Führungskräfte in der AEC-Branche werden durch Faktoren wie die voranschreitende Digitalisierung und die räumliche Verteilung von Arbeitsumfeldern, aber auch finanzielle und soziale Veränderungen dazu gezwungen, ihre lang gehegten Vorstellungen davon, was und wie sie produzieren, zu überdenken. Sensortechnik, Robotertechnologie, maschinelles Lernen, vorausschauende Datenanalyse und andere Innovationen helfen dabei, dass notwendige Funktionen neu errichteter Umgebungen selbst erkannt, vorhergesagt und sogar repariert werden können. Diese Technologien sind jedoch nicht nur wichtig für ein fertiges Produkt, wie zum Beispiel ein Bürogebäude, ein Kraftwerk oder eine Brücke, sondern auch für die Projektabwicklung an sich.
Cory Dippold, Vice President und Head of Strategic Applications bei Mott MacDonald, einer global agierenden Beratungsfirma für Management, Ingenieurwesen und Entwicklung, hat dazu folgende Ansicht: „Projektabwicklung ist nur zum Teil planbar. Es gibt immer auch unvorhersehbare Herausforderungen, etwa wenn sich Rahmenbedingungen und Zielvorstellungen, aber auch die Projektteilnehmer oder andere wirtschaftliche Faktoren plötzlich ändern. Solche Sachen bemerkt man mitunter erst dann, wenn man sie direkt vor der Nase hat. Wenn man aber bessere Leistungskennzahlen in der Prozessentwicklung hat, kann man sich auf solche Veränderungen schneller einstellen.“ Dazu muss man aber die Stakeholder einbeziehen sowie die Standardprotokolle, Kommunikationsmittel und Datensätze parat haben – und natürlich über die Technologie und Tools verfügen, um diese Informationen voll auszuschöpfen.
Neben den Tools berieten die Führungskräfte allerdings auch über den notwendigen Mentalitätswandel, um die AEC-Branche zukunftsfähig zu machen. Unter den Teilnehmenden gab es Stimmen, die Industrie rede „von Umbruch und Innovation, aber wir haben mehr und mehr das Gefühl, bei der Art von Innovation stehengeblieben zu sein, bei der man neuartige Technologie entwickelt, nur um die immer gleichen Ziele zu verfolgen“. Die Anwendung von Produktisierungsstrategien, bei denen die Branche Ansätze aus der Produktentwicklung in die strukturellen Prozesse integriert, kann für bessere Vorhersehbarkeit, Effizienz und Einsicht bei der Bauausführung sorgen. Gleichzeitig könnte man so die Nachhaltigkeitsziele im Blick behalten. „Die Branche muss sich dringend mit neuartigen Methoden wie Design for Manufacture and Assembly (DfMa) und Vorfertigung auseinandersetzen“, so eine weitere Meinung in der Diskussion. „Dabei darf man aber natürlich die Nutzerbedürfnisse im Fertigungsprozess nicht aus den Augen verlieren.“
Neben geschäftlichen wurden auch gesellschaftliche Themen sowie die Debatte um Nachhaltigkeit angesprochen. „Was würde passieren“, fragte sich eine Führungskraft zum Beispiel, „wenn wir uns weniger auf Profit und mehr auf Wachstum konzentrierten? Wie könnte man den Wert von Wachstum auf schlüssige und konsequente Art und Weise beziffern? Was für ein System von Kennzahlen bräuchten wir dafür?” Andere wiederum beschäftigten sich mit Nachhaltigkeit sowohl aus ökologischer wie auch aus unternehmerischer Perspektive. „Für mich sind Umweltschutz und geschäftliche Resilienz eng miteinander verknüpft“, lautete ein weiterer Beitrag während der Veranstaltung. „Unsere Welt verändert sich schneller als je zuvor und der Bau- und Infrastruktursektor muss darauf mit mehr wirtschaftlicher und ökologischer Nachhaltigkeit reagieren.“
Über all dem steht jedoch das Gebot, das Führungskräfte in Architektur-, Ingenieur- und Baufirmen weltweit derzeit verspüren, die Corona-Krise als einen konstruktiven Impuls für Veränderung und Wachstum zu nutzen. So auch Sabine Oberhuber, die Mitbegründerin von Turntoo, einer niederländischen Unternehmensberatung, die sich auf Kreislaufwirtschaft spezialisiert hat: „Wir erfahren eine Zeit des Umbruchs – sowohl in wirtschaftlicher als auch in politischer, gesellschaftlicher, ökologischer und klimatischer Hinsicht. Das heißt aber auch, dass wir die Möglichkeit haben, das System von Grund auf zu verändern.“