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Innovation, auf die Sie bauen können: die 5 wichtigsten technologischen Entwicklungen für smarte Architekturbüros

technology architecture

Bevor das Flugzeug die Postkutsche ablöste, war die Zustellung von Briefen über weite Strecken ein monatelanger Prozess. Vor der Erfindung der Waschmaschine bedeutete das Wäschewaschen einen schweißtreibenden Knochenjob. Und bevor der Kran die Baubranche revolutionierte, nahm die Errichtung großer Bauwerke wie Schlösser oder Kathedralen Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte in Anspruch.

Kurz gesagt: Was auch immer man vorhat, fällt mit der richtigen Technologie einfach leichter.

Genau diese Grundidee hat sich das US-amerikanische Architekturbüro Perkins+Will zur Philosophie gemacht. Während viele Branchenkollegen hartnäckig an althergebrachten Arbeitsweisen festhalten, legt das Team von Perkins+Will einen beispiellosen Innovationsdrang an den Tag und testet konsequent neue Technologien. Das Ziel: die Entwicklung einfacherer, schnellerer und besserer Arbeitsmethoden für das Architekturgewerbe.

„Unser Leitsatz lautet ,Weshalb und wie?’“, erklärt Nick Cameron, Director of Digital Practice bei Perkins+Will. „Will heißen: Weshalb gehen wir auf eine bestimmte Art vor? Und wie können wir unsere Arbeitsweise weiter verbessern?“

Die Beantwortung dieser Fragen hat Perkins+Will im Laufe seines 82-jährigen Bestehens immer wieder dazu gebracht, innovative Technologien auszuprobieren und zu übernehmen. Zu den jüngsten Neuzugängen gehören etwa Big Data, Virtual, Mixed und Augmented Reality sowie generatives und computergestütztes Design. Auch Ihr Unternehmen kann aus diesen Experimenten lernen und so nicht nur neue Gelegenheiten beim Schopf packen, sondern auch etablierte Arbeitsroutinen durch neue Erkenntnisse bereichern.

1. Big Data: Ihr Frühwarnsystem

Perkins+Will arbeitet stets aktiv an mehr als 700 Projekten, wovon jedes einzelne wertvolle Informationen liefert, die Architekten ein effektiveres und effizienteres Arbeiten ermöglichen.

Im Vordergrund eines jüngst verwirklichten Big-Data-Projekts, in dessen Rahmen Perkins+Will eine datenbasierte Methode zur Risikobestimmung entwickelte, stand laut Cameron das Bemühen, Teams die Ermittlung und Verwertung dieser Informationen zu ermöglichen. Er vergleicht Architekturprojekte mit einer Arbeitswoche, in der zunächst alles glatt läuft − bis der Drucker am Freitagnachmittag plötzlich den Geist aufgibt. „Es ging uns darum, einen proaktiven Ansatz zu entwickeln, um schon zu Beginn der ,Woche‘ Prioritäten setzen und unsere Kapazitäten optimal einteilen zu können“, fährt Cameron fort. „Es ist eine Art Frühwarnsystem.“

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Eine von Perkins+Will entwickelte App filtert Revit-Modelle nach bestimmten Metriken, die auf Teams in Problemsituationen hindeuten können. Mit freundlicher Genehmigung von Perkins+Will.

Eine von Perkins+Will entwickelte App filtert Revit-Modelle nach bestimmten Metriken wie etwa erhöhten Dateigrößen, langen Synchronisationszeiten und einer hohen Anzahl an gleichzeitigen Nutzern, die auf Teams in Problemsituationen hindeuten können. Über ein grafisches Dashboard können Manager in Echtzeit nachverfolgen, welche Projekte besondere Aufmerksamkeit erfordern. Erfahren Sie, wie Perkins+Will Projektdaten erhebt und speichert

2. Social-VR: Multiplayer-Videospiele als Inspirationsquelle für virtuelle Realität

In einem typischen VR-Szenario trägt eine Person eine VR-Brille, während ein Raum voller Zuschauer das Geschehen am Bildschirm mitverfolgt“, so Iffat Mai, die bei Perkins+Will firmenweit für Entwicklungsaufgaben zuständig ist. Da Sehen und Erleben jedoch zwei verschiedene Paar Schuhe sind, entsteht eine gewisse Distanz zwischen der Person, die in die virtuelle Welt eintaucht, und den Kollegen, die lediglich von außen zuschauen können. „Es ist weitaus produktiver, ein ganzes Projektteam an der gleichen VR-Erfahrung teilhaben zu lassen, damit alle das gleiche Erlebnis teilen.“

Auf der Suche nach einer Möglichkeit, gleichzeitig mehrere Nutzer in ein einziges VR-Modell einzubinden, stieß Mai auf eine unerwartete Inspirationsquelle: Videospiele. „Mein Sohn spielt jeden Abend online Call of Duty mit seinen Freunden“, erklärt sie. „Wenn man zwanzig Spieler um ein Gebäude umherstreifen lassen kann, wieso sollte es dann nicht möglich sein, dieselbe Technologie auch für Architekturzwecke einzusetzen?“

Gesagt, getan: Anhand des Vorbilds von Online-Multiplayer-Spielen machte sich das Team von Perkins+Will an die Entwicklung einer „Social-VR“-Lösung. Wenn auch Sie Ihre Mitarbeiter in virtuellen Arbeitsumgebungen zusammenbringen möchten, können Sie es dem Unternehmen gleichtun. Importieren Sie hierzu zunächst über Revit ein BIM-Modell in eine Rendering-Software (zum Beispiel 3ds Max) und dann in eine VR-Entwicklungsplattform (zum Beispiel Unity). Mithilfe eines Plug-ins für die Programmierung von Multiplayer-Spielen wie etwa photon VR müssen Sie Ihr VR-Erlebnis anschließend nur noch netzwerkfähig machen, damit mehrere Nutzer gleichzeitig über die Cloud darauf zugreifen können.

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Ein Einblick in ein „Social-VR“-Projektmodell von Perkins+Will. Die Inspiration: Online-Multiplayer-Spiele. Mit freundlicher Genehmigung von Perkins+Will.

Wie Fei Xie, Bauplaner bei Perkins+Will in Boston, betont, lässt sich VR in den Anfangsphasen der meisten Projekte erstaunlich leicht implementieren. „Das liegt daran, dass für das Rendern der VR-Umgebung kein zusätzlicher Zeitaufwand erforderlich ist. Wenn man als Planer keine Erfahrung damit hat, stempelt man VR vielleicht vorschnell als zu ausgefallen und kompliziert ab, ohne den Nutzen darin zu erkennen.“ Wer hingegen wissenschaftlich an das Thema herangeht, betrachtet es Xie zufolge aus einer völlig anderen Perspektive: „Wenn man über ein Modell verfügt, weiß man, dass man nur den entsprechenden Rendering-Code eingeben muss, um die VR-Umgebung zu erstellen. Sie ist gewissermaßen vorprogrammiert.“ Perkins+Will erklärt in diesem Vortrag, wie Sie mithilfe von Revit, 3ds Max, Unity und photon VR Ihre persönliche Social-VR-Umgebung einrichten können.

3. Mixed Reality: Mit Headsets statt Entwürfen die Zukunft gestalten

Keine Frage: Virtuelle Realität bietet eine hervorragende Möglichkeit, geplante Räumlichkeiten noch vor ihrer Umsetzung zu erkunden. Doch wie lassen sich bestehende Infrastrukturen in einer virtuellen Umgebung darstellen? Hier kommt vermischte Realität − oder Mixed Reality (MR) − ins Spiel.

„Vermischte Realität bezeichnet buchstäblich die Vermischung der tatsächlichen Welt mit virtuellen Objekten, mit denen der Nutzer interagieren kann“, erklärt Michael Shyu, Architekt bei Perkins+Will in Boston. Früher, so erzählt er, mussten Architekten Baustellen mit einer Vielzahl von Entwürfen aufsuchen, um sich vor diesem Hintergrund auszumalen, wie ihre Ideen in der Realität aussehen könnten. Dank den Möglichkeiten vermischter Realität können Architekten ihre Entwürfe künftig im Büro lassen und stattdessen auf Headsets wie die Microsoft HoloLens zurückgreifen, um 3D-Modelle auf die reale Umgebung zu projizieren.

Um das Potenzial von Mixed Reality auf die Probe zu stellen, schuf das Team von Perkins+Will mehrere BIM-Modelle für einen leer stehenden Bereich über dem Büro des Unternehmens in Boston. Wie schon bei der Entwicklung der Social-VR-Plattform verfolgten die Mitarbeiter eine Optimierungsstrategie aus dem Videospielbereich, um die Modelle aus Revit in die HoloLens zu importieren. Das Ergebnis: eine MR-App, mit der Nutzer die leeren Räumlichkeiten im Rahmen einer immersiven Tour im wahrsten Sinne des Wortes begehen können. Shyu ist fest davon überzeugt, dass Unternehmen, die sich bereits jetzt mit der HoloLens-Technologie auseinandersetzen, künftig einen echten Wettbewerbsvorteil haben werden. „Vermischte Realität ist die Zukunft“, betont er. Lesen Sie das Präsentations- und Handout-Material von Perkins+Will zur Entwicklung eines MR-Erlebnisses.

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Die MR-App von Perkins+Will ermöglicht immersive virtuelle Besichtigungen geplanter Bauprojekte. Mit freundlicher Genehmigung von Perkins+Will.

4. Augmented Reality: Modelle im Taschenformat dank Smartphone

Wer sich angesichts der innovativen Planungsmöglichkeiten, die MR für Innenräume bietet, eine Alternative zur Gestaltung von Außenbereichen wünscht, für den lautet die Lösung Augmented Reality (AR). Bei dieser aufstrebenden Technologie kommen statt Headsets Mobilgeräte zum Einsatz, um virtuelle Elemente in die reale Umwelt zu integrieren.

Die Vorteile dieser Vorgehensweise verdeutlicht eine von Perkins+Will entwickelte Augmented-Reality-App namens AX, mit der Entwürfe in 3D betrachtet werden können, als handele es sich um physische Modelle. Mit der App ist es für einen Nutzer, der am anderen Ende der Welt in einem Meeting sitzt, zum Beispiel problemlos möglich, eine Miniaturversion des Naturhistorischen Museums in Shanghai über das Smartphone in den Konferenzraum zu projizieren und mit eigenen Augen zu bestaunen. Durch Zoomen lassen sich Details genauer betrachten, und es können sogar Screenshots gemacht und in sozialen Netzwerken geteilt werden. „Man kann sich das Ganze im Prinzip wie ein Modell im Taschenformat vorstellen“, so Chance Heath, Planer im Architekturstudio von Perkins+Will. (Zum wachsenden App-Sortiment von Perkins+Will gehört unter anderem auch VX, eine VR-App, die Architekten und Kunden die aktuellen Projekte des Unternehmens in einer virtuellen Umgebung erkunden lässt.)

Wenn auch Sie die Vorteile von Augmented Reality für sich entdecken möchten, bieten SDKs wie ARKit von Apple oder ARCore von Android eine einfache Lösung, das AR-Potenzial Ihres Smartphones zu entfalten. „Augmented Reality ist deshalb so großartig, da sie jederzeit über ein ohnehin allgegenwärtiges Gerät genutzt werden kann“, bringt es Shyu auf den Punkt. Lesen Sie das Präsentations- und Handout-Material von Perkins+Will zum Einsatz von AR bei der gemeinsamen Planungsarbeit.

5. Generatives Design: Mehr Gestaltungsfreiheit dank künstlicher Intelligenz

Neue und innovative Technologien setzen jedoch nicht nur im Hinblick auf die Darstellung von Entwürfen völlig neue Maßstäbe. Glaubt man den Erkenntnissen von Perkins+Will, so dürfen Architekten in Zukunft auch bei der Planung und Gestaltung auf technische Hilfsmittel zurückgreifen.

So nutzt generatives Design − auch bekannt als Computational Design − beispielsweise bei der Erstellung verschiedener Gestaltungsentwürfe künstliche Intelligenz. Architekten legen ihre Planungsziele, -vorgaben und -bedingungen fest und lassen die Daten anschließend vom Computer auswerten, der anhand maschineller Lernalgorithmen eine Liste mit möglichen Optionen zusammenstellt.

Im Jahr 2016, nicht lange vor der Einweihung unserer neuen, mithilfe von generativem Design konzipierten Niederlassung in Toronto, entwickelte das Team von Perkins+Will in Zusammenarbeit mit Autodesk einen experimentellen neuen Algorithmus namens Space Plan Generator (SPG), der bei der Planung zweier Krankenhausetagen zum Einsatz kam. Schon nach dieser ersten Erfahrung mit generativem Design gab es für das Architekturbüro keinen Zweifel, die perfekte Lösung für die Gestaltung gängiger Innenräume wie etwa Toiletten gefunden zu haben. „Da keines unserer Projekte ohne WC-Räume auskommt, bietet sich uns hier in meinen Augen die Gelegenheit, Computational Design standardmäßig in unsere Arbeitsweise zu integrieren“, so Cameron.

Seinem Kollegen Heath zufolge werden sich heutige Investitionen von F&E-Ressourcen in generatives Design zukünftig in Form von schnelleren Arbeitsabläufen und größeren gestalterischen Freiheiten bezahlt machen. „Der wahre Nutzen des generativen Designs liegt darin, dass uns mehr Zeit für tatsächliches Planen und Gestalten bleibt. Angenommen, es gelinge uns, die Gestaltung von Badezimmern oder langen Gängen vollständig zu automatisieren, dann könnten wir uns voll und ganz auf die Form und Funktion unserer Projekte konzentrieren.“

So darf sich die Architekturbranche von all diesen innovativen Technologien − ob VR, MR und AR, Big Data oder generatives Design − letztendlich vor allem eines erhoffen: nicht etwa weniger Arbeitsaufwand, sondern detailliertere und gezieltere Planungs- und Gestaltungsmöglichkeiten.

Über den Autor

Matt Alderton lebt und arbeitet in Chicago als freischaffender Publizist. Er hat sich auf Wirtschaftsthemen, Design, Ernährung, Reisen und Technologie spezialisiert. Unter anderem hat der Absolvent der Medill School of Journalism an der Northwestern University in Illinois bereits über Beanies, Mega-Brücken, Roboter und Hähnchen-Sandwiches berichtet. Er ist über seine Website MattAlderton.com zu erreichen.

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