Wenn Architektur Wurzeln schlägt: Ein Baumhaus mit technischer Raffinesse
Das vom Architekturbüro Modus Studio entworfene Evans Tree House im Botanischen Garten der University of Arkansas in Hot Springs ist als interaktive Lernumgebung vor allem für Kinder konzipiert. Es zeigt die Möglichkeiten einer Gestaltungsphilosophie, die Technologiekompetenz mit der Liebe zum Lebendigen verbindet. 3D-Modelle und Laserscanning halfen bei der Umsetzung.
Für das Architekturbüro Modus Studio mit Sitz in Fayetteville am Rande des Ozark National Forest im US-Bundesstaat Arkansas ist Technologie weder ein Selbstzweck, noch steht sie im Gegensatz oder gar Widerspruch zur Natur. Vielmehr wird sie als nützliches Tool zur optimalen Ausschöpfung der Möglichkeiten jedes einzelnen Projekts eingesetzt. Neben dem Planungsstudio verfügt Modus über eine eigene Fertigungsabteilung. Dort stellt man Prototypen für Bauteile her, die dann zu Testzwecken den Elementen ausgesetzt werden. Viele der insgesamt 29 Mitarbeiter wuchsen in ländlichen Gegenden auf und haben sich eine ausgeprägte Naturverbundenheit bewahrt.
Mit herkömmlichen Methoden wären die Planer beim Vermessen des Baugrunds für das Evans Tree House nicht weit gekommen. Stattdessen wurde das malerisch auf einer Landzunge im Lake Hamilton gelegene Areal mit Lasern gescannt und ein virtuelles 3D-Modell erstellt, in dem nicht nur einzelne Bäume, sondern sogar deren Äste originalgetreu erfasst waren. Mithilfe dieser detaillierten Visualisierung gelang es, die Platzierung des Baumhauses auf eine möglichst immersive Wirkung und eine optimale Integration in seine Umgebung auszulegen.
„Am einfachsten wäre es gewesen, eine möglichst spärlich bewachsene Stelle zu finden, damit das Haus eine größere Grundfläche bekommt“, meint Jody Verser von Modus. „Aber das hätte die Besucher nicht so nahe an die Natur herangebracht, wie wir es wollten.“ Stattdessen habe man das Haus mitten im Wald errichtet, sodass Besucher „sich ihm im Wechselspiel des durch Holzrippen einfallenden Lichts nähern und die Bäume vorüberziehen sehen“.
Bei der Grundrissplanung erwies sich die Lasererfassung als zielführende Methode. „Das Haus war so geplant, dass es sehr dicht an den Bäumen stehen und sich quasi zwischen ihnen hindurchwinden sollte“, so der Architekt weiter. Zu diesem Zweck wurde das Grundstück von 16 verschiedenen Gerätestandorten aus gescannt, sodass eine sehr präzise Punktwolke entstand. „Wir konnten sehr genau sehen, wo die Bäume standen, und unser Modell buchstäblich dazwischen einpassen.“ Von einer Stahlkonstruktion gestützt, schwebt das Baumhaus an seiner niedrigsten Stelle vier Meter über dem Boden.
Zur Planung des Baukörpers, dessen spitz zulaufende Form Versers Team an eine „hölzerne Nacktschnecke“ erinnert habe, wurde im iterativen Verfahren mit mehreren Tools gearbeitet: von Autodesk Dynamo zur Erstellung von benutzerdefinierten Skripts über von Hand gezeichnete Pläne bis hin zu 3D-Modellen. Dies erforderte eine enge Zusammenarbeit im gesamten Planungsteam.
Inspiration aus der Dendrologie, der Lehre von Bäumen und Gehölzen
Ursprünglich entwickelte Verser das Dynamo-Skript zur Darstellung der Querprofilformen, die später als Holzrippen realisiert wurden. Die detaillierte Ausarbeitung dieser Formen erfolgte dann in Teamarbeit. „Die Planer druckten sich einzelne Profile aus, zeichneten dann auf den Ausdrucken Änderungen ein und scannten sie wieder ein. Dann haben wir uns zusammengesetzt und das Dynamo-Skript in bearbeiteter Form ausgeführt“, erläutert er das iterative Verfahren, mit dem die Form des Baukörpers exakt an den Standort angepasst wurde.
Inspirieren ließen sich die Architekten dabei u. a. von wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Dendrologie, der Lehre von Bäumen und Gehölzen. So ist die Gestaltung der Schutzgitter der Blattstruktur nachempfunden. Diese Metallgitter seien in einer Art und Weise strukturiert, die den meisten Menschen sowohl logisch als auch irgendwie bekannt vorkommen sollte, meint Verser: „Man erkennt auf den ersten Blick, dass es wie ein Blatt aussieht – und zwar sowohl aus der Ferne als auch wenn man ganz nah heranzoomt.“
Die eigene Fertigungsabteilung ist unverzichtbar für die Gestaltungsphilosophie von Modus. Als Leitbild gilt dabei, dass Denken und Machen untrennbar miteinander verbunden sind. Der Prototypenbau wird im Verbund mit den bei der Planung verwendeten technischen Tools als Mittel zur optimalen Ausreizung der gestalterischen Möglichkeiten jedes einzelnen Projekts eingesetzt. Es entsteht eine iterative Feedbackschleife, die Laserscannen, computergestützte Planung (mit Dynamo) und den Prototypenbau in der Werkstatt einbezieht, sodass die aus der Fertigung gewonnenen Erkenntnisse wieder in die 3D-Modelle einfließen. Die Perforationsmuster für die Metallgitter wurden beispielsweise in der Werkstatt mit dem Plasmaschneider ausgetestet.
„Wie Zeichnen, nur besser“, kommentiert Verser diese Methode. „Der nächste Schritt wäre, dass man in die Werkstatt geht und ein lebensgroßes Modell baut. Das kann man dann tatsächlich testen – man kann es Sonne und Witterung aussetzen; man kann es dem Auftraggeber zeigen. Wirkungsvoller als eine 3D-Simulation ist das allemal.“ Entsprechend arbeitet sein Unternehmen mit lebensgroßen Modellen als Echtzeit-Indikatoren für die Wetterbeständigkeit der jeweiligen Elemente.
Zur Veranschaulichung erzählt Verser von einem weiteren Projekt – der Planung des Pavillons am Südeingang des Mountainbike-Zentrums Coler Preserve in Arkansas. Vor Baubeginn wollte sein Team herausfinden, wie regendicht das geplante Dach aus überlappenden Stahlplatten tatsächlich sein würde. Also baute man in der Werkstatt ein Modell aus plasmageschnittenen Stahlplatten und Butyl-Dichtband. „Das haben wir eine Weile draußen im Regen gelassen, in der Werkstatt Wasser drüber gegossen und uns angeschaut, wo das Wasser hinfließt.“ Die erforderlichen Anpassungen wurden dann vom Bauunternehmer umgesetzt.
3D-Modelle und Echtzeit-Simulationen
Dieser Arbeitsweise bleibt Modus auch bei größeren Projekten treu – etwa der Planung eines Studentenwohnheims auf dem Campus der University of Arkansas in Zusammenarbeit mit zwei anderen Architekturbüros. „Wir haben uns regelmäßig mit dem Auftraggeber zu Arbeitsbesprechungen getroffen und mit den anderen Firmen Telekonferenzen angesetzt, bei denen wir alle die gleiche Bildschirmanzeige vor uns hatten und dann diskutiert haben, wie wir die Kohärenz des Gesamtkonzepts gewährleisten.“ Trotz getrennter Zuständigkeiten mussten viele Entscheidungen in enger Abstimmung mit den Projektpartnern gefällt werden. Hier kamen 3D-Modelle sowie Echtzeit-Simulationen zum Einsatz, damit sich Probleme immer im Gesamtkontext betrachten ließen.
Beim Entwurf für ein Bürogebäude in Bentonville, ebenfalls in Arkansas, für einen Auftraggeber aus der Fotografiebranche stand das Bemühen im Vordergrund, ein Wechselspiel zwischen Form und Funktion herzustellen. Die Linienführung der Hauptfassade sei dem Objektivverschluss einer Kamera nachempfunden, erläutert Verser. Zwischen erstem und zweitem Stockwerk gibt es Verschiebungen, die an einen Fächer – oder eben einen Objektivverschluss – erinnern, und die Winkel werden im Grundriss der inneren Räume wieder aufgenommen.
Den schwierigen Spagat zwischen 3D-Simulation und realer Lebenswelt meistert das Planungsteam von Modus souverän. Werkstatt und Studio werden interessierten Mitbürgern regelmäßig im Rahmen von Vorträgen, Workshops und Kooperationsprojekten zugänglich gemacht. Das iterative Verfahren zur Erstellung standortspezifisch optimierter Entwürfe mithilfe digitaler Tools und Techniken stellt zugleich einen Brückenschlag nicht nur zwischen virtueller und physischer Realität, sondern auch zwischen gebauter Umwelt und lebendiger Natur dar.