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Industrie 4.0: Wie asiatische Hersteller die Produktion der Zukunft aufbauen

Industrie 4.0: Für die Produktion der Zukunft braucht es wie hier in der Lebensmittelbranche entsprechend ausgebildete Fachkräfte.

Additive Fertigung, Künstliche Intelligenz (KI), Automatisierung, Internet der Dinge (IoT), Robotik – viele neue Technologien bestimmen die Zukunft der Fertigung in Asien. Wie Mitarbeitende die damit einhergehenden neuen Fähigkeiten erlernen und welchen Stellenwert die Weiterbildung des eigenen Personals bei asiatischen Herstellern hat, erfahren Sie in diesem Artikel.

Die Technologie der Künstlichen Intelligenz (KI) und der Einsatz von Robotern können zur Automatisierung zahlreicher immer wiederkehrender Aufgaben eingesetzt werden: Qualitätssicherung, Montagelinienoptimierung oder die Detektion von Schäden sind nur einige Beispiele. Dank Robotik können Unternehmen viele ihrer betrieblichen Prozesse automatisieren. Angesichts dieser Entwicklungen fragen sich die bisher für diese Arbeiten verantwortlichen Fertigungsmitarbeiter, ob ihr Arbeitsplatz gefährdet ist. Meist dürften diese Sorgen unberechtigt sein, denn die Branche wird sich anpassen. Das Gebot der Stunde heißt Upskilling der Belegschaft.

„Menschen, deren Tätigkeiten überwiegend repetitiv waren, müssen sich darauf einstellen, dass ihr Arbeitsplatz in Zukunft automatisiert oder zumindest grundlegend umstrukturiert wird“, sagt Katherine Loh. Sie ist als unabhängige Beraterin in der internationalen Unternehmensberatung tätig und verfügt auch über Erfahrungen in Asien. Ihre Schwerpunkte sind Industrie 4.0-Technologien in der Arbeitswelt und Produktion der Zukunft sowie die privatwirtschaftliche Entwicklung. „Dennoch benötigt man auch für diese Technologien menschliches Personal für deren Bedienung, Wartung und Aktualisierung. Das bedeutet für die Mitarbeitenden, dass sie die entsprechenden Kompetenzen erwerben und Schulungsangebote wahrnehmen müssen, um mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten.“

Robotik als Teil der Industrie 4.0. Für die Produktion der Zukunft müssen Arbeitnehmer neue Technologien erlernen.
Fertigungsunternehmen in Asien und der ganzen Welt setzen auf Robotik. Arbeitnehmer müssen lernen, die Technologie zu bedienen, zu warten und erforderliche Updates an den Maschinen vorzunehmen.

Inzwischen sieht die Mehrzahl der Unternehmen im asiatisch-pazifischen Raum im Upskilling ihrer Belegschaft den Schlüssel zum Erfolg. So gaben 84 Prozent von ihnen an, die Kompetenzen ihrer eigenen Mitarbeitenden gezielt aufbauen zu wollen – auch durch Umschulungen. Dennoch haben 64 Prozent der Unternehmen noch keine konkreten Pläne zur Umsetzung der erklärten Ziele implementiert. Die Aufgabe, das Upskilling der Belegschaft in die Praxis umsetzen, scheint sie überwiegend unvorbereitet zu treffen.

Auf der Arbeitnehmerseite zeigt sich ein vergleichbares Bild: 86 Prozent der Angestellten asiatisch-pazifischer Unternehmen sehen die eigene Weiterbildung für ihre Zukunft als unabdingbar an. Ganze 69 Prozent von ihnen sind gleichzeitig besorgt, dass ihr aktueller Arbeitgeber ihnen nicht genügend Schulungsangebote macht, um sie im Unternehmen zu halten.

„Die Modelle für die Weiterbildungen und Schulungen der Mitarbeitenden müssen berücksichtigen, dass Fähigkeiten und Kenntnisse, die heute gefragt sind, morgen bereits wieder überflüssig sein können“, erklärt Loh. „Daher sollten alle Mitarbeitenden das Konzept des lebenslangen Lernens im Beruf verinnerlichen, um während ihrer Laufbahn die erforderlichen Kompetenzen kontinuierlich aufzubauen.“

UpskillingStrategien für die Belegschaft

Inmitten dieser sich rasant verändernden Welt ist Upskilling das Gebot der Stunde. Die Arbeitnehmenden damit allein zu lassen, neue Fähigkeiten zu erwerben, ist keine Lösung. Unternehmen, die auf einem zunehmend innovationsgetriebenem Markt mithalten möchten, müssen gezielte Weiterbildungen und Umschulungen der Belegschaft umsetzen und entsprechende Investitionen tätigen.

„Fertigungsunternehmen jeder Art und Branche sind dabei, Technologien wie Automatisierung, KI, Additive Fertigung und Digitalisierung in ihre Unternehmensprozesse zu integrieren. Sie erkennen, dass sie damit die Produktqualität verbessern, die Produktivität ihrer Arbeitskräfte steigern, ihre Lieferketten stärken und so letztlich ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten können“, weiß Loh. „Arbeitgeber brauchen eine Belegschaft, die im Umgang mit diesen Technologien geschult ist. Gemeinsam mit den Regierungen, Gewerkschaften und den Bildungs- und Schulungseinrichtungen müssen sie in den gezielten Aufbau dieser Arbeitnehmerkompetenzen investieren.“

Lohnenswerte Investitionen in berufliche Qualifikationen dieser Art können interne Schulungen oder digitale Lernprogramme, wie die kostenlosen Onlinekurse oder das Kurszertifikat „Generatives Design“ von Autodesk sein. Weitere Beispiele sind ein Kurs  über die Grundlagen der Fertigungsprozesse und eine Online-Zertifizierung über die Anwendung der Additiven Fertigung für innovative Konstruktion und Fertigung, die am Massachusetts Institute of Technology (MIT) angeboten werden.

Industrie 4.0: Damit sie für die Produktion der Zukunft gerüstet sind, müssen viele Fertigungsmitarbeiter gezielt Kompetenzen erwerben.
Mitarbeitende der Nichinan Group in Japan bedienen eine CNC-gesteuerte Maschine und fräsen den Prototyp einer Fahrzeugkarosserie aus Schaumstoff. Damit sie für Tätigkeiten dieser Art gerüstet sind, müssen viele Fertigungsmitarbeiter gezielt Kompetenzen erwerben.

Eine weitere Strategie besteht in der Beauftragung von kleineren Unternehmen, die auf Schulungsangebote für Technologien wie 3D-Druck oder kollaborative Roboter (Cobots) spezialisiert sind. „Das produzierende Gewerbe ist ein Stützpfeiler der asiatischen Wirtschaft. Die zunehmende Technologisierung führt zu einer veränderten Nachfrage nach Fachkräften mit bestimmten Qualifizierungen“, sagt John Karr, leitender Direktor des Technologieprogramms der The Asia Foundation. „Wir müssen auf die Erfahrung der Unternehmer setzen und funktionierende Systeme aufbauen, die den Fachkräftemangel schnell beseitigen. Anstelle von routinemäßigen Schulungen brauchen wir gezielte und bedarfsgerechte Weiterbildungsangebote.“

Einige dieser Strategien werden in Asien bereits umgesetzt. Hier stellen wir einige Unternehmen vor, die ihrer vorhandenen Belegschaft alles zutrauen und ihnen helfen möchten, die Kompetenzen aufzubauen, die zukunftsfähige Fertigungsunternehmen in der Region brauchen.

Schulungen für junge Ingenieure in Japan

Als Technologienation schlechthin möchte Japan seine jungen Ingenieure mit den Fähigkeiten ausstatten, die bei modernen Fertigungsunternehmen gefragt sind. Interessante Initiativen gehen von Unternehmen wie der Kojima Industries Corporation, einem Fahrzeugteilehersteller, der mit Toyota zusammenarbeitet, und Technohama, ein auf Spritz- und Druckgussverfahren spezialisiertes Unternehmen, das ebenfalls zur Kojima Group gehört, aus. Bei den Grundlagenschulungen von Technohama geht es vor allem um Strömungsberechnungen und Formenbau. Das Unternehmen setzt außerdem auf Informations- und Technologieaustausch und vermittelt seinem Fachkräftenachwuchs die entsprechenden Kenntnisse auf den unternehmensweiten Besprechungen der Kojima Group. Dadurch konnte Technohama seine Kompetenzen in Sachen Strömungsmechanik stärken und sieht für sich gestiegene Chancen am Markt.

Industrie 4.0 – die Produktion der Zukunft: Der zunehmende Einsatz additiver Fertigungstechnologien erfordert neue Fähigkeiten von den Mitarbeitenden.
Der zunehmende Einsatz additiver Fertigungstechnologien erfordert neue Fähigkeiten von den Mitarbeitenden. Hier sieht man einen Mann in der japanischen Präfektur Kanagawa beim Reinigen eines kleinen Autoteils aus dem 3D-Drucker.

„Die gemeinsamen monatlichen Besprechungen mit Teilnehmern aus der gesamten Kojima Group waren für die Schulungen unserer Ingenieure überaus hilfreich“, sagt Atsushi Matsumoto, Direktor von Kojima und leitender Angestellter für Produktionskontrolle bei Technohama. „In diesen Besprechungen können sich junge Ingenieure und Ingenieurinnen aktiv Wissen über Simulationen aneignen und dieses direkt im Formenbau und Produktdesign für die Produkte im Unternehmen anwenden.“

Diese Treffen geben dem Fachkräftenachwuchs auch die Möglichkeit, sich mit den Software- und Hardwareanbietern und Händlern auszutauschen, die das Unternehmen zur Unterstützung bei der Schulung hinzuzieht. „Man braucht externe Partner. Wenn man versucht, alles im Unternehmen selbst abzudecken, wird es schwierig, mit den technologischen Entwicklungen schrittzuhalten“, findet Matsumoto. „Daher setzten wir auf eine Zusammenarbeit mit anderen Herstellern, Lieferanten und Start-Ups.“

Für die asiatischen Hersteller sind Investitionen in Schulungs- und Weiterbildungsangebote für die Mitarbeitenden so selbstverständlich, wie solche in neue Prozesse, Anlagen und Technologien. „Arbeitgeber sollten ein Gespür für nahende Veränderungen haben“, weiß Loh. „Sie sollten eine Arbeitsatmosphäre und eine Unternehmenskultur fördern, die es den Mitarbeitenden ermöglicht, zu wachsen und ihre Weiterbildung selbst zu steuern. Es ist wichtig, dass sie Zugang zu den richtigen Lerninhalten erhalten. Inzwischen hat man die Wahl aus vielfältigen Formaten: digitale Lernplattformen, Apps oder das Lernen am Arbeitsplatz.“

Gemeinsame Anstrengungen in China

Chinas technische und berufsbildende Einrichtungen spielen eine wichtige Rolle beim Aufbau von Kompetenzen, die in modernen Fertigungsunternehmen benötigt werden. So hat das Guizhou Equipment Manufacturing Vocational College beispielsweise neue Kurse im Angebot. Dem starken Einfluss digitaler Anwendungen sollen Kurse über digitale Entwurfs- und Fertigungstechnologien und digitales Prozessdesign gerecht werden. In einem speziellen Kurs über Mehrachsfräsmaschinen erlernen die Studierenden den Umgang mit modernen Werkzeugen. Aber auch Lehrangebote zur Programmierung und Installation von Industrierobotern und intelligenten Produktionslinien oder die Fehlerbehebung an solchen Anlagen bereiten die Studierenden gezielt auf eine zunehmend automatisierte Arbeitswelt vor.

Darüber hinaus bietet Guizhou Auffrischungen und kompetenzaufbauende Schulungen für Mitarbeitende mit den verschiedensten Hintergründen und Karrierestufen an, Arbeitssuchende, Veteranen oder Migrierende eingeschlossen. „Mit diesen Schulungen werden wir dem Ziel gerecht, den Bürgerinnen und Bürgern ein System für lebenslanges Lernen bereitzustellen, damit sie alle an hochwertigen Bildungsangeboten teilnehmen können“, erläutert Lin Yang, Professor und stellvertretender Direktor des Fachbereichs Maschinenbau der Hochschule.

Chinas technische und berufliche Hochschulen stimmen die Ausbildungsinhalte auf den Bedarf der Wirtschaft ab. „China hat in jeder Provinz und Stadt Berufsschulen und Schulen für verschiedene Fachrichtungen eingerichtet, um Talente für Unternehmen bereitzustellen”, sagt Yang. „Unsere Studierenden werden mit den Kenntnissen und Fähigkeiten ausgestattet, die die Unternehmen brauchen.“

So ist beispielsweise das Guangdong Light Industry Technicians College, eine Hochschule in der Provinz Guangdong , Partnerschaften mit Wirtschaftsunternehmen eingegangen. Dabei geht es um Praktika und die Förderung bestimmter Soft Skills und technischer Fähigkeiten. Das Guangzhou Industry and Trade Technicians College hat ein duales Schulungssystem aufgebaut. Das Besondere: Die Hochschule und ihre Partnerunternehmen erarbeiten die Lehr- und Schulungspläne gemeinsam. Auch Yangs Hochschule ist nach diesem Muster verfahren und hat Beziehungen zu den Unternehmen Guizhou Aerospace Linquan Electric Co. Ltd. und Geely Automobile aufgebaut, um gemeinsam verschiedene Schulungsprogramme auf die Beine zu stellen und gegenseitig Lehrende und Mitarbeitende zu beschäftigen.

„Das Bildungssystem so zu entwickeln, dass es mehr Vordenker, Fachkräfte und Innovatoren hervorbringt, hat viel mit Hochschulbildung zu tun”, sagt Karr. „Dabei muss vor allem sichergestellt werden, dass die Menschen im asiatischen Raum stets die Gelegenheit haben, sich weiterzubilden. Die wichtigste Komponente dabei sind die Ausbildungs- und Schulungsprozesse.“

Industrie 4.0 – die Produktion der Zukunft: Ein Mann überwacht einen Schweißroboter in einem thailändischen Werk.
Ein Mann überwacht einen Schweißroboter in einem thailändischen Werk.

Zusammenarbeit als Schlüssel

Die Entwicklung neuer Fähigkeiten durch Weiterbildungsmaßnahmen ist eine gemeinsame Aufgabe für alle Sektoren. So bietet die Initiative SkillsFuture der singapurischen Regierung Ressourcen für die Entwicklung von Fertigkeiten für Studierende und Arbeitende auf unterschiedlichen Karrierestufen. Durch die Zusammenarbeit mit Bildungs- und Schulungsanbietern, Arbeitgebern, Gewerkschaften und Industrieverbänden hilft die Regierung den Bürgern beim Erwerb von Kenntnissen und Kompetenzen, die am Arbeitsmarkt nachgefragt werden.

„Unternehmenslenker sollten sich mit den politischen Entscheidungsträgern austauschen und ihren Schulungsbedarf deutlich kommunizieren“, empfiehlt Loh. „So können Privatunternehmen den politischen Entscheidungsträgern Zugang zu neuartigen Echtzeitquellen für Arbeitsmarktdaten ermöglichen, sodass sie die veränderte Nachfrage nach bestimmten Qualifikationen erkennen. Damit hätte die Politik eine Grundlage für solide Planungen und öffentliche Investitionen. Führungskräfte aus Privatunternehmen und aus dem öffentlichen Sektor können mit Bildungseinrichtungen und Schulungsanbietern zusammenarbeiten und Angebote so lenken, dass die Schulungsformate auf die Marktnachfrage abgestimmt sind und allen Interessierten offenstehen. Zusammenarbeit ist der Schlüssel. Keiner der Akteure kann den Weg zum Erfolg allein beschreiten.“

Über den Autor

Rina Diane Caballar lebt als Autorin in Neuseeland und schreibt Texte, die verschiedene Berührungspunkte zwischen Wissenschaft, Technologie, Gesellschaft und Umwelt thematisieren.

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