„Durch das Turbinenzwischengehäuse strömt eine Menge Gas, das extrem heiß ist und enorm viel Wärme abgibt“, wie Harris erklärt. „Die Gitterstruktur ist eine Art Schutzschicht zwischen der heißen Innenhaut und der Außenhaut, was die Wärmeübertragung von innen nach außen deutlich reduziert. Wir schätzen, dass dadurch über die gesamte Lebensdauer der Komponente 16 Gigajoule an Wärmeenergie eingespart werden. Das heißt, dass mehr Energie das Triebwerk erreicht, um dort die Turbine anzutreiben, bevor sie hinten wieder austritt.“
Konkret bedeutet das: Das Triebwerk ist um einiges effizienter, als es mit herkömmlichen Herstellungsverfahren möglich wäre. Dessen war sich auch das Team bewusst. Daher fasste man den Entschluss, auf die Additive Fertigung, genauer gesagt auf das Laser-Pulverbett-Verfahren, zurückzugreifen. Dabei wird schichtweise Metallpulver aufgetragen und mit einem Hochleistungslaser Schritt für Schritt gesintert.
„Die Additive Fertigung bietet die gestalterische Freiheit, fast jeden beliebigen Entwurf umzusetzen, den Generatives Design hervorbringen kann“, so Dirk Herzog, der als Forscher an der Technischen Universität Hamburg arbeitet. „Die Technologie hat eindeutig bewiesen, dass sie das Potenzial birgt, die Masse von Bauteilen in einem anders nicht denkbaren Ausmaß zu reduzieren.“
Tatsächlich waren die MOnACO-Forscher eigenen Angaben zufolge in der Lage, die Masse des Turbinenzwischengehäuses um ganze 30 % zu verringern. Nach der Fertigstellung des Entwurfs wurde in einer Anlage von GE Additive ein maßstabsgetreuer Prototyp hergestellt, der anschließend bei Autodesk intern nachbereitet und mit dem Entwurf verglichen wurde. Da die Industrie strengen Sicherheitsnormen unterliegt, wird es zwar vermutlich noch einige Jahre dauern, bis das Bauteil in großem Maßstab in Flugzeugen zum Einsatz kommt, doch das Projekt stellt einen wichtigen nächsten Schritt auf dem Weg zu einer umweltfreundlicheren Luftfahrt dar.
„Die Luftfahrt ist nach wie vor maßgeblich an den globalen Kohlenstoffemissionen beteiligt“, so Herzog. „Langfristig könnten Elektroflugzeuge hier Abhilfe schaffen, doch in der Zwischenzeit sollte man jede Gelegenheit nutzen, die Emissionen von Flugzeugen mit Verbrennungsantrieb zu reduzieren.“
Ashish Sharma, leitender Ingenieur für Luftfahrttechnik bei GE Aerospace in München, hebt das in seinen Augen enorme Potenzial des innovativen Turbinenzwischengehäuses hervor. Das Projekt, so Sharma, sei der Beweis, dass sich Generatives Design und Additive Fertigung für die Herstellung großformatiger Bauteile und Komponenten eignen. „Die Resonanz und das Interesse seitens der Luftfahrindustrie sind groß“, berichtet er und betont, dass die gleichen Technologien und Prozesse auch zur Herstellung anderer Triebwerksteile eingesetzt werden könnten, um Flugzeuge vom Bug bis zum Heck noch effizienter zu gestalten.
„Gleichzeitig bringt die Tatsache, dass wesentlich weniger Bauteile benötigt werden, Wettbewerbsvorteile mit sich, da dadurch der mit der Montage verbundene Kosten- und Arbeitsaufwand sinkt“, betont Christina-Maria Margariti, Projektleiterin des Gemeinsamen Unternehmens für saubere Luftfahrt.
Indem sie die Entwicklung und Markteinführung innovativer neuer Produkte bis 2035 fördert, verfolgt die Initiative das Ziel, bis 2050 ganze 75 % der Luftflotte umweltfreundlicher zu machen. Vor diesem Hintergrund wären kurze Fertigungszeiten ein entscheidender Vorteil – insbesondere in der EU, die sich im Rahmen des europäischen Grünen Deals verpflichtet hat, bis 2050 eine klimaneutrale Wirtschaft zu schaffen. „Damit bis 2035 genügend Flugzeuge durch klimafreundlichere Varianten ersetzt werden, um bis 2050 unsere Umweltziele zu erreichen, sind wir daher auf kürzere Markteinführungszeiten und höhere Produktionsraten angewiesen“, betont Margariti. „Jede Verbesserung im Hinblick auf die Entwicklungs- und Fertigungszeiten bringt uns diesen Zielen näher.“