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Stuart Maggs von Scaled Robotics über Roboter auf Baustellen

Ein Bauroboter von Scaled Robotics. Mit freundlicher Genehmigung von Scaled Robotics.

Mit Technologie wird der Bau effizienter, ist sich der CEO Stuart Maggs von Scaled Robotics sicher. Durch die Automatisierung von Baustellen mithilfe von Robotern mit 3D-Druck-Kapazitäten will sein Unternehmen einen Beitrag zur Reduzierung von Verschwendung und Ineffizienz in einer notorisch innovationsreifen Branche leisten. Hier äußert er sich zu Fragen rund um den Einsatz der Robotertechnik im Bauwesen, zur Rolle technologischer Neuerungen in seiner eigenen Arbeit und zu seinen Hoffnungen für die Zukunft.

Redshift: Welche Rolle werden Technologie und Innovation für die Gestaltung der Zukunft des Bauwesens und der Robotertechnik spielen?
Stuart Maggs: Die Rolle der Technologie für die Zukunft der Baubranche ist kaum zu überschätzen. Wir sind an einem Punkt angelangt, wo die Werkzeuge und Arbeitsverfahren, die wir im Laufe der vergangenen hundert oder tausend Jahre entwickelt haben, einfach nicht mehr unseren heutigen Bedürfnissen entsprechen. Wir müssen nicht nur schneller arbeiten, sondern auch eine sehr viel höhere Qualität liefern als je zuvor – und momentan fehlen uns einfach die geeigneten Werkzeuge und Technologien dafür. Wer bessere und effizientere Infrastruktur errichten will, die den Ansprüchen genügen, die diese Generation bzw. das 21. Jahrhundert an die Baubranche stellt, braucht neue Werkzeuge und Fertigungsverfahren.

Stuart Maggs, CEO von Scaled Robotics. Mit freundlicher Genehmigung von Scaled Robotics.
Stuart Maggs, CEO von Scaled Robotics. Mit freundlicher Genehmigung von Scaled Robotics.

Warum stehen gerade Fertigungsverfahren im Zentrum dieser Evolution?
Ich selber komme ursprünglich aus der Architektur, und als Architekt ist man eben durch die Werkzeuge, die einem zur Verfügung stehen, total eingeschränkt – man denkt quasi innerhalb der Grenzen dieser Werkzeuge. Das heißt, man hat eckige Schalungen und Baugerüste, und deswegen plant man halt eckige Gebäude.

Die Ästhetik wird im Grunde von den Werkzeugen vorgegeben, und dadurch sind dem Vorstellungsvermögen sehr enge Grenzen gesetzt. Wenn man neue Werkzeuge entwickelt, schafft man sich plötzlich ganz neue Möglichkeiten, was sowohl die Arbeitsverfahren als auch die Planung und Gestaltung selbst angeht. Was wir derzeit in der Baubranche machen, ist quasi der Versuch, mit den technologischen Mitteln der 1950er ein iPhone zu bauen. Das kann einfach nicht klappen. Wir wollen zukunftsfähige Gebäude mit Technologien von vor mindestens 100 Jahren bauen – eigentlich eine ziemlich beängstigende Vorstellung.

Welche Technologie oder Innovation hat sich jeweils am stärksten auf Bauwesen und Robotertechnik ausgewirkt?
In der Baubranche hat gerade BIM ganz massive Veränderungen bewirkt. Dadurch stehen uns heute nicht nur große Mengen an Umgebungsdaten zur Auswertung bereit, sondern wir haben auch eine Plattform, auf der wir zusammenarbeiten und geeignete Tools bzw. Bauteile zusammenstellen können, um echte Fortschritte zu erreichen. Aus meiner Sicht ist BIM einfach phänomenal. Es wird viel zu wenig genutzt, aber es ist die unabdingbare Grundlage dafür, dass wir uns als Branche weiterentwickeln.

Was die Robotertechnik anbelangt, haben vor allem autonome Fahrzeuge Chancen für ein Unternehmen wie Scaled Robotics eröffnet. Unmengen von Geldern sind in die Entwicklung der autonomen Fahrtechnik geflossen, und davon profitieren wir jetzt in Form von kostengünstigen Sensoren, Algorithmen, Software und Know-how. Die technologischen Neuerungen, die in den Bereichen autonome Fahrtechnik und maschinelles Bildverstehen gemacht worden sind, lassen sich jetzt direkt auf die Baubranche übertragen. Statt bei null anzufangen, müssen wir die vorhandenen Technologien lediglich anpassen.

Wie werden sich die Berufsbilder im Bauwesen durch neue Technologien verändern?
Auf jeden Fall werden in Zukunft andere Kompetenzen gefragt sein. Mit den neuen Technologien ergeben sich auch neue Chancen, und es wird darum gehen, wer diese Chancen tatsächlich ergreift und das Ganze voranbringt. Datengestützte Ansätze werden sich im Bauwesen zunehmend durchsetzen, hoffentlich jedenfalls, und die Menschen werden sich verstärkt in diese Richtung orientieren.

Dennoch bin ich überzeugt, dass die traditionellen Kompetenzen, die im Bauwesen vorhanden sind, auf absehbare Zeit auch weiterhin eine Rolle spielen werden. Die interessantere Frage lautet meiner Meinung nach, wo die jeweiligen Stärken von Menschen und Robotern liegen und wie man diese möglichst produktiv miteinander vereinbart. Darin sehe ich den Kern der zukünftigen Entwicklung; es wird kein Entweder/Oder sein.

Welche Jobs werden Ihrer Meinung nach neu entstehen?
Roboterführer! [Lacht.] Wenn wir auf einer Baustelle einen Roboter vorführen, bemühen wir uns in der Regel, ihn nicht selbst zu steuern. Letztens waren wir auf einer Baustelle in den Niederlanden, und dort durfte eine Praktikantin in ihrem allerersten Job auf dem Bau mit gerade mal 19 Jahren einen Roboter kreuz und quer über die Baustelle steuern, um Daten zu erfassen, die sie dann durch Abgleich mit dem BIM-Modell auswerten konnte.

Roboter etablieren sich zunehmend auf Baustellen: ein Roboter von Scaled Robotics. Mit freundlicher Genehmigung von Scaled Robotics.
Roboter etablieren sich zunehmend auf Baustellen: ein Roboter von Scaled Robotics. Mit freundlicher Genehmigung von Scaled Robotics.

Wie hat sich die Branchenkonvergenz auf Ihr Unternehmen ausgewirkt – oder hat sie seine Existenz überhaupt erst ermöglicht?
Noch vor fünf Jahren hätte ein Unternehmen wie unseres in dieser Form gar nicht existieren können. Die Branche hat Riesenprobleme, so schlimm wie noch nie zuvor in der Geschichte des Bauwesens. Ihr fehlen sowohl hoch qualifizierte Fachkräfte als auch Arbeitskräfte allgemein. Dann gibt es Unternehmen, die mit Gewinnspannen von zwei bis drei Prozent wirtschaften. Die Branche weiß, dass sie so nicht weitermachen kann. Es gibt aber keinen Konsens darüber, mit welchem Wunderwerkzeug sich diese Probleme lösen lassen. Also hat man lauter Unternehmen, die plötzlich ein offenes Ohr für uns haben – vor fünf Jahren hatten sie das noch nicht.

Auf technologischer Seite wird momentan eben die Gebäudedatenmodellierung stark gefördert. In Großbritannien besteht bereits eine gesetzliche Verpflichtung für Bauunternehmer, und die Niederlande entwickeln gerade ein entsprechendes Rahmenwerk. Dadurch werden die Grundlagen für den nächsten Schritt geschaffen, nämlich die Implementierung der Robotertechnik. Mittlerweile wird in vielen Unternehmen sogar der Einsatz von Robotern bei der Errichtung von Gebäuden thematisiert. Das wäre noch vor fünf Jahren undenkbar gewesen, weil wir einfach nicht die erforderliche Technologie hatten, um das überhaupt zu versuchen.

Wie wird Ihrer Meinung nach die Zukunft des Bauwesens und der Robotertechnik in 25, 50 oder auch 100 Jahren aussehen?
Ich würde mir auf keinen Fall anmaßen, Voraussagen über die Zukunft beider Branchen in 100 Jahren zu treffen. Aber wenn ich gerade sehr optimistisch drauf bin, stelle ich mir vor, dass wir über die bloße Automatisierung existierender Fertigungstechniken hinausgehen. Die eigentlich spannende Frage ist doch: Was können Roboter, das Menschen nicht können, und welche neuen Fertigungstechniken werden dadurch ermöglicht, die wiederum neue Chancen für Planer, Architekten und Ingenieure eröffnen, Dinge herzustellen, die heute oder noch vor 100 Jahren undenkbar gewesen wären. Für mich wäre das die folgerichtige Entwicklung.

Welche Entwicklungen im Bauwesen und der Robotertechnik verfolgen Sie mit besonderer Spannung?
Es ist echt spannend zu sehen, dass Roboter zunehmend auf Baustellen zum Einsatz kommen und einen realen Mehrwert für Auftraggeber und Anwender schaffen. Das finde ich besonders deshalb so spannend, weil ich im Raum nebenan einen mobilen Roboter sitzen habe. Der wird auf eine Baustelle gehen und dort autonom arbeiten – eigentlich Wahnsinn!

Autodesk ist Partner vom Wissenschaftsjahr 2019 mit dem Fokus auf Künstliche Intelligenz (KI) und unterstützt damit die Initiative der Bundesregierung, den Blick für die Chancen in KI zu schärfen sowie die Herausforderungen dieses neuen Technologietrends zu thematisieren.

Über den Autor

Erin Hanson ist Managing Editor für Redshift und Senior Manager Content Planning & Operations bei Autodesk. Sie hat einen Abschluss der School of Journalism der University of Missouri und liebt Musik, gutes Essen, Wein und Grammatik (aber nicht unbedingt in der Rangfolge).

Profile Photo of Erin Hanson - DE