7 Tipps für klimapositives Design in der Planungs- und Baubranche

Entdecken Sie, wie die MASS Design Group sich mit ganzheitlichen, Digital-First-Strategien für nachhaltige Baupraktiken stark macht.


Der Campus des Rwanda Institute for Conservation Agriculture (RICA) verkörpert den ganzheitlichen Ansatz der MASS Design Group für klimapositives Design.

Credit: Iwan Baan.

Ein Arbeiter in Schutzkleidung geht auf eine im Bau befindliche Holzkonstruktion in einer ländlichen Gegend zu.

Taz Khatri

13. August 2025

Min. Lesedauer
  • Der Gebäudesektor verwendet unter anderem Energie für Bautätigkeiten, Heizung und Kühlung sowie Beleuchtung und ist insgesamt für mehr als ein Drittel des weltweiten Energieverbrauchs sowie der globalen Emissionen verantwortlich. Um Klimazielen zu erreichen, ist ein branchenweiter Wandel nötig

  • Mit ihrem ganzheitlichen Ansatz macht die MASS Design Group vor, wie klimapositive Planungspraktiken aussehen können

  • Ein Patentrezept für nachhaltige Planung gibt es nicht. Mit den hier vorgestellten sieben Tipps können Unternehmen aber besser feststellen, durch welche Veränderungen sich die größte Wirkung erzielen lässt

Taylor Klinkel, leitende Architektin bei der MASS (Model of Architecture Serving Society) Design Group, beschreibt, wie ihr beim Bau des Rwanda Institute for Conservation Agriculture (RICA) der kurze, transparente Weg zwischen dem Ort, an dem die Baumaterialien hergestellt werden, und dem Projektstandort auffiel: so kurz, dass man die Strecke fast hätte laufen können.

„Man konnte alles sehen: wie sie den Ton für die Kacheln holten, den Ofen, in dem sie den Ton brannten, woher das Holz für den Ofen kam und wie die Kacheln auf die Baustelle gebracht wurden“, erklärt die Architektin.

Ihre Beobachtung steht in starkem Kontrast zu den langen, verschlungenen Wegen und dem starken CO₂-Ausstoß von Baumaterialien in den meisten Industrieländern. Nach Angaben der Website Construction Analytics: Economics Behind the Headlines importieren die USA 30 % der 36,3 Millionen Tonnen Stahl, die im US-Bauwesen verwendet werden. „Ausgehend vom Basisjahr 2019 ergibt die Analyse, dass die Gesamtmenge an gebundenen Kohlenstoff, die in US-Stahlimporten enthalten ist, etwa 38 Millionen Tonnen betrug“, so das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Global Efficiency Intelligence. Diese Zahl entspreche etwa 45 % der gesamten CO₂-Emissionen der Stahlindustrie in den USA im Jahr 2019.

Die Herkunft der Materialien ist aber nur eins von vielen Aspekten der Baubranche, die überarbeitet werden muss, um klimapositives Design zu begrüßen. Laut der Internationalen Energieagentur (IEA): „Der Gebäudesektor verwendet Energie für den Bau sowie für die Heizung, Kühlung und Beleuchtung von Privathäusern und Betrieben mitsamt den Geräten und der Ausrüstung. Damit ist die Branche für mehr als ein Drittel des weltweiten Energieverbrauchs verantwortlich.“

Die MASS Design Group, ein gemeinnütziges Kollektiv aus Architekten, Landschaftsarchitekten, Ingenieuren, Schriftstellern, Filmemachern und Forschern aus 20 Ländern, hat sieben Tipps veröffentlicht, die neue Perspektiven auf verschiedene Aspekte des Bausektors erschließen, damit aus einer zerstörerischen Kraft eine regenerative wird.

1. Einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen

Laut dem 2024 veröffentlichten „Sustainability Action Plan“ der MASS Design Group ist die Bauindustrie der weltgrößte Rohstoffverbraucher und produziert dazu ein Drittel aller Abfälle. Gebäude sind für 40 % der globalen Treibhausgasemissionen und des Energieverbrauchs verantwortlich. Dieses Wachstum geht ungebremst weiter: In Afrika wird sich die bebaute Bodenfläche bis 2060 voraussichtlich verdoppeln.

Mit ihren ganzheitlichen Ansätzen für eine klimapositive Zukunft will die MASS Design Group das Ruder mit herumreißen. Als klimapositives Projekt definiert das Kollektiv „ein Vorhaben, das mehr Kohlenstoff ausgleicht oder bindet, als durch seinen Bau und Betrieb ausgestoßen wird“. Einfacher lässt sich ein klimapositives Projekt als eine Baumaßnahme definieren, die einen regenerativen Einfluss auf das Klima hat.

2. Betriebsinterne Fachbereichen diversifizieren

Eine Gruppe von Fachkräften mit vielfältiger Zusammensetzung steht um einen Tisch und prüft gemeinsam Dokumente und Architekturpläne.
Die Umstellung auf einen ganzheitlichen Planungsansatz schließt neue Möglichkeiten zur Integration verschiedener Fachbereiche ein.

Ein ganzheitliches Konzept setzt bei der möglichst effektiven Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Fachbereichen an. „Die Stärke von MASS liegt darin, dass wir so viele Fachbereiche unter einem Dach vereinen können“, so die leitende Landschaftsarchitektin Taylor Sinclair. „Als gemeinnützige Organisation sind wir in der Lage, unsere Partner zu überprüfen und zu sehen, ob sie zu uns passen - somit ist es viel einfacher, diese Art von Gesprächen zu führen.“

Wenn man schon beim Projektstart Elemente wie die Landschaftsgestaltung in Betracht zieht, kann man auch die gesamten Umweltauswirkungen des Projekts bewerten und damit etwaige negative Auswirkungen abmildern. Für MASS-Projekte wie das RICA, dessen Ausschreibung einen klimapositiven Entwurf für den Campus vorsah, war das besonders wichtig.

„Wir in der Landschaftsarchitektur versuchen produktive Landschaften nach dem Prinzip der Klimakompensation zu schaffen“, erklärt Sinclair. „Es ist wirklich gut, dass wir solche Gespräche zwischen Menschen aus den jeweiligen betriebsinternen Landschaftsarchitektur-, Ingenieur- und Architektur-Teams führen können. Es liegt also nicht nur an den Architekten, ein möglichst effizientes Gebäude zu gestalten.“

3. Zusammenarbeit mithilfe digitaler Modelle ermöglichen

Mit einem Computer erstellt eine Architektin ein digitales 3D-Modell eines Gebäudes.
Die Verwendung eines einzigen digitalen Modells erleichtert die standortunabhängige Zusammenarbeit.

Wenn ein Unternehmen in Technologielösungen investiert, erleichtert die Verwendung eines einzigen Modells für alle Projektbeteiligten die Zusammenarbeit erheblich – unabhängig vom jeweiligen Standort der Beteiligten. MASS verwendet Programme wie Autodesk Revit, mit denen alle Fachbereiche auf Basis eines Modells arbeiten können, anstatt Dokumente hin und her zu schicken. Auch die Bewertung von Prozessen, dem Materialeinsatz und den Nachhaltigkeitszielen ist wesentlich transparenter.

„Die Zusammenarbeit zwischen Fachbereichen fördert auch die Produktivität und ermöglicht uns, Nachhaltigkeitsziele schneller zu erreichen“, meint die Landschaftsarchitektin. „Dazu können wir uns darüber auszutauschen, was zusammenpasst, was nicht zusammenpasst, woran andere Teams arbeiten und die Auswirkungen auf das Projekt als Ganzes.“

4. Kriterien festlegen

Ein Mann und eine Frau gehen durch ein sonnendurchflutetes, mit hellen Holzpaneelen verkleidetes Außenatrium.
Bei der Wahl der Baumaterialien für den RICA-Campus berücksichtigten die Planenden der MASS Design Group sowohl die Auswirkungen auf die betroffenen Menschen als auch die Kohlenstoff-Bilanz. Credit: Iwan Baan.

In ihrem Sustainability Action Plan legt die MASS-Gruppe zwei Kriterien als Leitprinzipien für die Entwicklung eines klimapositiven Projekts fest. Die erste davon ist die Initiative „Performance and Provenance“ (Leistung und Herkunft), die den Schwerpunkt auf Aspekte wie Ort oder Art der Herstellung eines Baumaterials sowie dessen Leistung während seiner Lebensdauer nach dem Einbau legt. Wichtig für die Begriffserklärung von „Herkunft“ sei aber nicht nur die Berücksichtigung des verbauten Kohlenstoffs (Embodied Carbon), so Chris Hardy, Leiter Planung bei MASS: „Wichtig ist, dass wir als Planende die Herkunft, die Narrative und die an der Produktion beteiligten Menschen bei der Auswahl von Materialien berücksichtigen.“ Bei der Gestaltung des RICA-Campus hat die MASS Design Group beispielsweise darauf geachtet, kein Holz aus dem Ostkongo zu verbauen, weil der Ernteprozess zerstörerischer und die Nachwuchszeit länger sind als in anderen bewirtschafteten Wäldern.

Die Wahl der Materialien kann erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Das Material PVC ist zwar für Rohre und andere Elemente in Gebäuden häufig verwendet – jedoch wird seine Herstellung mit der Entstehung von Krebs in Verbindung gebracht. Hardy erwähnt eine Region im US-Bundestaat Louisiana, die als „Cancer Alley“ (Krebsgasse) bezeichnet wird: „Hier wird das ganze PVC hergestellt und unter den Menschen, die in den Fabriken arbeiten und in den von den Fabriken belasteten Städten wohnen, treten gewisse Krebsarten deutlich öfter auf.“

Wird die Materialherkunft nicht in Betracht gezogen, so kann das nicht nur der Klassifizierung des Gebäudes nach Klimakriterien schaden: Zu den schwerwiegenden Auswirkungen gehören beispielsweise die Ausbeutung betroffener Bevölkerungsgruppen bei der Herstellung oder Gewinnung des Gebäudematerials.

5. Leistung bewerten

Der Teil „Performance“ (Leistung) der Initiative „Performance and Provenance“ befasst sich damit, wie sich ein Baumaterial verhält, nachdem es eingebaut wurde. Entstehen dadurch Abgase? Werden die Menschen im Gebäude dadurch krank? Wird die Luftqualität beeinträchtigt? Klinkel ist begeistert davon, wie die Initiative Planende Unterstützung bei der Auswahl von gesundheitsverträglicheren, nicht ausgasenden Materialien anbietet. „Wir sehen, dass wir unsere Gebäude sowohl für die Menschen als auch für die Pflanzen besser gestalten können, und dass eine reibungslose Wechselwirkung zwischen den Elementen möglich ist.“

Eine weitere Frage ist, wie lange die jeweiligen Baumaterialien halten bzw. wann sie ersetzt werden müssen: „Der gesamte Projektlebenszyklus muss berücksichtigt werden – manchmal stellt ein importiertes aber länger haltbares und leistungsfähiger Material eine bessere Lösung als ein lokal hergestellter Werkstoff dar“, gibt Hardy an. Allerdings gibt es kein Patentrezept und keine einfache Checkliste, die zu einer klimapositiven Zukunft führen. Vielmehr seien projekt-, orts- und ökosystemspezifische Lösungen notwendig und diese erforderten Datenanalysen, Zusammenarbeit und Beziehungsaufbau, so Hardy: „Eine Vielzahl von Faktoren müssen berücksichtigt werden, und es ist nicht immer die beste Lösung, dem einen Aspekt Vorrang zu geben.“

6. Einen Wirkungsrahmen schaffen

Ein HLK-Techniker in Schutzkleidung inspiziert und repariert Außenklimaanlagen.
Um eine maximale betriebliche Wirkung zu erzielen, sollten HLK- und andere Gebäudesysteme für die Endnutzer einfach zu handhaben sein.

Das zweite Kriterium, das MASS in seinem „Sustainability Action Plan“ vorschlägt, ist der „Impact Framework“ (Wirkungsrahmen). Hierbei handelt es sich um eine Bewertung der Auswirkungen von Entscheidungen in den Bereichen Planung, Bau und Betrieb auf drei Kategorien: Materialsysteme, Gebäudesysteme und Ökosysteme. Der Wirkungsrahmen besteht aus einer Reihe von Fragen für jede der Kategorien, die als Auslöser für positive Veränderungen dienen sollten. In der Kategorie Ökosystem lautet eine Frage zum Beispiel: „Wie kann der Standort die Wasser- und Bodengesundheit verbessern?“ Eine andere Frage lautet: „Wie kann dieser Ort so großzügig sein wie der wilde Ort nebenan?“

Kinkel behauptet, dass eine solche Fragestellung Teil der täglichen Planungspraxis werden könnte. „Erstens fragen wir uns, wie wir die Anzahl einheimischer Pflanzen und Tiere erhöhen und den Ort schöner machen, als er war, als wir angefangen hatten – und das versuchen wir auch bei unseren innerstädtischen Projekten“, erklärt die Architektin . „Zweitens fragen wir uns, wie können wir den eingebetteten Kohlenstoff der Gebäude, Materialien und Strukturen reduzieren? Die dritte Frage betrifft den betriebsbedingten Kohlenstoff (Operational Carbon): Wie kann dieses Gebäude in Zukunft effizient betrieben werden?“

Ein praktisches Beispiel für die Berücksichtigung betrieblicher Auswirkungen ist die Auswahl von HLK-Systemen, die für den Endnutzer leicht verständlich sind. „Wir sehen uns sowohl die Solaranalysen als auch die mechanischen Systeme an und stellen sicher, dass sie nicht so komplex sind, dass der Eigentümer sie nicht nutzen kann oder dass wegen zu aufwendiger Systeme die langfristigen Kosten höher sind“, erklärt Klinkel. „Beispielweise können Rechnungen höher ausfallen, nur weil ein Filter nicht ausgetauscht wurde.“

7. Alternativen zum Bau erwägen

Eine Gruppe von Planungsfachkräften steht um einen Tisch und schaut gemeinsam digitale Baupläne auf einem Bildschirm und einem Tablet an.
Manchmal ist die umweltfreundlichste Lösung, kleiner oder gar nicht zu bauen.

Eine gewisse Ironie liegt darin, dass die Umsetzung der Initiativen des MASS Sustainability Action Plan unter Umständen dazu führen kann, ganz auf den Bau zu verzichten. Wenn zum Beispiel die MASS Group beauftragt wird, gemeinnützige Organisationen beim Bau eines neuen Gebäudes zu unterstützen, untersucht das Kollektiv zunächst die Bedürfnisse der Organisation und fragt sich, ob ein neues Gebäude ihre Probleme wirklich lösen würde.

„Wir haben in der Frühphase von Projekten sehr viel Arbeit geleistet, viel mehr als typische Architekten“, sagt Hardy. „Manchmal arbeiten wir mit gemeinnützigen Partnern zusammen, die meinen, sie bräuchten ein Gebäude – dabei stellt es sich heraus, dass sie eher einen langfristigen strategischen Plan brauchen.“ Wenn sich Bauarbeiten nicht vermeiden lassen, empfiehlt das Kollektiv weniger zu bauen, was oft zur Wiederverwendung bestehender Gebäude führt. Und wenn eine Wiederverwendung oder Anpassung nicht infrage kommt, ist die vorgeschlagene Lösung, eine möglichst effiziente und nachhaltige neue Struktur zu schaffen.

Eine klimapositive Zukunft wird nicht einfach sein. Die MASS Design Group vertritt den Standpunkt, dass es nur möglich ist, wenn sie schwierige Fragen vorbringt und damit die bisherige Vorgehensweise in der Baubranche eventuell auf den Kopf stellt. Ein Umbruch sei alternativlos, so Hardy.

„Unsere heutige gebaute Umwelt hat schädliche Auswirkungen“, erklärt der MASS-Direktor. „Weil wir zusammen der Umwelt so viel Schaden zugefügt haben, muss das Klima ein wesentlicher Schwerpunkt werden – vor allem für die Baubranche, die einen so großen Anteil an den Emissionen hat.  Bei der Planung und dem Bau von Gebäuden müssen wir auf einen Ansatz hinarbeiten, der regenerativer, ausgewogener und ökologischer ist.“

Taz Khatri

Zur Person: Taz Khatri

Taz Khatri ist lizenzierte Architektin und Inhaberin des Architekturbüros Taz Khatri Studios. Ihr Unternehmen ist spezialisiert auf kleinere gewerbliche Projekte und Mehrfamilienhäuser sowie auf den Denkmalschutz. Wichtige persönliche Themen sind für Khatri die Stadtplanung, Gleichberechtigung und Nachhaltigkeit. Sie lebt und arbeitet in Phoenix, im US-Bundesstaat Arizona.

Für Sie empfohlen