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Warum Produktfertigungsinformationen zu jedem 3D-Modell dazugehören

Produktfertigungsdaten (PMI) unterstützen die Digitalisierung und Automatisierung sämtlicher Arbeitsabläufe in der Fertigung vom Produktdesign bis hin zur Bemusterung. Mit freundlicher Genehmigung von Xometry.
Produkt- und Fertigungsinformationen (PMI) unterstützen die Digitalisierung und Automatisierung sämtlicher Arbeitsabläufe in der Fertigung von der Konstruktion bis hin zum fertigen Bauteil. Mit freundlicher Genehmigung von Xometry.

Der Mythos vom Entwurf eines Stararchitekten, der mit einer auf eine Serviette gekritzelten Idee begann, ist und bleibt faszinierend. Von der Idee bis zur Einweihung des Gebäudes liegen jedoch zahlreiche Planungsschritte – schließlich würde niemand auf den Gedanken kommen, ein derartiges Projekt ohne vernünftigen Bauplan anzugehen. Von Fertigungsbetrieben hingegen wird allzu oft erwartet, dass sie die Vorstellungen des Produktdesigners auf der Basis unvollständiger technischer Vorgaben umsetzen.

Zum Glück geht es jedoch auch anders. Zur Unterstützung des Fertigungssystems lassen sich Produkt- und Fertigungsinformationen (PMI) direkt im 3D-Modell eintragen. Dazu braucht der Auftraggeber nur eine Datei bereitzustellen, in der sämtliche erforderlichen Informationen enthalten sind. Auf Basis dieser kann das System dann Kosten und Durchlaufzeiten berechnen und das Produkt entsprechend den technischen Vorgaben fertigen.

In der Praxis geschieht das in den seltensten Fällen, wie Ryan Kelly, Leitender Produktmanager bei Xometry, aus Erfahrung weiß. Normalerweise können Fertigungsbetriebe froh sein, wenn sie vom Konstrukteur ein 3D-Modell und eine oder mehrere PDFs mit mehr oder weniger präzisen und vollständigen technischen Angaben erhalten.

Beispiel eines von Xometry im 3D-Druck gefertigten Metallteils. Credit: Xometry.

 

Beispiel eines von Xometry im 3D-Druck gefertigten Plastikteils. Credit: Xometry.

Beispiel eines von Xometry im CNC-Fräsverfahren gefertigten Werkstücks. Credit: Xometry.

Beispiel eines von Xometry im Spritzgussverfahren gefertigten Werkstücks. Credit: Xometry.

Xometry ist ein Anbieter für On-Demand-Fertigungsleistungen mit Sitz in Gaithersburg im US-Bundesstaat Maryland. Das Leistungsspektrum umfasst 3D-Druck, CNC-Fräsen, Blechstanzen und Spritzgussverfahren – Fertigungsmethoden, bei denen aus digitalen Daten analoge Produkte entstehen. Zur Vermeidung menschlicher Denkfehler sollte die Fertigung dabei im Idealfall auf der Grundlage von CAD-Daten erfolgen, welche die Abmessungen und Produkteigenschaften definieren.

„Wir bearbeiten Monat für Monat Tausende von Kundenanfragen“, so Kelly. „Kunden, die unsere Plattform nutzen wollen, müssen 3D-Modelle hochladen. Weniger als fünf Prozent machen dabei in vollem Umfang von der Option zur Angabe von PMI-Daten Gebrauch.“

Eine funktionsgerechte Fertigung setzt voraus, dass Informationen wie Form- und Lagetoleranzen, Oberflächenbeschaffenheit usw. genau definiert sind. Um Fehlinterpretationen infolge von mündlichen oder schriftlichen Abstimmungen zwischen den Projektmitarbeitern zu verhindern, sollten die Systeme möglichst direkt miteinander kommunizieren.

„Es ist doch unsinnig, zwei unterschiedliche Datenartefakte für ein und dasselbe Werkstück zu erstellen“, findet Kelly. „Das 3D-Modell ist schließlich nicht nur ein Hilfsmittel zur Visualisierung. Wenn man die Form- und Lagetoleranzdaten und weitere PMI mit dem Modell verbindet, hat man eine einheitliche Datenquelle. Die Vorteile liegen auf der Hand.“

Zur Analyse von 3D-Modellen und sofortigen Angebotserstellung mitsamt Feedback, Preis und Lieferfristen hat Xometry ein Softwareprogramm namens Instant Quoting Engine entwickelt. Mit freundlicher Genehmigung von Xometry.
Xometry hat ein Softwareprogramm namens Instant Quoting Engine entwickelt, welches 3D-Modellen analysiert und sofort Feedback zu Preis und Lieferfristen bietet. Credit: Xometry.

Kellys Kritik richtet sich keineswegs nur an Kleinkunden. „Einige der technisch fortschrittlichsten Unternehmen schicken uns ein 3D-Modell und eine PDF-Datei mit ein paar vagen Informationen und sagen: ‚Macht uns mal ein Angebot dafür‘“, erzählt er.

Je mehr Informationen im 3D-Modell hinterlegt sind, desto präziser bildet es die Vorstellungen des Konstrukteurs ab. Der Fertigungsbetrieb benötigt diese Informationen, um die technische und wirtschaftliche Machbarkeit des Produkts gemäß den Kundenanforderungen beurteilen zu können: Lässt sich dieses Produkt tatsächlich in der gewünschten Anzahl und Qualität unter Einhaltung der Termin- und Budgetvorgaben fertigen?

Das volle Potenzial der digitalen Fertigung lässt sich nur ausschöpfen, wenn CAD-Programme mit dem System des Fertigungsbetriebs kompatibel sind. „Das Konstruktionsprogramm muss mit dem Fertigungsprogramm kommunizieren, und das funktioniert nur, wenn sich die Einbettung von PMI-Daten allgemein durchsetzt“, betont Kelly.

Die Angabe von PMI-Daten entspricht ISO- und ANSI-Normen. „Alle großen CAD-Software-Anbieter haben das bereits umgesetzt und bieten benutzerfreundliche Funktionen zur Angabe dieser Daten an“, so Kelly. „Sie werden von den Konstrukteuren bloß nicht genutzt.“

Woran könnte das liegen? „Ein Zuviel an Informationen kann zum Problem werden, wenn man sich nur die Renderings anschaut, anstatt mithilfe der Software mit ihnen zu interagieren“, meint Kelly. „Daten auf dem Stand des 21. Jahrhunderts werden mit Techniken aus dem 20. Jahrhundert ausgewertet.“

Tatsächlich sind die meisten einschlägigen Softwareprogramme in der Lage, PMI-Daten mehrschichtig anzuordnen und unterschiedlichen Zielgruppen nur die jeweils relevanten Angaben anzuzeigen. „Die einzelnen Datenkonsumenten sehen genau die Informationen, die jeweils für ihre Arbeit von Bedeutung sind, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, in dem sie benötigt werden“, erläutert Kelly.

CAD-Software ist in der Lage, während der Zeichnungserstellung Informationen zu erstellen. Aber diese Daten sind keine PMI, bis der Konstrukteur sie bestätigt. Eine Bohrung mit 25 mm Durchmesser ist erst spezifiziert, wenn der Konstrukteur dies ausdrücklich angibt.

In nicht allzu ferner Zukunft soll Künstliche Intelligenz die Fertigung steuern und die Attribute von Produkten in Augmented-Reality getestet werden. Beides ist ohne PMI nicht möglich.

Teilweise ist es einfach eine Frage der Gewohnheit, dass sich viele Konstrukteure immer noch gegen die Verwendung von PMI-Daten sträuben. „Wir haben es weniger mit einer technischen als vielmehr mit einer kulturellen Herausforderung zu tun“, glaubt Kelly. „Das gilt für Fertigungsbetriebe genauso wie für Softwareanbieter, die schließlich ein Interesse daran haben, dass die Funktionen, die sie bereitstellen, von den Kunden auch genutzt werden.“

In diesem Screenshot aus Autodesk Inventor sind in der rechten Spalte PMI-Daten zu Oberflächenbeschaffenheit (Rauigkeit) und Toleranzen zu sehen. Mit freundlicher Genehmigung von Xometry.
In diesem Screenshot aus Autodesk Inventor sind in der rechten Spalte PMI-Daten zu Oberfächengüte (Rauigkeit) und Toleranzen zu sehen. Credit: Xometry.

Laut Kelly befinden sich viele Branchen immer noch im Übergang von der papiergestützten zur vollautomatischen Planung mit 3D-Modellen. Die betreffenden Unternehmen legen Wert auf Agilität in ihren Lieferketten, um das Potenzial technischer Innovationen nutzen und schnell auf Änderungen reagieren zu können. Werden die verfügbaren technischen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft, ist das herausgeschmissenes Geld.

„Bei der Kommunikation zwischen Konstruktion und Fertigung geht es immer wieder um Themen wie ‚Die Zeichnung entspricht nicht dem CAD-Modell‘“, seufzt Kelly. „Ich möchte wetten, dass viele Unternehmen ihren Fertigungsdurchlauf um zehn Prozent oder noch mehr beschleunigen könnten, wenn sie ausschließlich mit modellbasierten Vorgaben arbeiten würden.“

Als Beispiel führt er die Bauindustrie an, wo sich die Projektkosten in mehrstelliger Millionenhöhe bewegen und die Papierpläne weitgehend der Vergangenheit angehören.

„Die Verantwortungsbereiche sind eindeutig abgegrenzt“, so Kelly. „Architekt, Bauingenieur und Bauleiter müssen genau wissen, wer wofür verantwortlich ist bzw. haftbar gemacht werden kann. Manchmal haben sie zwar noch Baupläne auf Papier, aber in den meisten Fällen wird mit Tablets gearbeitet, um zu gewährleisten, dass die Modelle immer auf dem aktuellen Stand sind.“

Im produzierenden Gewerbe sind die Erwartungen hingegen anders gelagert. Einzelpersonen sind nur begrenzt haftbar; der Ingenieur in einer Autofabrik fühlt sich in der Regel nicht persönlich für das gesamte Projekt verantwortlich, sondern allenfalls für die Montagehalterung, deren Fertigung in seinen unmittelbaren Aufgabenbereich fällt.

Am stärksten hat sich die Angabe von PMI-Daten bislang in vertikal integrierten Unternehmen durchgesetzt, die einerseits ein hohes Maß an Kontrolle über ihre Lieferketten haben und andererseits Ingenieuren die Möglichkeit bieten, die Vorteile der Automatisierung von Planungs- und Fertigungsabläufen auszuloten. Dazu zählen sowohl branchenführende Großkonzerne als auch kleinere Start-ups, die ihre Lieferketten von Anfang an automatisiert haben.

Xometry bietet die Auftragsfertigung benutzerdefinierter Werkstücke im 3D-Druck, Blechstanz- (siehe abgebildetes Beispiel), Spritzguss- und CNC-Fräsverfahren an. Mit freundlicher Genehmigung von Xometry.
Xometry bietet die Auftragsfertigung benutzerdefinierter Werkstücke im 3D-Druck, Blechstanz- (siehe abgebildetes Beispiel), Spritzguss- und CNC-Fräsverfahren an. Credit: Xometry.

„Große Traditionsunternehmen mit festgefahrenen Abläufen auf Papierbasis tun sich mit der Umstellung am schwersten“, berichtet Kelly. „Möglicherweise liegt es auch daran, dass die Anreize falsch gesetzt sind.“

Rein softwaretechnisch gesehen ist PMI ein global kompatibles Format. Welche Maßnahmen sind also noch erforderlich, um seine allgemeine Akzeptanz zu fördern? Kelly erhofft sich neue Impulse ausgerechnet von staatlicher Seite.

„Im US-Verteidigungsministerium hat man die Bedeutung von PMI-Daten längst begriffen, insbesondere bei einer Teilstreitkraft wie der Navy, die an sehr großen und komplexen Projekten beteiligt ist“, erläutert er. „Eine große, finanziell gut ausgestattete staatliche Behörde könnte die standardmäßige Einführung von PMI-Angaben durchaus zur Voraussetzung für die Auftragsvergabe machen.“