Autonomes Fahren: smart, sicher, sauber
- Zurzeit sind autonome Fahrzeuge noch mit Herausforderungen verbunden, sie werden jedoch ein Teil unserer zukünftigen Mobilität sein, denn sie versprechen ein erhebliches Plus an Sicherheit und eine deutlich bessere CO2-Bilanz
- Prognosen zufolge könnte bis 2030 weltweit ein Zehntel aller Fahrzeuge ohne menschlichen Fahrer auskommen, was durch autonomes Fahren einen sichereren und effizienteren Transport und Verkehr in Aussicht stellt
- Im Rahmen von Pilotprogrammen in verschiedenen Ländern werden autonome Fahrzeuge als Teil eines koordinierten Verkehrskonzepts erprobt, das sowohl kleinere Probleme wie Verkehrsstaus lösen als auch entscheidende Beiträge zu wichtigeren Anliegen wie Sicherheit und Barrierefreiheit leisten könnte
Im April 2022 holte ein vollelektrischer Jaguar I-PACE einen Waymo-Ingenieur in San Francisco ab und setzte ihn nach einem kurzen Zwischenstopp bei einem Drive-in-Restaurant bei der Arbeit ab. Das Kuriose daran: Niemand saß auf dem Fahrersitz, das Auto fuhr vollkommen autonom. Von außen dürfte es den Anschein gehabt haben, als würde sich das Lenkrad wie von Geisterhand drehen.
Das auf autonome Fahrtechnologie spezialisierte Unternehmen Waymo bringt bereits seit 2017 Fahrgäste in Phoenix in Arizona und den umliegenden Vorstädten an ihr Ziel. 2020 fasste man den Entschluss, einen vollständig fahrerlosen Mobilitätsservice anzubieten. Heute ist Waymo auf dem besten Weg, zu den Marktführern im Bereich des autonomen Fahrens zu werden: Neben den mehr als 100.000 fahrerlosen Fahrten, die das Unternehmen seit seiner Gründung verzeichnen konnte, sind auf den Straßen von San Francisco neuerdings fahrerlose Waymo-Taxis unterwegs – eine bahnbrechende Errungenschaft für eine Technologie, die in der Presse bisweilen aufgrund von Sicherheitsvorfällen vor allem Kritik erntete und als zukunftslos abgestempelt wurde.
Waymo ist nicht das einzige Unternehmen, das bestrebt ist, kommerziell nutzbare autonome Fahrzeuge auf die Straßen zu bringen. Einem Bericht von CNBC zufolge stößt das Angebot des VW-Partnerunternehmens Argo, das in Zusammenarbeit mit dem Fahrtenvermittler Lyft selbstfahrende Taxis mit Sicherheitsfahrer an Bord betreibt, bei Fahrgästen in Miami Beach auf Anklang. US-Unternehmen wie Tesla, Zoox und GM-Tochter Cruise haben mehrere Milliarden Dollar in die Erprobung entsprechender Algorithmen und Sensoren auf Tausenden von Kilometern langen Strecken fließen lassen.
Die deutsche Bundesregierung fördert zurzeit über ein Dutzend Pilotprojekte zum Thema autonomes Fahren, während in den USA mehr als 80 Unternehmen insgesamt 1.400 selbstfahrende Autos auf den Prüfstand stellen. Und auch in Peking haben Pony.ai und Baidu fahrerlose Taxis an den Start gebracht. Keine Frage: Der Markt des autonomen Fahrens wächst in rasantem Tempo. Prognosen zufolge sollen autonome Fahrzeuge bis 2030 ein Zehntel des Straßenverkehrs ausmachen, wobei allein die sogenannten Robotaxis einen Marktanteil von voraussichtlich 1,2 Billionen Dollar haben werden. Bereits heute ist die autonome Mobilität global gesehen eine 54 Milliarden schwere Branche.
Autonomes Fahren ist die Zukunft
„Um von einem autonomen Fahrzeug Gebrauch machen zu können, braucht man keinen Führerschein, und auf Dauer wird das Konzept die Sicherheit im Verkehr erheblich verbessern“, so Robin Chase, Mitbegründerin und ehemalige CEO von Zipcar sowie Gründerin der New Urban Mobility Alliance (NUMO), einer gemeinnützigen Organisation für urbane Mobilität mit Sitz in Washington, DC.
„Wir nehmen heute eine sehr hohe Zahl an – teilweise tödlichen – Verkehrsunfällen in Kauf“, fährt Chase fort. „Bei autonomen Fahrzeugen wird das nicht der Fall sein.“ Außerdem könnten autonome Mobilitätskonzepte „Menschen mit Sehbehinderung, Menschen mit Epilepsie oder Menschen, die zu jung oder zu alt sind, um selbst Auto zu fahren, zugute kommen“.
Und nicht nur das: Sie könnten auch die Anzahl der Autos auf den Straßen reduzieren und damit Platz für Parkplätze und überdachte Parkgaragen schaffen. In den Vereinigten Staaten pendeln etwa 75,9 % aller Arbeitsnehmenden allein zur Arbeit. Als Teil gebührenpflichtiger öffentlicher Verkehrssysteme, die mithilfe von Maßnahmen wie Staugebühren zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes beitragen, hätten automatisierte Mitfahrgelegenheiten und Shuttle-Flotten Chase zufolge das Potenzial, die 6,9 Milliarden Stunden, die Amerikanerinnen und Amerikaner 2014 im Stau verbrachten, deutlich zu reduzieren und die Anzahl an Privatfahrzeugen auf den Straßen zu verringern. Tatsächlich kam eine von der University of Texas durchgeführte Studie zu dem Ergebnis, dass bereits ein Anteil von 10 % an selbstfahrenden Autos auf US-Straßen zu Zeit- und Kosteneinsparungen im Wert von 25,3 Milliarden USD sowie zu einer erheblichen Reduzierung verkehrsbedingter Verletzungen und Todesfälle führen könnte.
Israel Duanis, Leiter der Abteilung für autonome Fahrzeuge beim Mobilitätssoftwareunternehmen Via, berichtet, dass 70 % aller Nutzenden des in Arlington in Texas angebotenen und dank Sensortechnologie von May Mobility ermöglichten On-Demand-Autoservices RAPID auf diesen zurückgreifen, um zur Arbeit, zur Schule oder zu medizinischen Einrichtungen zu gelangen. Seitdem der automatisierte Service im März 2021 an den Start ging, wurden 30.000 Fahrten absolviert. 80 % aller Fahrgäste gaben an, sich bei der Nutzung von RAPID sicher zu fühlen.
Software und Hardware für autonome Mobilität: der aktuelle Stand
Aktuellen Zahlen zufolge sind 94 % der 35.000 tödlichen Unfälle, die sich jährlich auf den Straßen der USA ereignen (etwa 12 Todesfälle pro 100.000 Einwohner), auf menschliches Versagen zurückzuführen. Nach Angaben des Insurance Institute for Highway Safety liegt die derzeitige Rate der Verkehrstoten bei 1,34 Todesfällen pro 100 Millionen zurückgelegter Meilen (etwa 160 Millionen Kilometer). Einige Fachleute gehen davon aus, dass diese Zahl zehnmal niedriger ausfallen würde, wenn sich Unfälle aufgrund von Alkohol oder Handynutzung am Steuer vermeiden ließen – ein weiterer Grund, verstärkt auf autonome Fahrzeuge zu setzen.
Um die Straße erkennen zu können, braucht ein selbstfahrendes Auto Kameras, Radare und das Laserradarsystem LiDAR. Letzteres ist in der Lage, im 360-Grad-Winkel die Entfernung zu Objekten in der Umgebung zu erkennen, indem es Lichtimpulse auf diese projiziert und misst, wie lange es dauert, bis der reflektierte Strahl erfasst wird. Die hochauflösenden Sensoren sind gewissermaßen die Augen des Fahrzeugs. Die kognitiven Fähigkeiten, so Sravan Puttagunta, ehemaliger CEO des kalifornischen Unternehmens Civil Maps, beruhten hingegen auf intelligenten Algorithmen und Künstlicher Intelligenz, die die von den Sensoren erfassten Rohdaten mit Referenzkarten abgleichen.
Wie Puttagunta erklärt, biete die Plattform von Civil Maps (ähnlich wie die der Konkurrenzunternehmen Mobileye, Delphi und Bright Box) autonomen Fahrzeugen nicht bloß eine 2D-Navigationskarte, sondern ein kontextbezogenes Verständnis der jeweiligen Umgebung. Mithilfe Künstlicher Intelligenz ließen sich Rohdaten aus hochauflösenden Laseraufnahmen verarbeiten, was es den Fahrzeugen ermögliche, ihre eigene Position millimetergenau zu bestimmen und in Verkehrssituationen, beispielsweise an Kreuzungen oder in einem Kreisverkehr, sinnvolle Entscheidungen zu treffen.
„Das Problem, das wir aktuell zu lösen versuchen, ist die Tatsache, dass die Autos im Verkehr sogar übermäßig vorsichtig sind“, so Paul Newman, Gründer und Chief Technology Officer des in Oxfordshire ansässigen, auf Software für autonome Fahrzeuge spezialisierten Unternehmens Oxbotica. „In anspruchsvollen Verkehrssituationen wie zum Beispiel in einem Kreisverkehr geraten fahrerlose Fahrzeuge oft ins Stocken. Das ist ein Problem, denn in Sachen Sicherheit gibt es nichts Schlimmeres als unvorhersehbares Verhalten.“
Mit anderen Worten: Um die modernen Verkehrsmittel sicher zu gestalten, braucht es Redundanz. Durch den Einsatz mehrerer Sensoren und Algorithmen, die den gleichen Zweck erfüllen, ließen sich Systemfehler vermeiden, die das Unfallrisiko erhöhen und reibungslose Fahrten erschweren. Wenn menschliche Fahrende ein Auto erblicken, das ins Schleudern gerät, oder das Heulen einer Sirene hören, gehen sie in der Regel vom Gas (Stichwort: vorausschauendes Fahren). Auch fahrerlose Fahrzeuge, so Newman, müssten in der Lage sein, Gefahrensituationen zu erkennen und wenn nötig an den Straßenrand zu fahren.
Welche Perspektiven bieten autonome Fahrzeuge der Logistikbranche?
Seit das japanische Tsukuba Mechanical Engineering Laboratory im Jahr 1977 das erste halbautomatisierte Auto auf den Markt brachte, hat sich die zugrunde liegende Technologie drastisch weiterentwickelt. Wie Newman betont, arbeiten Nutzkraftwagen wie Gabelstapler und Bergbaufahrzeuge bereits seit Jahrzehnten völlig ohne menschliche Hilfe.
Heute werden in Städten wie Houston in Texas, und Mountain View in Kalifornien bereits erste autonome Lieferfahrzeuge für die letzte Meile eingesetzt. So haben Giganten wie Kroger, 7-Eleven, Dominos, Walmart, FedEx und Chipotle beispielsweise in emissionsfreie, mit Kühlsystemen ausgestattete Miniautos von Nuro investiert. Betrieben werden diese mit erneuerbarer Energie, die in texanischen Windparks erzeugt wird. Angaben eines Unternehmenssprechers zufolge können sie umgerechnet etwa 225 Kilogramm Lebensmittel transportieren. Die kompakten Fahrzeuge für die urbane Mobilität könnten in der Zukunft in umfassendere Lieferkettennetzwerke integriert werden, in denen autonome Elektroflotten, die quasi ununterbrochen im Einsatz sind, Waren schneller, sicherer und mit weniger Kraftstoff transportieren könnten.
„Aufgrund ihrer hohen Kosten werden die Fahrzeuge zunächst dort zum Einsatz kommen, wo sie möglichst viele Stunden am Tag genutzt werden können“, so Chase. „Naheliegende Anwendungsfälle sind Taxi-, Liefer- und Speditionsdienste.“
Das Unternehmen Aurora, das 2020 die Abteilung für autonomes Fahren von Uber übernommen hat, testet seine Software zurzeit, indem es Sattelzugmaschinen von Werner Enterprise auf einem rund 1.000 Kilometer langen Autobahnabschnitt in Texas fahren lässt. Auch FedEx und Uber Freight haben andernorts vergleichbare Programme durchgeführt. Auf langen, unkomplizierten Autobahnstrecken könnten ähnliche Transportmittel eine sinnvolle Lösung für den weitverbreiteten Mangel an qualifizierten menschlichen Fahrendendarstellen.
Neue Wege für die Mobilität in der Zukunft
Bis selbstfahrende Autos in Städten und auf Autobahnen zu einer Selbstverständlichkeit werden, könnten noch Jahre oder Jahrzehnte vergehen, meint David Zuby, Forschungsleiter beim Insurance Institute for Highway Safety. Eine der größten Herausforderungen auf dem Weg dorthin ist die Gewährleistung einer sicheren Koexistenz mit anderen Fahrzeugen. Vollständig autonome Autos müssen sich – zumindest vorerst – die Straße mit von Menschen geführten bzw. nur bedingt autonomen Fahrzeugen teilen. Beides birgt Sicherheitsrisiken.
Der Automatisierungsgrad von Fahrerassistenzsystemen wird gemeinhin auf einer Skala von 0 bis 5 eingestuft. Ein Fahrzeug des Levels 0 wird vollständig von einem menschlichen Fahrenden gesteuert und erfordert jederzeit dessen volle Aufmerksamkeit, während Level 5 vollständig autonomen Modellen vorbehalten ist, bei denen die Insassen nur noch Mitfahrende sind und zu keinem Zeitpunkt eingreifen müssen. Die meisten Privat- und Nutzfahrzeuge sind irgendwo in der Mitte zwischen Level 1 und Level 3 angesiedelt.
Wie Chase erklärt, würden teilautonome Fahrzeuge – insbesondere solche mit automatisierten Funktionen wie Spurführung, Beschleunigung und Bremsen für das Fahren auf der Autobahn (Level 2) oder solche mit Sicherheitsfahrer für Notfälle (Level 3) – mitunter eine größere Gefahr darstellen als manuell gesteuerte Autos, da sie der Person hinter dem Steuer ein falsches Gefühl der Sicherheit vermitteln und ein unaufmerksames Fahrverhalten begünstigen könnten.
Für Schlagzeilen sorgte beispielsweise ein tragischer Unfall im Jahr 2016, bei dem der 40-jährige Joshua Brown am Steuer eines teilautonomen Tesla Model S ums Leben kam. Ein Lkw bog vor Browns Tesla nach links ab, doch anstatt zu stoppen, raste das Auto ungebremst unter den Anhänger des Lkw. Laut Mike Demler, einem der führenden Technologieanalysten bei The Linley Group, sei das mit Sensoren, Radarsystem, GPS und Bildverarbeitungssoftware ausgestattete Auto nicht für die Navigation mit Autopilot vorgesehen gewesen. „Die Sensoren wurden für das Fahren auf der Autobahn entwickelt. Für Querverkehr waren sie nicht freigegeben“, erklärt Demler. „Sie konnten zwar die Rückseite eines Autos, nicht aber die Seite eines Traktoranhängers erkennen.“
Von den fast 400 Unfällen mit teilautonomen Fahrzeugen, die zwischen 1. Juli 2021 und 15. Mai 2022 gemeldet wurden, betrafen etwa 70 % (273 Unfälle) Teslas, für die zum Zeitpunkt des Unfalls verschiedene Fahrerassistenzsysteme aktiviert waren. Für Chase sagen diese Zahlen weniger über Tesla als Unternehmen – das mit 830.000 sich im Umlauf befindlichen teilautonomen Modellen zu den wichtigsten Herstellern der Branche gehört – als über die Sicherheitsrisiken der Fahrzeuge im Allgemeinen aus.
„Wenn man unzählige Male sicher an sein Ziel kommt, ohne auf die Straße achten zu müssen, und man dann auf einmal aufpassen und eingreifen soll, wird einem das nicht gelingen. Das ist eine aussichtslose Situation“, bedauert sie.
Wie stehen Regulierungsbehörden zu selbstfahrenden Autos?
Das US-Verkehrsministerium überarbeitet derzeit die bestehenden Verkehrssicherheitsvorschriften, um mehr Klarheit über Situationen ohne menschliche Fahrende zu schaffen. In Zubys Augen gilt es, die aus rechtlicher Sicht schwierige Frage, wer für Unfälle mit Autopilot-Beteiligung haftet, im Zuge der in den nächsten Jahren zu erwartenden erschwinglicheren Preise für Fahrzeuge mit Autonomie-Level 2 und 3 zu klären.
„Unternehmen, die automatisierte Fahrsysteme entwickeln, werden nicht umhinkommen, diese an die vorhandene Infrastruktur anzupassen“, so Zuby. „Es wäre sicherlich von Vorteil, in diesem Bereich konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um die Entwicklung solcher Systeme zu erleichtern. Ich kann mir aber kaum vorstellen, dass sich alle 50 Bundesstaaten auf eine Vereinheitlichung unserer Straßen zu diesem Zweck einigen.“
Eine bessere Ausgangsposition für die Umstellung auf autonomes Fahren haben Städte in Europa und Asien. Hier wird besonders in dicht besiedelten Gebieten mit intensivem Nahverkehr Wert auf effektive öffentliche Transportsysteme gelegt. Dieser Kluft ist sich Chase bewusst: „Europäische Regierungen sind zunehmend bestrebt, die Zahl der Privatwagen in Innenstädten zu reduzieren. In den USA gab es bisher noch keine vergleichbaren Vorhaben, geschweige denn konkrete Bemühungen in diese Richtung.“ Dennoch sieht sie die Zukunft des Nahverkehrs nicht allein in selbstfahrenden Autos: „Radfahrstreifen, Gehwege und öffentliche Verkehrsmittel sind zeitlos und werden auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen.“
Sofern die US-Behörden nicht beschließen, ihren Kurs zu ändern und sich der Modernisierung bestehender Infrastruktur und Nahverkehrssysteme anzunehmen, wird allen voran auf Logistiksoftware spezialisierten Unternehmen wie Via (und Konkurrenten wie Uber und Lyft) eine Pionierrolle bei der Entwicklung zukünftiger autonomer Mobilitätskonzepte zukommen. Mit Angeboten wie On-Demand-Buchungen, Wegbeschreibungen und Speditionsdiensten sind diese bestens aufgestellt, um Fahrgästen die reibungslose Nutzung vernetzter, multimodaler Verkehrssysteme zu ermöglichen.
Neben der Bereitstellung von Logistikdiensten für Arlington RAPID ist Via unter anderem auch am Shuttle-Service A2GO Lexus RX 450h in Ann Arbor in Michigan beteiligt. Beide Angebote stehen der Öffentlichkeit zur Verfügung und wurden als Ergänzung zur bestehenden Nahverkehrsinfrastruktur konzipiert. Im Februar 2022 rief Via in Zusammenarbeit mit Motional einen Service ins Leben, der den Einwohnenden von Las Vegas Fahrtmöglichkeiten für wichtige Zwecke bietet. Weitere Services im US-Bundesstaat Minnesota sowie im deutschen Kelheim sollen Aufschluss über die Auswirkungen fahrerloser Transportsysteme in ländlichen Gebieten bringen.
„Vielerorts werden sich schon in naher Zukunft aus kurzfristigen Pilotprojekten mit kleiner Flottengröße dauerhafte Netzwerke aus autonomen Transportmitteln entwickeln, die vollständig in das bestehende Ökosystem eingebunden sind“, ist sich Duanis sicher.
Gemeinsame Nutzung als Schlüssel zum Erfolg
Jede Diskussion über autonomes Fahren wird zwangsläufig zu einer Diskussion über Politik und Infrastruktur führen. In einer im Jahr 2018 von der UC Berkeley durchgeführten Studie wurde die Hypothese aufgestellt, dass der Einsatz einer Flotte gemeinsam genutzter automatisierter Elektrofahrzeuge mit einer Reichweite von 50–90 Meilen (umgerechnet 80–145 km) pro Akkuladung in Manhattan im Vergleich zu aktuellen Taxidiensten Einsparungen in Höhe von 0,29 bis 0,61 US-Dollar pro Fahrgastmeile ermöglichen würde. Und nicht nur das: Die Autoren der Studie schätzen, dass sich auf diese Weise eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 73 % und des Energieverbrauchs um 58 % erzielen ließe. In der Praxis würde ein entsprechendes Programm eine Investition von 10 Millionen Dollar in 1.500 Ladestationen erfordern (etwa 0,01 US-Dollar pro Fahrgastmeile).
„Die Ergebnisse waren insofern überraschend, als sie den aktuellen Trends auf dem Markt widersprechen: Zurzeit stehen vor allem hohe Akkukapazitäten und superschnelle Lademöglichkeiten im Vordergrund“, so Gordon Bauer, leitender Datenwissenschaftler bei Via und einer der Autoren der Studie. „Während man sich beim Kauf eines Privatwagens vielleicht eher für Modelle interessiert, die sich gut für mehrtägige Reisen eignen, ist eine Taxifahrt in Manhattan in der Regel sehr kurz. Außerdem können Fahrzeuge außerhalb der Stoßzeiten aufgeladen werden.“
Auch sechs Jahre nach Veröffentlichung der Studie ist nach wie vor unklar, wann – wenn überhaupt – Robotaxis in Manhattan zur Realität werden könnten. Doch viele der Schlussfolgerungen der Autoren gelten auch für von Menschen gesteuerte Elektrofahrzeugflotten. In Folgestudien analysierte Bauer die Verkehrsnetze in New York, San Francisco und Neu-Delhi und kam zu ähnlichen Ergebnissen: Viele Flottendienste könnten in der Theorie ohne Weiteres durch elektrische Alternativen ersetzt werden – mit positiven Auswirkungen auf Kosten und Kohlenstoffemissionen.
Die von Oxbotica entwickelte Software dürfte unterdessen demnächst ein breiteres Publikum erreichen: In Zusammenarbeit mit dem deutschen Automobilhersteller ZF plant das Unternehmen, in naher Zukunft autonome elektrische Shuttlebusse für 14–16 Personen auf den Markt zu bringen. Wenn alles gut geht, könnte sich das Projekt als richtungsweisend für die zukünftige Durchsetzung ähnlicher Konzepte für autonomes Fahren erweisen. Newman zufolge werden die Fahrzeuge in bestimmten städtischen Gebieten völlig autonom unterwegs sein und nur in Ausnahmefällen menschliche Hilfe benötigen, zum Beispiel wenn ein Rettungswagen vorbeifährt oder eine Straße überflutet ist.
Newman geht davon aus, dass elektrische Verkehrsmittel dieser Art einen Schneeballeffekt positiver Auswirkungen nach sich ziehen werden. Er vergleicht dies mit der Wiederansiedlung von Wölfen im Yellowstone-Nationalpark: „Die Natur lebte regelrecht auf. Die Elchpopulation ging zurück und mit ihr auch die Überweidung. Das führte wiederum zur Rückkehr einheimischer Pflanzen und Bestäuber. Auch Fische und Biber fanden ihren Weg zurück in den Park. Die Biber bauten Dämme, was die Strömung der Flüsse verlangsamte und ihre Form veränderte.“
Sofern sich Newmans Vorahnung bewahrheitet, könnte dies der Beginn einer sichereren, erschwinglicheren und kraftstoffsparenderen Art der Fortbewegung sein – doch nur die Zeit wird zeigen, was die Zukunft bringt.
Dieser Artikel wurde überarbeitet. Die ursprüngliche Fassung erschien im März 2017.