Der Plan für einen neuen Skatepark rückt Londons öffentliche Räume ins Rampenlicht
Iain Borden skatet seit den 1970ern und die meisten Parks seiner Zeit sind längst geschlossen: verwaiste Pools mit kaputten Fliesen und Bowls aus altem Beton – Relikte aus einer vergangenen Zeit. Wie man diese historischen Flächen nutzen kann, beweist nun die Stadt London.
Manch ein Bauunternehmer liebäugelte damals mit dem Gedanken, Skateparks als Ski-Resorts oder Golfplätze der nächsten Generation zu vermarkten. Derartige Pläne, Skateboarding als glamourösen Freizeitspaß und lukrative Geschäftsidee ins Stadtgefüge zu integrieren, scheiterten jedoch an Exklusivität und hohen Versicherungskosten.
Doch jetzt entsteht eine neue Art von Skateparks auf dem Gelände des Queen-Elizabeth-Olympiaparks in London – einer Art der architektonischen Intervention, die die Landschaft, in die der Park eingebettet ist, transformiert. Ähnliche Skateparks gibt es mittlerweile auch in anderen Städten, wie im US-amerikanischen Portland (Oregon), im australischen Melbourne, in Augsburg oder auch bald in Scharbeutz.
Borden, der als Architekt und Professor für Stadtkultur am University College in London arbeitet und erst vor kurzem das Buch Skateboarding and the City: A Complete History veröffentlichte, dazu: „Man kann die Entstehung einer viel facettenreicheren und vielfältigeren Bandbreite an städtischen Flächen beobachten, die fürs Skateboarding genutzt werden“, berichtet Borden. „Das reicht von Mauerkanten, die nicht fürs Skaten vorgesehen, aber von jugendlichen Skatern als Obstacles genutzt werden, bis hin zum Stadion, das für mehrere Millionen für genau diesen Zweck gebaut wird.“
Skateparks machen Städte lebendiger
Initiiert von einer bunt gemischten Truppe aus Skateboardern, Stadtplanern, politischen Entscheidungsträgern und privaten Spendern wird hier nicht nur der städtische Raum, sondern auch die Bedeutung des Skateboardens betont. Durch die Umnutzung öffentlicher wie privater Räume kann so den Wohngegenden eine lebendige Jugendkultur verliehen und die Aufwertung strukturschwacher Stadtteile gefördert werden.
Im Vorfeld der Londoner Qualifikationsrunde für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio am 25. und 26. Mai bewertete Borden diese Entwicklung als „sehr vielversprechend“.
Parallel zum offiziellen Wettkampf in der Copperbox Arena im Rahmen der Welttournee der Street League Skateboarding (SLS) veranstaltete das Smithsonian Lemelson Center bereits zum siebten Mal das Innoskate-Festival im Queen-Elizabeth-Olympiapark. Hier werden Diskussionen auf Augenhöhe und Lernworkshops fürs Skateboarding geboten, sodass jeder mitmachen kann. Zu den Höhepunkten der diesjährigen Veranstaltung zählte das Design-Studio-Programm, das es den Besuchern ermöglichte, am Entwurf und der künstlerischen Gestaltung rund um Skateboarding und Skateparks teilzunehmen.
Laut Borden war es eins Hauptziele des Festivals, den Bezug der Bevölkerung von East London zum Skateboarding zu stärken, da die ortsansässigen Skater, Aktivisten und Vereine dort in den Gegenden um Wickside und Marshgate Terrace bereits öffentliche Orte zu selbstgebauten Skateparks umgestaltet hatten: „Das sind keine umfangreichen Maßnahmen gewesen – eine etwa 30 cm hohe Ledge, eine knapp einen Meter hohe Rampe – nur kleinere Anpassungen des städtischen Raums.“
Gleichzeitig hat das University College in London unweit der Copperbox Arena den Bau mehrerer neuer Forschungs- und Lehreinrichtungen in Auftrag gegeben. Wenn alles laufe wie geplant, so Borden, können das Innoskate-Festival und die damit verbundenen Flächen als Beweis dienen, dass öffentliche Orte, die nicht eindeutig nur fürs Skateboarding ausgewiesen sind, nicht nur den Sport an sich fördern, sondern auch anderen Nutzungen zuträglich sind, die für die körperliche Fitness oder die kreative Entfaltung wichtig sind – wie Rad- oder Rollerfahren oder Picknicken. „Eine der großen Stärken des Skateboardens ist es, Flächen temporär zwischenzunutzen, bis sie für größere Projekte erschlossen werden“, schildert Borden.
Andernorts ist bereits Größeres im Gange. In der Zeitschrift Urban Pamphleteer des University College in London erscheint demnächst ein Artikel zum Thema „Der Crystal-Palace-Skatepark: Vielfalt und Widerspruch“. Darin beschreibt Borden den Crystal-Palace-Skatepark, der einst verwahrlost war und nun von der Verwaltung des Großraums London für umgerechnet etwa 450.000 Euro neugestaltet wurde, als den „ersten Londoner Pool mit Fliesen und Beton-Coping seit 40 Jahren, der eine große Bowl für BMX-Fahrer und flachere Drop-Ins besonders für jüngere Skater beinhaltet“. Das Projekt wurde umgesetzt von der auf Skateparks spezialisierten Baufirma Canvas und den Landschaftsarchitekten von KLA und wurde von allen Seiten mit Lob bedacht, sogar von Lokalpolitikern und dem US-amerikanischen Skateboard-Profi Lester Kasai, der dem Park einen Besuch abstattete.
Ehemals Bingo-Halle, jetzt Indoor-Skatepark
Ein weiterer Skatepark, der F51 in Folkestone bei Dover, wurde vom britischen Architekturbüro Guy Hollaway Architects entworfen und von der Roger-De-Haan-Stiftung finanziert. Auf dem Gelände einer ehemaligen Bingo-Halle soll der weltweit erste mehrstöckige Indoor-Skatepark entstehen. Borden, der die Umsetzung in beratender Funktion begleitet hat, erläutert, dass dieses umgerechnet beinahe 16 Millionen Euro schwere Projekt drei wellenförmige Bodenplatten mit Betonbowls über einem Foyer im Erdgeschoss sowie ein Café, einen Boxring und ein Yoga-Studio umfasst. Der Skatepark ist Teil eines größeren Stadterneuerungsprojekts, um den Tourismus anzukurbeln und ein Kreativviertel in dieser krisengeschüttelten Hafenstadt in Kent zu gestalten.
Der Versuch, öffentliche Räume frei zugänglich zu machen, ist mit eheblichen Herausforderungen verbunden, da viele Orte, die in Frage kommen, massiv reparaturbedürftig sind. Trotzdem ist Borden überzeugt, dass die Entstehung skaterfreundlicher Umgebungen im Großraum London durchweg eine positive Entwicklung darstellt, die jungen Menschen mit diversen ethnischen und kulturellen Hintergründen neue Möglichkeiten gibt, sich kreativ zu entfalten und „eine weitere sichtbare Form der städtischen Kultur ins Rampenlicht zu rücken“.
„Und dann gibt es noch die Situationen, wenn Profis im Skatepark auftauchen. Natürlich wird sich jeder umdrehen, um einem Tony Hawk zuzuschauen, aber grundsätzlich hat im Skatepark jeder das gleiche Recht, ihn zu nutzen“, erklärt er. „Beim Skateboarding geht es darum, Hierarchien aufzulösen. Der beste Skateboarder ist bekanntlich derjenige, der den meisten Spaß hat.“
Das ist vielleicht auch der Grund, warum die geplante Sperrung und Neugestaltung des Londoner Southbank Undercroft – eines Geländes direkt zwischen der Queen Elizabeth Hall und der Themse, auf dem sich seit Jahrzehnten Skateboarder, BMX-Fahrer, Breakdancer und Graffiti-Künstler tummeln – eine solch effektive öffentliche Gegenbewegung auslöste. Die bloße Existenz des Parks stellte einen egalitären Gegenentwurf dar, der die Frage beantwortet, wie und für welche Bevölkerungsschichten moderne Großstädte geplant werden.
„Als den Skateboardern mit der Räumung des Undercroft-Parks gedroht wurde, gab es einen massiven Aufschrei in der Öffentlichkeit: 150.00 Menschen unterschrieben eine Petition, um das Skateboarding auf dem Gelände weiterhin möglich zu machen“, erzählt Borden. „Die Unterzeichner sagten einerseits: ‚Ja, wir wollen das Skateboarding behalten.‘ Aber insgeheim, glaube ich, sagten sie auch: ‚Wir wollen nicht, dass alle öffentlichen Orte genau gleich aussehen.‘“
„Man spricht in diesem Zusammenhang von der ‚Mallifizierung‘ des öffentlichen Raums“, fährt Borden fort. „Das bedeutet, dass immer mehr öffentliche Plätze privatisiert und zu Einkaufszentren, oder Shopping Malls, umgebaut werden. Dort darf man dann nicht mehr herumrennen, sondern nur langsam gehen, und nicht mehr körperlich aktiv sein. Man soll den Ort ‚konsumieren‘, indem man Dinge kauft: Man soll Klamotten kaufen, man soll einen Mocha Frappuccino bei Starbucks kaufen oder Sushi in der Running-Sushi-Bar. Klar, das finden alle toll, schön und gut, aber wir wollen, dass unsere öffentlichen Räume nicht darauf reduziert werden.“