflächen sowie ein Veranstaltungszentrum. Eine LEED Platinum-Zertifizierung wurde durch den Einsatz nachhaltiger Prozesse und Werkstoffe erreicht. Der Bauprozess und die Projektergebnisse wurden von Anfang an durch die Verwendung digitaler Tools grundlegend geprägt.

„Für den erfolgreichen Abschluss des Bauprojekts Ziraat Bank Towers waren mehrere Faktoren maßgeblich: der Einsatz der richtigen Tools sowie die Förderung von Teamarbeit und offener Kommunikation“, erklärt Belgin Çalışkan, BIM-Managerin bei Kalyon İnşaat. „Entscheidend für die Bewältigung der Herausforderungen sowie die Realisierung dieses erstklassigen Projekts war der Geist der Zusammenarbeit.“

Ein gewaltiges Unterfangen

Die Ziraat Towers, das Herzstück des neuen Istanbul Financial Center, sind ein Musterbeispiel dafür, wie sich durch den Einsatz digitaler Planungs- und Kollaborationstools Prozesse verbessern und Nachhaltigkeitsziele erreichen lassen. (video: 2:13)

Der vom Architekturbüro KPF entworfene und von der Baufirma Kalyon İnşaat realisierte Bürokomplex besteht aus zwei Glastürmen, die zusammen auf einem achtstöckigen Podium sitzen. Dieses geschwungene Glaspodium wird von mehreren Brücken überspannt, die die Türme miteinander verbinden. Vom Boden betrachtet, sieht man durch das Glas das deutliche Profil eines vom Wasser abgeschliffenen Steins –  das Auditorium und das Konferenzzentrum – welches den Betrachter in seine strukturierte Form hineinzieht.

Gepflegte Gartenanlagen, darunter ein Dachgarten auf dem Podium, verbinden die Türme miteinander und sorgen für ein von Grün umgebenes Areal. Das aufwendige Lamellensystem, das sich über die gesamte Länge der sich nach oben leicht verbreiternden Türme erstreckt, sorgt für den optimalen solaren Wärmegewinn und Sonnenschutz. Diese Formen nehmen Bezug auf die traditionelle osmanische Kalligraphie, indem sie geschwungene Kurven und unterbrochene Vertikalen kombinieren.

Wie Ziele mit digitalen Tools abgestimmt wurden

Die mit Glas verkleideten Türme spiegeln den blauen Himmel wider und heben die geschwungenen Fassaden und das moderne Design hervor.
Die 9.420 Glaspaneele wurden mit parametrischer Modellierung erstellt. Credit: Kalyon İnşaat.

Um dieses komplexen Projekts zu verwalten, setzte Kalyon İnşaat auf Autodesk RevitNavisworksACC Docs und BIM Collaborate Pro sowie Dynamo.

Durch die Verwendung von Autodesk Construction Cloud wurde eine reibungslose Kommunikation zwischen allen Projektbeteiligten mit gleichzeitigem Zugriff auf genaue Daten für alle gewährleistet. Damit wurde trotz des riesigen Baugeländes die Gefahr des Informations- und Dokumentenchaos effektiv gebannt. Die effiziente Koordinierung von rund 40 Subunternehmern und sonstigen Projektbeteiligten erfolgte mit Hilfe von 3D-Dateien in Revit und Navisworks. Auch die Werkstattzeichnungen wurden aus Revit-Dateien erstellt.

Aufgrund der fließenden, kurvenförmigen Fassade war jedes Glaspaneel einzigartig, und Kalyon İnşaat benötigte parametrische Modellierungstools, um jede Form zu erzeugen und in den Plan einzupassen. Die 9.420 unterschiedlich großen Glaspaneele sowie das projektspezifische Konstruktionsmodell für eine 18.840 Quadratmeter große Vorhangfassade wurden mit Dynamo erstellt. Dank dieses Verfahrens konnten die 3D-Modelle und Werkstattzeichnungen um 25 % schneller erstellt werden als mit herkömmlichen Methoden.

„Dynamo ermöglichte erhebliche Prozessoptimierungen, beispielsweise die Erstellung der 11.500 Werkstattzeichnungen und des Konstruktionsmodells für die Fassade“, so Çalışkan. Mithilfe dieser Automatisierung konnte das Team die Variablen während des gesamten Planungsprozesses anpassen und Fehler minimieren, um die Produktionszeit der Bauphase zu verkürzen. Durch die Gebäudedatenmodellierung (BIM) wurden die Arbeitsabläufe schlanker gestaltet, die Kosten verringert und der Projektzeitplan um zwei Monate verkürzt.

Betrieb, LEED-Zertifizierung und Simulation

Die Vorhalle zeichnet sich durch schlanke Säulen, geflieste Böden und eine geschwungene Wand aus, die durch natürliches Licht beleuchtet wird.
Dank der Verwendung recycelter Materialien, der Nutzung natürlichen Tageslichts und der Verringerung der solaren Wärmegewinne durch Solar-E-Glas wurden die Ziraat Towers mit dem LEED Platinum-Zertifizierung ausgezeichnet. Credit: Kalyon İnşaat.

Kalyon İnşaat und das Bauteam verwendeten Autodesk Revit für die 3D-Modellierung und die Entwicklung eines digitalen Zwillings. „Die Modelle aller Disziplinen, die während der Bauphase erstellt wurden, dienten als wichtiger Leitfaden für eine präzise Abstimmung zwischen den Planungs- und Umsetzungsprozessen“, erklärt die BIM-Managerin des türkischen Bauunternehmens. „Diese Modelle garantierten sowohl die technische Genauigkeit als auch die Qualitätsstandards des Gebäudes. Außerdem ermöglichen sie einen reibungslosen und terminierten Übergang in die Betriebsphase.“

Diese digitalen Tools wurden vom Team durchgängig eingesetzt, um die CO2-Bilanz des umfangreichen neuen Projekts zu optimieren, und trugen auch zur Erwerbung der angestrebten LEED Platinum-Zertifizierung bei. Oberste Priorität hatten Werkstoffe mit hohem Gehalt recycelter Materialien, möglichst wenigen flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) und anderen umweltfreundlichen Produktspezifikationen, die die Gesundheit der Benutzer in den Vordergrund stellen. Die ausgewählten LED-Beleuchtungssysteme sind energieeffizient und die Beleuchtungsautomatik sorgt dafür, dass das Licht so weit wie möglich ausgeschaltet bleibt. Eine Tageslichtanalyse wurde durchgeführt, um ein Modell zu erstellen, das den Einfall des natürlichen Tageslichts in den Innenraum darstellt. Im gesamten Gebäude wurde Solar-E-Glas verwendet, um den solaren Wärmegewinn zu verringern. Von der Sonne zu stark bestrahlte Bereiche wurden mit Vorhängen und Jalousien ausgestattet. „Dadurch, dass 25.000 Zeichnungen in der Cloud-Umgebung mit Mobilgeräten auf der Baustelle betrachtet wurden, haben wir deutlich weniger Papier verwendet“, freut sich Çalışkan.

Das Bauteam erstellte nicht nur digitale Modelle der Ziraat Towers, sondern simulierte mithilfe der Modelle auch den Bauprozess. Dazu haben die Teammitglieder Pläne für den Austausch von Echtzeitdaten sowie für parallellaufende kritische Aufgaben ausgearbeitet. „Dadurch, dass diese Integration eine Überwachung der geplanten Materialmengen sowie den Arbeitsplan erlaubte, konnten wir abgeschlossene und verzögerte Aufgaben verfolgen, die wichtigsten Aktivitäten bestimmen und einen realistischeren und effektiveren Plan entwickeln“, erklärt Çalışkan.

„Das ganze Paket digitaler Planungs- und Konstruktionstools spielt eine aktive Rolle in der Prozessoptimierung und lässt sich gleichzeitig in den Betrieb von Kalyon İnşaat integrieren“, so die BIM-Managerin. „Diese Aktualisierungen zielen darauf ab, die Systemeinrichtung für künftige Projekte schneller und effizienter zu gestalten sowie eine Anpassung an anspruchsvolle Phasen zu erleichtern. Dank dieses Ansatzes stehen schnellere und konsistentere Modellierungsprozesse auch anderen Projekten zur Verfügung – durch diese Wiederverwendbarkeit wird Zeit gespart. Die aus diesem Projekt gewonnenen Erkenntnisse werden genutzt, um die Prozesse für eine effektivere Überwachung und Verwaltung von Projekten zu optimieren.“

Zach Mortice

Zur Person: Zach Mortice

Zach Mortice ist ein Architekturjournalist und lebt in Chicago. Folgen Sie @zachmortice auf Twitter und Instagram.

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