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3 Prognosen, wie Roboter die Zukunft der Architektur bis in den Weltraum mitgestalten werden

Rendering of Mars Ice House

In Anlehnung an Le Corbusiers richtungweisende Aufsatzsammlung „Vers Une Architecture“ von 1923 – auf Deutsch zunächst 1926 unter dem Titel „Kommende Baukunst“, in neueren Auflagen dann als „Ausblick auf eine Architektur“ erschienen – blickt der Sammelband „Towards a Robotic Architecture“ zuversichtlich in die KI-gestützte Zukunft dieses Fachs. Unter Mitwirkung zahlreicher ausgewiesener Experten loten die Herausgeber Mahesh Daas, Dekan an der Fakultät für Architektur und Planung an der University of Kansas, und Andrew John Wit, Dozent für digitale Praxis an der Temple University in Philadelphia, Einsatzmöglichkeiten für Roboter und Künstliche Intelligenz (KI) in der architektonischen Gestaltung aus.

Die philosophischen Fragen, die die KI-Technologie aufwirft, faszinieren Daas schon seit langem. Wenn er mit seinen Prognosen recht behält, werden Roboter die menschliche Welt in naher Zukunft mitgestalten, mitbauen und mitbewohnen. „Wir erleben gerade den Anbruch eines neuen Zeitalters, in dem von uns erschaffene Lebewesen unter uns wandeln und wirken werden“, heißt es im ersten Kapitel des neuen Buchs. „Sie werden uns ungeahnte Möglichkeiten eröffnen, unsere Weltbilder infrage stellen und unser Verständnis der menschlichen Natur neu definieren. Diese tiefgreifenden Veränderungen werden sich auch auf die Architektur auswirken.“

robots in architecture pattern wall

Durch Einsatz von Robotertechnik lassen sich geometrische Komplexität, Werkstoffverhalten und Fertigungsmaßstäbe erreichen, die denen natürlicher Strukturen entsprechen. Mit freundlicher Genehmigung von Neri Oxman.Die digitale Fertigung umweltreaktiver Biowerkstoffe, die Einführung von Weichrobotern in Pflegeeinrichtungen, der Einsatz von Robotern zur Errichtung von Siedlungen auf dem Mars sind nur einige Facetten der Schönen Neuen Welt, die Daas, Wit und ihre Mitwirkenden hier vorzeichnen.

1. KI-basierte Gebäude nach dem Vorbild der Natur

„Roboterbasierte Gebäude, Möbel und Innenräume“, so Daas, stellten ein bislang unerschlossenes, aber vielversprechendes Forschungsgebiet dar: Gebäude also, die sich wie Roboter verhalten.

Mit der Entwicklung eines Machbarkeitsnachweis-Prototypen zum Einsatz lebendiger Strukturen in der digitalen Fertigung führt ein Forschungsprojekt im Rahmen der Mediated Matter Group am MIT Media Lab in Cambridge (Massachusetts) beispielhaft vor, wie sich der Weg dahin in der Praxis gestalten könnte.

Im Kapitel „Parametric Chemistry: Reverse Engineering Biomaterial Composites for Robotic Manufacturing of Bio-cement Structures Across Scales“ wird erläutert, wie dem Team unter Leitung von Neri Oxman, Joshua Van Zak und Jorge Duro-Royo durch Rekonfiguration von zwei Biopolymeren (Chitosan und Zellulose) eine „Feinabstimmung und Optimierung“ von Strukturen aus Biozement in Maßstäben gelang, die „in vielen Fällen denen natürlicher Strukturen entsprechen oder zumindest daran heranreichen“. Die Ergebnisse sind spektakulär, so etwa eine biologisch abbaubare, kanuförmige Gitterstruktur in Höhe eines zweistöckigen Gebäudes.

Das Neuartige an dem Projekt, so Daas, ist die Nutzung Künstlicher Intelligenz zur Nachahmung natürlicher Vorgänge und Eigenschaften. „Traditionell werden Werkstoffe als träge Masse betrachtet und gehandhabt“, erläutert er weiter. „Durch die computergestützte Anreicherung können sie intelligent auf ihre Umwelt bzw. auf ihren jeweiligen Anwendungszweck reagieren.“

2. Harmonische Zusammenarbeit zwischen Menschen und harmlosen Weichrobotern

Ob in der Werkhalle, im Haushalt, im Auto, im menschlichen Körper, ja selbst im Laufställchen: In vielen Einsatzbereichen sind Roboter längst allgegenwärtig. Sie sind unverzichtbarer Bestandteil digitaler Technologien, die von der Gebäudedatenmodellierung (BIM) über computergestützte Fertigung (CAM) und numerische Steuerung von Werkzeugmaschinen (CNC) bis hin zu 3D-Druck und Laserschneiden reichen und die architektonische Gestaltung und digitale Fertigung revolutioniert haben. Für die Zukunft prognostiziert Daas jedoch eine Entwicklung in eine andere Richtung – hin zu Weichrobotern, die weniger unverwüstlich sind und sich nicht mit derselben Präzision bewegen.

robots in architecture kid shaking robot hand

Daas glaubt, dass „Weichroboter“ natürlicher mit Menschen interagieren können.Diese „Weichroboter“ können natürlicher mit Menschen interagieren, meint Daas. Ihre Entwicklung stellt für ihn eine „interessante Vorstellung“ dar. „Wir stellen uns Roboter doch eher als harte Bauteile aus Metall vor, die mit hoher Geschwindigkeit und hohem Krafteinsatz agieren. Je häufiger sie jedoch mit Menschen und anderen Lebewesen in unmittelbaren Kontakt kommen, desto interaktiver werden Roboter arbeiten. Die Roboter der Zukunft können Ihnen die Hand schütteln, ohne sie zu zerquetschen.“

Mit der zunehmenden Entwicklung von Weichrobotern wird sich voraussichtlich auch ihre Arbeitsumgebung verändern. Sie werden nicht mehr – wie heute in den Werkhallen vieler Automobilhersteller üblich – in Käfigen eingesperrt sein, sondern sich inmitten ihrer menschlichen Kollegen und Kolleginnen freier bewegen können. „Stellen Sie sich die Welt eines Kleinkindes vor. Wie sieht sie aus? Weich, sehr viel nachgiebiger und weniger gefährlich. Ähnliche Schutzpolster werden wir auch in unsere Arbeitsumgebungen einbauen müssen.“

3. Architektonische Lösungen zur Besiedlung des roten Planeten

Die Zeiten, als der Einsatz von Robotern zur Errichtung menschlicher Siedlungen auf dem Mars als reine Spinnerei galt, sind vorbei. Inzwischen wird im Rahmen des von der NASA ausgeschriebenen Planungswettbewerbs für 3D-gedruckte Mars-Behausungen ernsthaft an entsprechenden Modellen gearbeitet. „Ohne Roboter kommen wir nicht auf den Mars“, so Daas. „Die einschlägigen Pläne zur Landung auf dem Planeten setzen eine intensive Beschäftigung mit diesen Technologien voraus.“

Das ehrgeizige Vorhaben zur Kolonisierung des roten Planeten, das SpaceX-Chef Elon Musk auf dem 67. Jahreskongress der International Astronautical Federation im mexikanischen Guadalajara der Öffentlichkeit vorstellte, sieht die Errichtung geodätischer Kuppeln aus Glasscheiben und Kohlenstofffaser-Gerüsten vor. Dieses Szenario hält Petr Novikov, Mitgründer und Leiter der FuE-Abteilung bei Asmbld, zumindest zunächst aufgrund der mit den Ressourcen verbundenen Kosten und anderer Faktoren für unrealistisch. Warum, das erläutert er im abschließenden Kapitel des Bandes, „Robotic Construction on Mars“.

Als weitaus vielversprechender könnte sich Novikov zufolge ein durchsichtiges, faserverstärktes iglu-artiges Eishaus erweisen, das von autonomen Eisrobotern im 3D-Druck hergestellt wird. Die Konstruktion, die unter dem Arbeitstitel „Project Mars Ice House“ bekannt ist, soll den Astronauten bei ihrer Ankunft auf dem Mars als bewohnbare Basis bereitstehen.

Mars Ice House
Schnittansicht des Mars Ice House. Mit freundlicher Genehmigung von Clouds Architecture Office (Clouds AO) and Space Exploration Architecture (SEArch).

Wie Novikov erläutert, sollen zwei unterschiedliche Robotertypen am Bau mitwirken. Zunächst werden halb-autonome sogenannte WaSiBos vorausgeschickt, die Eis und Mars-Regolith ausbaggern und ein Fundament sintern sollen. Anschließend drucken die Eisroboter die gesamte Struktur im additiven Fertigungsverfahren aus Eis-, Faser- und Aerogel-Schichten.

Selbst wenn die Mars-Besiedlung sich als unerreichbarer Wunschtraum erweisen sollte, ist Daas überzeugt, dass die dafür entwickelten und modellierten Gestaltungs- und Bauverfahren nach entsprechender Anpassung in rohstoffarmen Gegenden auf der Erde zum Einsatz kommen könnten.

Für noch wichtiger jedoch hält er die Kühnheit, derartige interplanetare Sprünge ins Ungewisse zu wagen. „Umwälzende technische Veränderungen werden immer mit enormen Ängsten konfrontiert – das war bei der Dampflok genauso der Fall wie beim Computer“, bekräftigt er. „Die aktuellen Ängste in Bezug auf Robotertechnik und KI fallen in die gleiche Kategorie. Angebrachter wäre es, diesen Technologien mit vorsichtigem Optimismus zu begegnen. Ohne die Bereitschaft, neue Wissensbereiche zu erschließen, lassen sich die globalen Herausforderungen, die uns bevorstehen, nicht bewältigen, und Robotertechnik sowie KI werden dabei eine entscheidende Rolle spielen.“

Über den Autor

Jeff Link ist preisgekrönter Journalist und setzt sich mit den Themen Technologie, Planung und Umwelt auseinander. Seine Arbeiten wurden unter anderem in Wired, Fast Company, Architect und Dwell veröffentlicht.

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