Gegen den Strom – Ein 3D-gedrucktes Boot will den Bootsbau revolutionieren
Das italienische Start-Up Moi Composites hat ein 3D-gedrucktes Boot produziert, dessen Form mit traditionellen Herstellungsverfahren kaum umsetzbar gewesen wäre. „MAMBO“, so der Name des Boots, wird auf der internationalen Bootsmesse in Genua präsentiert – als Beispiel für das Potential des automatisierten Bootsbaus.
Es heißt, Gabriele Natale wollte schon immer ein Boot produzieren wie das, das er nun mit seinem Team realisiert hat. Es trägt den Namen „MAMBO“, eigentlich Motor Additive Manufacturing Boat, aber eine passendere Abkürzung könnte es kaum geben für etwas, das aussieht, als habe es sich den Hüftschwung kubanischer Musik einverleibt. Markant sind seine wellenförmigen Außenseiten, die Einkerbung, die es zum Heck hin schmaler werden lässt, sich wie zu einer Flosse verengt. Mambo ist der Hai unter seinesgleichen, der Raubfisch, der anderen Booten die Show stiehlt, weil er nicht nur eigenartig aussieht, sondern auch eigenartig hergestellt wurde.
Während dieser Text entstand, schlummerte Mambo noch in der Werft von Catmarine, einem Bootsbauer in einer der südlichsten Ecken Italiens vor dem Ionischen Meer. Dort sollte das Boot, vor seiner Präsentation auf der internationalen Bootshow in Genua, im Wasser getestet werden. Auf der Messe wird es als Beispiel dafür stehen, wie stark das Design von seinem Fertigungsverfahren abhängt und was möglich ist, wenn die Hersteller sich emanzipieren von traditionellen, wenn auch über Jahrzehnte erprobte Methoden. Mambo ist ein 3D-gedrucktes Boot aus glasfaserverstärktem Kunststoff. 6,5 Meter lang und 2,5 Meter hoch, 800 Kilogramm schwer. Es ist nicht das erste seiner Art, aber eines, das die Ästhetik auf ein neues Level hebt.
3D-Druck statt Handauflegeverfahren
Gabriele Natale ist Mitgründer des italienischen Start-Ups Moi Composites. In seiner Forschungsarbeit am Polytechnikum in Mailand, einer staatlichen ingenieurwissenschaftlichen Technischen Universität, beschäftigte er sich mit durchgängig gedrucktem Glasfaserverbund (Continuous Fiber Manufacturing), einem 3D-Druckverfahren, von dem er sich eine größere Vielfalt an Designmöglichkeiten versprach. „Es fehlt Bootdesignern nicht an Ideen und Kreativität, sondern an den Methoden, sie umzusetzen“, sagen er und sein Kollege Michele Tonizzo, mit dem er Moi Composites gründete.
Vor allem in der klassischen Bootsmanufaktur ist man eingeschränkter, arbeitet oft noch im Handauflegeverfahren mit Formen, in die Endlosfasermatten Schicht für Schicht eingelegt, gebacken und ausgehärtet werden. „Unsere Vision ist, Fertigung mit Kompositen neu zu definieren und die Möglichkeiten zu revolutionieren, wie Produkte entstehen und gestaltet werden“, sagen sie. Durch das additive Fertigungsverfahren sparen sie Material, mit den vorangehenden digitalen Entwürfen suchen sie nach ungewöhnlicher Ästhetik, nach einer, wie sie es nennen, „bislang unmöglichen Form“ und danach, gestalterische Limits zu sprengen.
Zu Beginn schloss sich Moi Composites mit mehreren Partnern zusammen, darunter Autodesk, das die Software Fusion 360, Netfabb und Powermill sowie diverse Simulationsprogramme beisteuerte. Der eigentliche Druckprozess startete ein halbes Jahr später, und wenn es nur darum ginge, etwas zu drucken, sei es auch noch so komplex wie die Form von Mambo, wäre das alles ziemlich schnell erledigt gewesen. So erinnert sich Dominique Müller, Materialwissenschaftlerin und Forschungsingenieurin bei Autodesk, die das Projekt von Beginn an begleitete und mit der notwendigen Software betreute. „Wenn wir nicht so viel rumgespielt hätten, wäre das komplette Boot in wahrscheinlich drei Monaten gedruckt gewesen“, sagt sie. Mit „rumspielen“ meint sie das Tüfteln am Design.
Kombination aus Katamaran und Schalenboot
Sie simulierten, wie sich das Boot im Meer verhalten und wie es entsprechend aussehen müsste, um sich den stürmischen Bedingungen angemessen fortbewegen zu können. Außerdem hatten sie sich zwei verschiedene Bauarten zum Vorbild genommen. Das klassische Schalenboot und den Katamaran. Sie wählten eine Kombination aus beidem, Michele Tonizzo nennt das Y-förmige „Arcidiavolo“ des britischen Bootdesigners Renato „Sonny“ Levi als konkrete Inspirationsquelle. Der hintere Teil von Mambo erinnert nun an die zwei Rümpfe eines Katamarans, der vordere Teil entspricht dem Bug des Schalenboots. Die geschwungene Form an der Seite, der Hüftschwung, ist weniger funktional, als eine ästhetische Entscheidung.
Aber nicht nur Design und Herstellungsverfahren sollen das Boot interessant machen. Michele Tonizzo sagt, das Projekt sei beispielhaft für dezentrale Manufaktur. Denn Mambo wurde über drei Länder hinweg entwickelt und produziert. Die Software-Expertise kam aus Deutschland, gedruckt wurde in Birmingham und Mailand – also im britischen Technologiezentrum von Autodesk und in der italienischen Werkstatt von Moi Composites.
Die Produktion und Kommunikation lief über die Cloud, sodass Moi steuern und kontrollieren konnte, was in Birmingham geschah. Das klingt erstmal nach zusätzlichem logistischem Aufwand, und tatsächlich war die Aufteilung zunächst eine notgedrungene Lösung, weil schlicht das Equipment und der Platz fehlten, das Boot allein in Mailand zu drucken. Moi besaß zu diesem Zeitpunkt zwei fest installierte, mehrachsige Robotikarme, mit denen die Teile gedruckt werden konnten. Durch die teilweise Auslagerung der Produktion nach Birmingham, wo es einen dritten Roboter gab, konnte gleichzeitig gearbeitet werden. Noch besser wäre ein Roboter auf Schienen, merkt Dominique Müller an. Dann könnte man das Boot in einem Stück drucken.
Am Ende wurden die gedruckten Teile per Post zu Catmarine nach Miggiano in der Provinz Lecce in Apulien geschickt und dort zusammengebaut von dem Bootsbauer, der laut Dominique Müller „jung und verrückt genug“ war, sich auf ein Experiment wie „Mambo“ einzulassen. Denn das ist es vor allem: ein Experiment, das vielleicht irgendwann mal eine Zertifizierung erhält sowie die Lizenz, auf offene See zu fahren, zunächst aber vor allem als Demonstrationsobjekt dient. Das Team hinter Mambo möchte den klassischen Bootsbauern, die sich einem über Generationen weitergetragenem Handwerk verschrieben haben, Anreiz geben für die Möglichkeiten der Automatisierung. Und es möchte die Frage aufwerfen, ob die herkömmlichen Methoden noch zeitgemäß sind. „Die Bootsbauer sind älter, es gibt kaum noch junge, die das weiterführen“, sagt Müller. „Wenn wir keine Transformation in diesem Bereich schaffen, wird der Beruf sterben. Es gibt kaum mehr Fachkräfte, aber Technologien, die vieles erleichtern.“