9. Die ersten Schritte zur Umstellung auf nachhaltige Geschäftspraktiken sind mit geringeren Kosten verbunden, als oft angenommen wird. „RMI hat vor Kurzem im Rahmen einer Studie die Möglichkeiten und Kosten der Reduzierung der Kohlenstoffemissionen aus grauer Energie für drei unterschiedliche Gebäudetypen quantifiziert“, berichtet Katie Ross, die bei Microsoft für den Bereich Global Real Estate Facilities and Sustainability zuständig ist. „Dabei wurde nachgewiesen, dass sich die Kohlenstoffemissionen aus grauer Energie um 19-46 % reduzieren lassen, wobei die Mehrausgaben weniger als 1 % betragen.“
10. Positiv zu vermerken sind auch die Impulse, die aus der Kooperation zwischen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern entstehen. „Der Privatsektor begrüßt politische Initiativen zur Formulierung, Kommunikation und Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen“, betont Joe Speicher, Head of Sustainability & Foundation bei Autodesk. „Unternehmen [brauchen] eindeutige Signale seitens der Politik“, meint auch Eliano Russo, Head of E-Industries bei Enel X. „Erst wenn politische Entscheidungsträger weltweit Nachhaltigkeit als echte Priorität begreifen, können wir wirklich etwas bewirken.“ Seiner Meinung nach haben Unternehmen einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung des politischen Willens in konkrete Maßnahmen zu leisten.
11. Dabei dürfe nicht verschwiegen werden, dass die Umstellung auf eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft mit realen, aber teilweise verborgenen Kosten verbunden ist, wie Didier Tshidimba, Senior Partner bei Roland Berger, betont. Als Beispiel nennt er Recycling-Verfahren für Plastikflaschen, die sowohl zusätzliche Kosten als auch zusätzliche Umweltbelastung verursachen können, wenn die falschen Werkstoffe verwendet werden. „Analog gilt das auch für Aluminium. Wir haben bereits mehrere Lieferanten ausfindig gemacht, die sich sehr intensiv mit der Wiederverwertung von Aluminium befassen … aber wir müssen das graduell hochskalieren, und momentan sind wir einfach noch nicht soweit.“
12. Die erfolgreiche Entkarbonisierung der gebauten Umwelt setzt voraus, dass das vorhandene technologische Potenzial tatsächlich genutzt wird. „Digitalisierung, Automatisierung, Sensoren, Datenanalyse … all diese Dinge müssen zusammenwirken, damit wir die nächste Stufe auf dem Weg in eine kohlenstoffneutrale Bauwirtschaft erreichen können“, so Scott Tew, Vice President of Sustainability bei Trane Technologies.
13. Als weiteren Schlüsselfaktor zur erfolgreichen Umsetzung von Klima- und Nachhaltigkeitszielen nennt Edward Kulperger, Senior Vice President für Europa bei Geotab, eine effizientere Datenverwaltung: „Der tatsächliche sozioökonomische Wert der Datensätze, die in den Bereichen Infrastruktur, Energie und Verkehr erfasst und ausgewertet werden, wird gegenwärtig nicht einmal annähernd realisiert.“
14. Damit einher geht der Appell an Gebäudevermieter, mehr Daten zur Verfügung zu stellen. Katie Ross von Microsoft berichtet von den Schwierigkeiten, Zugriff auf die relevanten Daten für angemietete Räumlichkeiten zu bekommen. Das Unternehmen gebe sich große Mühe, den Gebäudeeigentümern zu vermitteln, „dass wir dringend Daten zum Energie- und Wasserverbrauch sowie zur Entsorgung von Abfällen benötigen. Sobald wir diese Daten haben, können wir sie messen und auswerten, um auf die Reduzierung unserer Klimabelastung hinzuarbeiten.“
15. Tools wie der Embodied Carbon in Construction Calculator (EC3) zur Messung der Kohlenstoffemissionen aus grauer Energie können hier wichtige Anhaltspunkte geben. Mike Haigh von Mott MacDonald empfiehlt, bereits in den Planungsphasen unbedingt die Klimabelastung durch Kohlenstoffemissionen zu messen und entsprechende Problemstellen zu identifizieren. „In der Mehrzahl der Fälle findet man Alternativen, die nicht nur die Kohlenstoffemissionen, sondern auch die Kosten senken.“
16. Entkarbonisierung und Elektrifizierung spielen bei der Umstellung auf zukunftsfähige Geschäftspraktiken eine wichtige Rolle. Darüber dürfen jedoch andere Themen wie Resilienz, Kreislaufwirtschaft oder der verantwortungsbewusste Umgang mit Werkstoffen auf keinen Fall aus dem Blickfeld geraten. „Die Überlegung, wie sich ein Werkstoff entkarbonisieren lässt, ist ja gut und schön“, meint Haigh. „Sie muss jedoch einhergehen mit der Frage, ob sich dieser Werkstoff effizienter nutzen und verarbeiten lässt bzw. inwieweit es womöglich sinnvoller wäre, auf andere Werkstoffe umzusteigen.“
17. Die Realisierung einer kohlenstoffneutralen Bauwirtschaft ist nur eine Zwischenstufe auf dem Weg zum aktiven Klimaschutz. „Schon jetzt arbeiten wir an zahlreichen Bauprojekten, bei denen das Gebäude sogar aktiv Energie produziert“, berichtet Tomas Brannemo, Vice President und President, Building Solutions, bei Johnson Controls. Seiner Einschätzung nach ist hier mit einer weiter zunehmenden Nachfrage seitens innovativer Bauträger und Gebäudebetreiber zu rechnen.