Das neue LIGHT-System: Mit Protonentherapie und CERNs Hadronen-Technologie gegen Krebs
Laut Schätzungen des US-amerikanischen Krebsforschungszentrums National Cancer Institute werden knapp 40 Prozent aller Amerikaner im Laufe ihres Lebens an Krebs erkranken. Der Weltgesundheitsorganisation zufolge ist Krebs weltweit für fast jeden sechsten Todesfall verantwortlich; damit ist er die zweithäufigste Todesursache überhaupt. Ohne jeden Zweifel: Krebs ist ein großes Problem.
Neben der Chemotherapie und der chirurgischen Entfernung von Tumoren zählt auch die Strahlentherapie (Radiotherapie) zum Arsenal der Onkologie. Etwa 40 Prozent aller Krebspatienten unterziehen sich einer solchen Behandlung. Dabei wird der Körper ionisierender Strahlung ausgesetzt, die mittels Röntgenphotonen bösartige Zellen zerstört. Derzeit bieten ca. 17.000 Kliniken weltweit eine Röntgenbestrahlung an.
Die herkömmliche Radiotherapie kann umliegendes Gewebe schädigen, weil die Strahlung im gesamten Strahlengang ionisierend auf den Körper wirkt. So kommt es zu den potenziell gravierenden Nebenwirkungen, die mit einer Krebsbehandlung einhergehen – zumal, wenn der Krebs sich in unmittelbarer Nähe eines lebenswichtigen Organs befindet. Das Proton, also das positiv geladene Teilchen eines Atomkerns, verspricht Abhilfe. Die Protonentherapie, die schon seit 1954 für die Krebsbehandlung verwendet wird, erlaubt es, präziser zu steuern, wo genau die Energie des Protons zur Zerstörung der Krebszellen freigesetzt wird.
Offensichtlich ist die Protonentherapie viel effektiver als die herkömmliche Strahlentherapie. Bislang kommt sie jedoch nur an etwa 65 Standorten weltweit zum Einsatz. Woran liegt das?
Den Nagel mit dem Vorschlaghammer einschlagen
Ebendiese Frage haben sich auch die Gründer von Advanced Oncotherapy gestellt. Das Unternehmen hat seinen Hauptsitz in London und beschäftigt 90 Mitarbeiter in Großbritannien, der Schweiz und den USA. Mit dem innovativen Protonentherapiesystem LIGHT läutet es eine neue Ära der Protonentherapie ein.
Für die Entwicklung dieses Systems hat Advanced Oncotherapy auf Forschung zurückgegriffen, die im Rahmen eines Programms am Genfer CERN betrieben wurde. In der Anfangsphase hat außerdem das Tochterunternehmen ADAM, ein Spin-off von CERN, entscheidende Impulse geliefert. Nicht umsonst sitzen 60 der bei Advanced Oncotherapy angestellten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in Genf. Laut David Navas, Vice President of Investor and Corporate Relations bei Advanced Oncotherapy, ist die ursprüngliche CERN-Technologie noch immer von unschätzbarem Wert für das Unternehmen. Er erklärt: „Für ADAM und Advanced Oncotherapy ist es von großem Nutzen, im Besitz einer Lizenz für eine CERN-Technologie zu sein, in die jahrzehntelange Erfahrung mit Teilchenbeschleunigern geflossen ist.“
Das Ziel des Unternehmens, 2020 den ersten Patienten mit seinem System zu behandeln, scheint angesichts der bisher erzielten Fortschritte durchaus erreichbar. Dass überhaupt noch in die Entwicklung einer Technologie investiert werden muss, die es doch schon seit den 1950ern gibt, hat zwei Gründe: Protonentherapie ist zu teuer und die technischen Hürden sind zu hoch. „Aktuelle Systeme basieren auf Zyklotronen oder Synchrotronen“, so Navas. „Konstruktionsbedingt unterliegen diese Arten von Beschleunigungssystemen gewissen Einschränkungen.“
Diese Systeme sind oft groß und schwer. Zudem müssen Fertigung und Installation unter streng kontrollierten (sprich: kostspieligen) Bedingungen erfolgen. Für die meisten Krankenhäuser ist es ein Ding der Unmöglichkeit, sich eine solche Anlage anzuschaffen, die gut und gerne die Größe eines Fußballfelds erreichen kann. Es gibt zwar auch kleinere Teilchenbeschleuniger, die jedoch die gleichen konstruktionsbedingten Unzulänglichkeiten aufweisen wie alle Zyklotrone und Synchrotrone. Unter anderem wird hier die Strahlenenergie zu langsam moduliert, als dass eine zielgenaue Bestrahlung möglich wäre. In jedem Fall wird ein speziell für diesen Zweck ausgelegtes Gebäude benötigt sowie zusätzlich der Teilchenbeschleuniger selbst, dessen Kosten – für einen Komplex mit mehreren Behandlungszimmern – schon für sich allein genommen die 100-Millionen-Euro-Marke überschreiten können. Das können sich viele Kliniken schlicht nicht leisten.
Neil Barker, Quality Manager bei Advanced Oncotherapy, erzählt von einem Fall, bei dem zuerst das Synchrotron errichtet werden musste und erst im Anschluss das Gebäude um die Anlage herum fertiggestellt werden konnte. „Damals stand kein 800-Tonnen-Kran zur Verfügung, daher musste die Installation mit zwei 500-Tonnen-Kränen gestemmt werden“, erinnert er sich.
Das System von Advanced Oncotherapy ist hingegen modular aufgebaut, zerlegbar und größen- und gewichtstechnisch optimiert. Laut Barker könnte ein normaler Bettenaufzug alle Bestandteile der Anlage bewegen und an den Montageort innerhalb der Klinik oder eines entsprechend ausgestatteten Gebäudes bringen. Denn das Unternehmen entwickelt keinen konventionellen ringförmigen, sondern einen linearen Teilchenbeschleuniger. Gegenüber einem ringförmigen Teilchenbeschleuniger bietet LIGHT, der weltweit einzige lineare Teilchenbeschleuniger für die Protonentherapie, einige Vorteile: Er kann kompakter angeordnet werden; er erfordert keine kostenintensive, komplexe Tieftemperaturkühlung; da die Streustrahlung verringert wird, kann die Abschirmung schwächer ausfallen; zudem lässt sich das Energieniveau schnell und vor allem pulsgenau ändern.
Die Physik des Körpers
Da der Weg, den ein Teilchen in einem ringförmigen Zyklotron oder Synchrotron zurücklegen kann, theoretisch unendlich lang ist, kann es nach und nach auf die gewünschte Geschwindigkeit beschleunigt werden. In einem linearen System indes muss eine kurze Strecke genügen, um das Teilchen auf das nötige Energieniveau zu bringen, bevor es in den Körper eindringt.
Dort angekommen, geben die Protonen die ionisierende Energie ab, kurz bevor sie zum Stillstand kommen (auch bekannt als Bragg-Peak). Indem man das Energieniveau der Protonen variiert, kann man den genauen Punkt bestimmen, an dem sie nahezu ihre gesamte Energie freisetzen. Sie zerstören dabei bösartige Zellen im Tumor, geben aber auf ihrem Weg dorthin kaum Energie ab, insbesondere nicht nach dem Bragg-Peak. Gesundes Gewebe bleibt so fast vollständig verschont, was zum einen die Lebensqualität während der Behandlung verbessert und zum anderen das Risiko von Langzeitnebenwirkungen senkt.
Das LIGHT-System von Advanced Oncotherapy ist standardmäßig nur knapp 24 Meter lang, was bei gleicher maximaler Energieleistung sogar noch einmal halbiert werden kann, wenn der Strahl auf halbem Weg gespiegelt wird. Der Beschleuniger erzeugt einen Protonenstrahl mit einer Energie von 230 Megaelektronenvolt, der 60 Prozent der Lichtgeschwindigkeit erreicht. Damit kann er sich mit bereits verfügbaren Technologien messen. Advanced Oncotherapy verwendet Autodesk Inventor und Vault für die Konstruktion von LIGHT, wobei viele begleitende Geschäftsprozesse von Autodesk Fusion Lifecycle gesteuert werden.
Systemübergreifende Behandlung
Es gehört sehr viel mehr zu einer Behandlung, als einfach nur den Teilchenbeschleuniger auszurichten und dem Patienten zu sagen, er möge bitte stillhalten. Bei jeder Behandlung ist eine Fülle komplexer Daten im Spiel. Dazu gehören zum Beispiel Behandlungspläne, Aufnahmen aus bildgebenden Verfahren, Informationen zu System-Management-Aktivitäten und Parameter wie die Protonenstrahlenergie. All diese Informationen und Daten müssen unter Einhaltung klinischer und behördlicher Auflagen sorgfältig überwacht und dokumentiert werden.
Es liegt dabei in der Verantwortung der Klinikbetreiber, sicherzustellen, dass die verschiedenen Systeme (Teilchenbeschleuniger, Bildgebungsgeräte, Behandlungsplanungssysteme etc.) nahtlos ineinandergreifen. „Radiologietechniker haben ziemlich komplexe Aufgaben zu erfüllen“, sagt Barker. „Sie müssen manuell dem Ablaufplan folgen und dabei für jeden Behandlungsabschnitt einen anderen Monitor im Auge behalten.“ LIGHT ist als sogenannte „schlüsselfertige“ Lösung ausgelegt, bei der die gesamte benötigte Hard- und Software im Lieferumfang enthalten ist.
Da Advanced Oncotherapy ein Gesamtpaket bereitstellt, bietet sich Fusion Lifecycle als ideale Lösung für die Speicherung und Verwaltung aller Dokumente an. Sie ermöglicht den reibungslosen Informationsaustausch zwischen Advanced Oncotherapy, den Zulieferern und dem beteiligten medizinischen Fachpersonal.
„Der Bildschirm liefert Ihnen jederzeit grundlegende Informationen zu Patienten, zu anderen Ärzten etc.“, erklärt Barker. „Dann führt der Bildschirm, der von Aufgabe zu Aufgabe schaltet, den Arzt durch die Behandlung, indem er ihm jeweils nur den aktuellen Behandlungsschritt anzeigt. So wird vermieden, dass der Arzt im Behandlungszimmer zu vielen visuellen Informationen auf einmal ausgesetzt ist. Gleichzeitig erleichtert es ihm die Arbeit, weil er immer nur genau den Teil des Ablaufplans sieht, der für ihn gerade relevant ist. Die Software überprüft dabei jede Interaktion und reduziert so die Fehleranfälligkeit. Für den Arzt bedeutet das eine enorme Entlastung.“
Das ist auch gut so, denn in Zukunft werden Ärzte diese Therapie bei immer mehr Patienten anwenden. Aktuellen Prognosen zufolge wird nämlich das globale Marktvolumen für Protonentherapie bis 2025 auf 2,88 Milliarden US-Dollar (ca. 2,44 Milliarden Euro) anwachsen, und das obwohl sie bisher aufgrund der Behandlungskosten nur eingeschränkt eingesetzt worden ist. Bei einer rein wirtschaftlichen Betrachtung der Zahlen geht die Kosten-Nutzen-Rechnung oft nicht auf. Wenn aber der lineare Protonenbeschleuniger von Advanced Oncotherapy, der zum einen erschwinglich ist und zum anderen mit seiner einzigartigen Bedienbarkeit und Funktionalität technische Hürden abbaut, hält, was er verspricht, kann sich das Blatt schon bald wenden. Und ein Wandel kann gar nicht schnell genug kommen, wenn es darum geht, endlich den Krebs zu besiegen und mehr Leben zu retten.