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Der CIO der Zukunft

IT-Leitende leben in einer verrückten Zeit. Die Pandemie hat branchenübergreifend zu völlig neuen technischen Anforderungen geführt, und dennoch verbrachten die meisten CIOs die letzten 18 Monate wie gewohnt damit, VPN-Funktionen und Laptops zu konfigurieren – allerdings mit einem bedeutenden Unterschied: Ein Großteil der Belegschaft arbeitete plötzlich von zuhause aus.

Gefangen zwischen Vergangenheit und Zukunft: So in etwa lässt sich die aktuelle Situation beschreiben. Laut einer Studie von McKinsey war die Rolle des CIOs nie anspruchsvoller als in unserer heutigen Zeit, in der das Thema Digitalisierung auch in der Geschäftswelt zunehmend an Bedeutung gewinnt. Folglich steigt die Erwartung an IT-Leitende, die Strategien ihres Unternehmens nicht nur zu unterstützen, sondern maßgeblich mitzugestalten.

Obwohl sich diese Entwicklung bereits seit Langem abzeichnet, hat sie aufgrund der COVID-Pandemie weiter an Fahrt gewonnen und konfrontiert IT-Leitende nun mit der Notwendigkeit, sich vom Status quo zu lösen und sich den Ansprüchen der Moderne zu öffnen, um ihr Unternehmen fit für die Zukunft zu machen. Die Vorgabe der Vorstände: CIOs sollen weniger Zeit mit der Verwaltung von Technologien verbringen und ihre Aufmerksamkeit stattdessen auf deren renditeträchtigen Einsatz richten.

Der technische Fortschritt führt zudem zum Aufkommen neuer Umsatz- und Betriebsmodelle. Erfolg haben kann somit nur, wer schnell von reiner Funktionsausübung auf strategisches Handeln umschalten kann. Nichtsdestotrotz bleibt die Frage: Was tun, wenn die Digitalisierung einen in wenigen Monaten mit gefühlter Lichtgeschwindigkeit in die Zukunft katapultiert?

 

Der CIO als Speerspitze umsatzfördernder Entwicklungen

Für Laurent Pulce, CIO beim Wasseraufbereitungsunternehmen Veolia Water Technologies, veränderte sich alles mit der Verschiebung seiner Aufgaben aus dem reinen Investitionssegment hin zum Tagesgeschäft.

„Als ich anfing, galt die IT noch als Investitionsposten und fiel somit in den Zuständigkeitsbereich des Finanzressorts. Von dort führte der Weg jedoch Schritt für Schritt hin zum operativen Bereich, sodass ich nun direkt der Geschäftsführung unterstehe und folglich mit meiner Stimme als Vertreter der IT-Abteilung ganz oben Gehör finde.“

20 Jahre lang hat Pulce hautnah miterlebt, wie die zunächst unscheinbare Position des IT-Leiters stetig weiter in den Vordergrund gerückt ist. Auch wenn Cloud-Technologien ein großer Sprung vorwärts waren, war der entscheidende Faktor in seinen Augen die Möglichkeit, sich von Modellen mit lokalem Installationsbedarf abzuwenden und auf digitale Absatzkonzepte mit bedarfsgemäßer Inanspruchnahme umzusteigen.

„Früher nutzten unsere Kunden ein sehr leistungsfähiges, aber auch hochkomplexes System, das aufwändig an jedem Standort separat installiert und gesichert werden musste. Das brachte erhebliche Anfangsinvestitionen mit sich. Mit der schrittweisen Verlagerung der einzelnen Komponenten in die Cloud gelang es jedoch, den Endanwendern ohne Funktionseinbußen ‚Pay As You Go‘-Optionen sowie Testversionen anzubieten, während das Unternehmen selbst die Bereitstellungskosten flexibler an die tatsächlichen Einnahmen anpassen konnte. Wir mussten im Prinzip nur noch für die Cloud-Kapazitäten aufkommen, die wir auch wirklich in Anspruch nahmen“, schildert Pulce

Software-as-a-Service brachte auch Vorteile in puncto Nachhaltigkeit mit sich: Früher betrieb Veolia weltweit mehrere Tausend Server mit oftmals gerade einmal 25 % Auslastung – ein für ein umweltbewusstes Unternehmen untragbarer Zustand. „Mit der Cloud konnten wir unseren Energieverbrauch senken und in der Folge auch unseren ökologischen Fußabdruck verkleinern“, so Pulce. Dabei zeigte sich, dass Nachhaltigkeit nur funktioniert, wenn alle Abteilungen an einem Strang ziehen. Heute sind Umweltfaktoren elementarer Bestandteil aller IT-Entscheidungen: „So weiß jeder von uns, was er mit seinem Beitrag bewirkt.“

 

Der CIO als transformative Kraft

In welchem Ausmaß Innovationen die Rolle von IT-Leitenden verändert haben, spiegelt sich auch in einer neuen Analyse von McKinsey wider. Der von den Verfassern geprägte Begriff des „Transformative CIO“ beschreibt IT-Leitende, die durch innovative, unternehmensfördernde Initiativen den Unternehmenserfolg vorantreiben. Dabei geht es um weitaus mehr als nur darum, sich mit der Geschäftsführung auszutauschen oder bei Strategie-Meetings anwesend zu sein. Es geht darum, sich intensiv einzuarbeiten, die Prioritäten und Ziele der einzelnen Abteilungen zu ermitteln sowie sich sowohl für Mitarbeitende als auch deren Vorgesetzte Zeit zu nehmen und genau in Erfahrung zu bringen, was auf den verschiedenen Ebenen des Unternehmens vor sich geht.

Prakash Kota, IT-Leiter (CIO) bei Autodesk, sieht als unverzichtbare Aspekte des Lernprozesses die Datenerfassung und -analyse, denn Betriebsmodelle, Methoden und Prozesse unterliegen einem rasanten Wandel. Solange sich dieser vollzieht, müssen CIOs Informationen zum allgemeinen internen Stimmungsbild bereitstellen können.

„Wir können der Geschäftsführung Empfehlungen an die Hand geben und sie wissen lassen, was wir in Erfahrung bringen. Wie arbeiten die Teams, deren Ergebnisse sich positiv auswirken? Und wie erreichen wir die Teams, in denen eine negative Stimmung herrscht?“

Der Analyse von McKinsey zufolge streckt der „Transformative CIO“ von heute seine Fühler in alle Unternehmensbereiche aus, um die aufgrund der Digitalisierung erforderlichen Veränderungen und Schwerpunktverschiebungen fundiert begründen zu können.

 

Der CIO als Wegbereiter für die Zukunft

Manche CIOs verändern sogar die Kommunikationskultur innerhalb des Unternehmens, indem sie weniger technikaffinen Führungskräften die Hintergründe digitaler Maßnahmen verständlich erläutern, Kunden und Stakeholdern die damit verbundenen Entwicklungen wortgewandt nahebringen und zugleich die Zusammenarbeit der Technikteams fördern. Integraler Bestandteil hiervon ist zudem die Aufgabe, die zukünftig im Unternehmen erforderlichen Fähigkeiten zu ermitteln und bei der Talentrekrutierung und -förderung einzubeziehen.

Pulces Ansicht nach muss IT-Leitenden bewusst werden, dass der digitale Wandel weit mehr voraussetzt als lediglich den Schritt in die Cloud: Er umfasst auch einen Wandel der beteiligten Personen.

Diesbezüglich verweist Pulce auf den sechsjährigen Digitalisierungsprozess von Veolia, in dessen Verlauf sein Team ausnahmslos alle Mitarbeitenden – von den persönlichen Assistenzkräften bis hin zur Kundendienstabteilung – im Hinblick auf das neue Geschäftsmodell geschult und umgeschult hat.

„Wir haben erkannt, dass Innovationen nicht nur Technologien, sondern auch Arbeitsweisen und Rollenprofile verändern. Auch im IT-Team führte dies zu nicht zu unterschätzenden Einschnitten. Zu mir kamen viele junge Spezialisten und meinten: ‚Ich bin Ingenieur und auf Server spezialisiert. Was mache ich in zwei Jahren?‘ Also habe ich gesagt: ‚Ich verstehe Ihre Bedenken. Unser Unternehmen hat sich in der Tat enorm verändert und die Infrastrukturabteilungen von gestern sind Geschichte. Doch keine Sorge: Ihre Fähigkeiten werden weiterhin benötigt.‘ Es besteht kein Zweifel: Alle Rollen haben sich weiterentwickelt.“

Über den Autor

Mark de Wolf ist freier Journalist und preisgekrönter Copywriter, der sich auf Technologie-Themen spezialisiert hat. Er wurde im kanadischen Toronto geboren, beschreibt sich selbst als „Made in London“ und lebt heute in Zürich. Sie erreichen ihn online unter markdewolf.com.

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