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Klimaschutz: Warum negative Emissionstechnologien alternativlos sind

Häuser bei Strumflut: Können negative Emissionstechnologien helfen?

  • Nach dem aktuellen Forschungsstand reicht die Reduzierung der zukünftigen CO₂-Emissionen nicht aus, um die Klimaschutzziele zu erreichen – ergänzend ist ein massiver Ausbau der bisherigen Maßnahmen zur Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre unbedingt erforderlich  
  • Vielversprechende Innovationen in unterschiedlichen Bereichen der negativen Emissionstechnologien wie Biokohle, Biomass Carbon Removal and Storage (BiCRS), Direct Air Capture (DAC) und Mineralisierung geben Anlass zur Hoffnung
  • Mit staatlicher und privatwirtschaftlicher Förderung können diese Technologien den Weg in eine dekarbonisierte Zukunft weisen

Um die bevorstehende Klimakatastrophe abzuwenden, reicht es nicht aus, die Emissionen zu reduzieren. Mehrere Wellen klimabedingter Katastrophen (Überschwemmungen im Nordosten der USA, Südkorea und mehreren europäischen Ländern, das erste Todesopfer bei einem Tornado in Delaware seit 40 Jahren und Waldbrände in Kanada, die den Himmel über weiten Teilen Nordamerikas mit Rauch bedecken) sowie die wärmsten Jahre seit Beginn der Temperaturmessungen sind unübersehbare Vorboten einer globalen Katastrophe, die wir unbedingt verhindern müssen. 

Diese Chance besteht nach Meinung der Experten nur, wenn es gelingt, den globalen Temperaturanstieg unter 1,5 Grad Celsius zu halten. Dies setzt voraus, dass die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf nahezu null gesenkt werden. Trotz erheblicher positiver Impulse sind wir derzeit weit davon entfernt, dieses Ziel zu erreichen. Schuld daran sind u. a. sogenannte „Hard to abate“-Branchen – darunter Architektur, Ingenieurwesen, Bau und Gebäudebetrieb (AECO) – mit besonders energieintensiven Prozessen, die bei der Raffination, dem Transport, dem Bau und dem Betrieb von Projekten enorme Kohlenstoffemissionen verursachen. Die vielen Tonnen Stahl und Beton, die für Gebäude und Infrastrukturen produziert werden, und die Notwendigkeit, diese schweren Materialien über große Entfernungen zu transportieren, sind ein Grund dafür, dass die AECO-Branchen zu den größten Verursachern von Kohlenstoffemissionen in der Wirtschaft zählen.

Die Dekarbonisierung dieser Branchen ist nicht über Nacht möglich, sodass bis dahin weiterhin Emissionen in die Atmosphäre gelangen werden. Das Erreichen der Klimaziele kann daher nicht einfach durch die Reduzierung künftiger Emissionen erreicht werden. Laut einem im März 2023 veröffentlichten Bericht des Weltklimarats (IPCC) ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass sich die globalen Temperaturen auf 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau halten lassen, ohne die Gigatonnen von CO2 zu entfernen, die sich bereits in der Atmosphäre befinden. Der einzige nachhaltige Weg in die Zukunft ist ein „Sowohl als auch“-Ansatz, der die Verringerung künftiger Treibhausgasemissionen mit der gezielten Förderung eines lebenswichtigen, aber bisher noch unterentwickelten und unterinvestierten Sektors verbindet: der Entwicklung und Anwendung negativer Emissionstechnologien zum CO2-Abbau.

Was ist CO2-Abbau und warum ist er unverzichtbar?

Luftaufnahme eines Autobahnkreuzes
Bäume binden Kohlendioxid auf natürliche Weise.

Unter CO2-Abbau versteht man den Prozess der Bindung und dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid, das sich bereits in der Atmosphäre befindet. Dies kann durch natürliche Prozesse wie die Photosynthese erfolgen oder aber durch technische Eingriffe, z. B. durch Abscheider, die Kohlendioxid aus der Umgebungsluft binden. In beiden Fällen besteht das Ziel darin, die Uhr zurückzudrehen und Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen, um die Auswirkungen des globalen Temperaturanstiegs zu verhindern. 

CO2-Abbau darf auf keinen Fall als Ersatz für Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen missverstanden werden. Es ist von entscheidender Wichtigkeit, Investitionen in Technologien zu priorisieren, die zu einer umfassenden Dekarbonisierung der Wirtschaft führen. Ebenso dringend ist jedoch der Ausbau von Lösungen, die Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen und speichern. Im Klartext heißt das: Es muss quasi aus dem Nichts eine völlig neue Branche für den CO2-Abbau entstehen.

Gegenwärtig macht der Sektor des CO2-Abbaus einen verschwindend kleinen Teil der Weltwirtschaft aus und repräsentiert einen Markt im einstelligen Milliardenbereich. Eine erfolgreiche Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen würde bedeuten, dass der CO2-Abbau zu einem Billionen-Sektor wachsen muss, etwa in der Größenordnung des heutigen Öl- und Gassektors. Diese beschleunigte Skalierung erfordert beträchtliche Investitionen und Innovationen seitens der Unternehmen sowie die Unterstützung des öffentlichen Sektors, um dieses Wachstum zu fördern und Risiken zu verringern. 

Bisher erfolgt der CO2-Abbau größtenteils durch konventionelle und natürliche Prozesse wie die Kohlenstoffspeicherung in Bäumen. Technische bzw. von Menschen entwickelte Methoden machen nur einen Anteil von 0,1 % aus. Insgesamt muss die Branche zum Erreichen der Klimaziele um das 1.300-Fache wachsen. Die Schätzungen variieren, liegen aber grob zwischen 5 und 16 Milliarden Tonnen CO2, die bis 2050 pro Jahr aus der Atmosphäre entfernt werden müssen. (Zum Vergleich: Die USA allein haben 2021 Treibhausgasemissionen in Höhe von 5 Milliarden Tonnen verursacht.) Der CO2-Abbau muss von Tonnen auf Gigatonnen pro Jahr hochskaliert werden – und zwar innerhalb eines Zeitrahmens, in dem er einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann.

Herausforderungen beim CO2-Abbau

Ein Mann steht vor einem großen Bildschirm, auf dem Daten zur Energieerzeugung angezeigt werden.
Der Ausbau des CO2-Abbaus ist mit aufsichtsrechtlichen und technischen Herausforderungen verbunden, die die Entwicklung neuer Kompetenzen erforderlich machen.

Der erforderliche Ausbau des CO2-Abbaus ist mit beträchtlichen Herausforderungen teils aufsichtsrechtlicher, teils technischer Natur verbunden.

Die Mess-, Überprüfungs- und Berichterstattungsstandards müssen sich weiterentwickeln, um das Vertrauen in die Branche zu gewährleisten. Es müssen Fort- und Weiterbildungsangebote aufgebaut werden, um sicherzustellen, dass die erforderlichen Kompetenzen und Fähigkeiten vorhanden sind. Märkte für die Bewertung und den Handel entsprechender Lösungen müssen entstehen, damit Kapital in die Entwicklung und den Vertrieb zielführender Ansätze fließen kann. Das aus der Atmosphäre entfernte Kohlendioxid muss sicher und dauerhaft gelagert werden. Und es bedarf der Entwicklung völlig neuer Regulierungs- und Genehmigungsverfahren, um sicherzustellen, dass der CO2-Abbau auf gerechte Weise erfolgt und den am stärksten vom Klimawandel betroffenen Orten und Bevölkerungsgruppen zugutekommt. Dabei liegt es in der Verantwortung der Politik, neue Parameter für Effizienz, Wirksamkeit, Zeitrahmen und mehr festzulegen. 

Die aktuell wohl dringlichste Herausforderung ist die Notwendigkeit zur Entstehung eines echten Markts – um weitere Investitionen anzulocken, muss die Branche eine starke Nachfrage nachweisen können. Sammelbestellungen von Kunden aus dem Privatsektor oder politische Veränderungen, die diese Technologie erfordern, könnten eine solide Grundlage für diesen entstehenden Markt bilden.

Vielversprechende Ansätze zum CO2-Abbau

Positiv ist zu vermerken, dass es natürliche Systeme gibt, die CO2 im Rahmen des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs der Erde binden. Wissenschaftler und Unternehmer können von diesen Systemen lernen, um Lösungen auf den Weg zu bringen und zu erweitern, die diese natürlichen Prozesse entweder direkt nutzen oder völlig synthetische Entsprechungen entwickeln.

Ein Mangrovenwald.
Aufgrund ihrer Fähigkeit, große Mengen a CO2 zu binden, ist das Pflanzen von Bäumen ein bewährtes Mittel im Kampf gegen den Klimawandel.

Aufforstung

Bäume und Pflanzen binden große Mengen an CO2, und das Pflanzen von Bäumen wird seit langem als Mittel zur Bekämpfung des Klimawandels eingesetzt. (Zusätzlich könnte die Umstellung auf Holzwerkstoffbau die Nachfrage nach einem wirksamen Kohlenstoffspeicher ankurbeln.) Sobald diese Biomasse jedoch abstirbt, zerfällt sie und setzt den gebundenen Kohlenstoff wieder frei. 

Ein möglicher Ansatz zur Verhinderung dieser Freisetzung wäre die genetische Veränderung von Pflanzen: Forschende haben bereits Wege gefunden, Reispflanzen mithilfe von Künstlicher Intelligenz genetisch so zu verändern, dass ihre Wurzeln gerade nach unten wachsen, anstatt sich horizontal auszubreiten. Da diese Wurzeln tief in den Boden reichen, können sie sich nicht zersetzen und beim Verrotten Kohlenstoff in die Atmosphäre freisetzen.  

Biokohle in einer Schubkarre.
Biokohle, die häufig aus Landwirtschaftsabfällen hergestellt wird, speichert CO2 aus der Atmosphäre über Jahrhunderte und nährt den Boden.

Biokohle

Biokohle wird aus einer Vielzahl biotischer Stoffe hergestellt, insbesondere aus Landwirtschaftsabfällen (Reisschalen, Nussschalen usw.), die bei Erhitzung auf hohe Temperaturen in einer sauerstoffarmen Umgebung ein kohlenstoffreiches, kohleähnliches Material bilden. Biokohle ist sehr stabil, sodass der Kohlenstoff für Hunderte oder Tausende von Jahren gespeichert werden kann. Wird sie unter der Erde vergraben oder um Pflanzen herum ausgestreut, hat das den doppelten Vorteil, dass CO2 für Hunderte von Jahren gespeichert bleibt, was wiederum den Boden nährt und den Bedarf an Düngemitteln verringert. Biokohle wird bevorzugt aus Lebensmittelabfällen aus Haushalten oder Restaurants hergestellt, kann aber aus fast jedem biotischen Material gewonnen werden: Holz, Laub, sogar Tierdung.  Applied Carbon setzt KI-gestützte Roboter ein, um Biokohle in den Boden einzubringen.

Ein Mitarbeiter von Heirloom Carbon Technologies hält eine Butanfackel
Heirloom Carbon Technologies arbeitet an der Entwicklung einer kosteneffizienten, skalierbaren Lösung zum CO2-Abbau durch direkte Luftabscheidung.

Direct Air Capture (DAC)

DAC-Anlagen leiten Luft durch kohlenstoffabscheidende Stoffe. Die Orca-Anlage von Climeworks, deren Pilotprojekt mit geothermischer Energie in Island betrieben wird, ist die erste kommerziell erhältliche DAC-Anlage. Ventilatoren saugen Luft an und leiten sie über einen porösen Stoff, der CO2 an seiner Oberfläche bindet. Um den Kohlenstoff zu extrahieren, wird die Anlage auf 100 °C erhitzt, und der konzentrierte Kohlenstoff wird durch Mineralisierung unterirdisch gelagert, wo er mit Wasser vermischt wird und sich mit Basaltgestein verbindet und zu Stein wird. Eine Anlage kann der Luft täglich 10 Tonnen CO2 entziehen. 

Heirloom betreibt die erste DAC-Anlage in den USA im kalifornischen Tracy mit einer Methode, die den natürlichen Prozess der Bindung von CO2 aus der Luft in Kalksteingestein von Jahren auf Tage beschleunigt. Dabei wird zerkleinerter Kalkstein in einem Brennofen erhitzt und in Kohlendioxid und Kalziumoxidpulver aufgespalten. Das Kohlendioxid wird extrahiert, gespeichert und in Beton gebunden, der von CarbonCure Technologies hergestellt wird. Anschließend wird das Kalziumoxidpulver mit Wasser gemischt, um Kalziumhydroxid zu bilden. Dieses Pulver wird auf Schalen gestreut, die drei Tage lang Kohlendioxid aus der Luft aufnehmen und wieder zu Kalkstein werden. Der Zyklus wird dann wiederholt. Heirloom geht davon aus, dass die Kosten für diese Methode bis 2035 auf weniger als 100 US-Dollar pro Tonne gesenkt werden können. 

Das Mineral Olivin in vulkanischem Sand.
Das Mineral Olivin erhöht die CO2-Absorption, wenn es im Meerwasser aufgelöst wird.

Vesta will sich das natürliche Mineral Olivin zunutze machen, um die Kapazität der Kohlenstoffsenken an den Küsten zu erhöhen. Das Unternehmen plant, die natürliche chemische Verwitterung von Olivin zu beschleunigen, indem es große Mengen des Minerals zu Sand mahlt und an Küsten ausbringt, wo es sich im Wasser auflöst und die CO2-Bindung beschleunigt. Als alkalischer Stoff kann Olivin auch dazu beitragen, der durch den Klimawandel verursachten Versauerung der Meere entgegenzuwirken. Ähnlich wie Olivin kann auch Basalt zum CO2-Abbau durch Mineralisierung eingesetzt werden: Wissenschaftliche Studien haben nachgewiesen, dass die Behandlung mit gemahlenem, in Basalt gebundenem CO2 den Ertrag von Agrarflächen steigert.

BiCRS (Biomass Carbon Removal and Storage)

Der Reiz von Bioöl liegt auf der Hand: Es birgt das Potenzial, CO2 freisetzendes Öl wieder in den Boden zu bringen, aus dem es stammt. Charm Industrial verwendet landwirtschaftliche Nebenprodukte aus Maisernten, die bereits CO2 gebunden haben, und wandelt sie in stabiles, nicht brennbares, dickflüssiges Bioöl um. Ähnlich wie bei Biokohle wird dieses Öl durch schnelles Erhitzen von Biomasse auf 500 °C hergestellt. Das Öl wird dann in den Untergrund gepumpt, oft in dieselben Bohrlöcher, aus denen es entnommen wurde. Es ist sehr stabil und verfestigt sich innerhalb von Tagen oder Wochen nach der Injektion zu einem Gestein. Dank einer schlanken Infrastruktur kann Charm Industrial in unmittelbarer Nähe von landwirtschaftlichen Feldern arbeiten und so die transportbedingten Emissionen reduzieren.

Bioklärer in einem Garten.
Bioöl entsteht, wenn Biomasse auf hohe Temperaturen erhitzt wird, um eine stabile, kohlenstoffreiche Flüssigkeit zu erzeugen, die im Boden gelagert werden kann.

Elektrochemische Entfernung von Kohlendioxid aus dem Meer  

Der Ozean enthält mehr Kohlendioxid als jeder andere Teil der Biosphäre. Ein innovativer Ansatz nutzt die Elektrochemie zum CO2-Abbau. Bei dieser Methode wird Meerwasser durch eine elektrochemische Anlage gepumpt, die Wasser- und Salzmoleküle in saure und basische (alkalische) Lösungen umwandelt. Die basische Lösung wird ins Meer zurückgeführt, wodurch die Alkalinität des Meerwassers erhöht wird – und damit auch seine Fähigkeit zur Absorption von CO2 aus der Atmosphäre. Die saure Lösung kann auch verwendet werden, um CO2 aus dem Meerwasser zu ziehen. 

Wie können Unternehmen das Wachstum der Branche zum CO2-Abbau fördern?

Ein Fotovoltaik-Kraftwerk mit einem Wärmekraftwerk im Hintergrund
Bei der Bewertung der vor- und nachgelagerten Auswirkungen ihrer Wirtschaftstätigkeit müssen Unternehmen die Emissionen von Energieversorgern und anderen Partnern einbeziehen.

Wer die Welt verändern will, muss bei sich selbst anfangen – das gilt in ganz besonderer Weise für den Beitrag, den Unternehmen zur Förderung des CO2-Abbaus leisten können, indem sie:

  • die eigene CO₂-Bilanz unter Berücksichtigung aller direkten und indirekten Emissionen analysieren, die durch ihre Wirtschaftstätigkeit verursacht werden,

  • Verantwortung für diese Emissionen übernehmen und ggf. den Kauf von Gutschriften als Möglichkeit zu ihrer Neutralisierung prüfen,

  • Bereiche ermitteln, in denen das eigene Unternehmen das Wachstum der Branche zugunsten von Stakeholdern wie Mitarbeitenden, Lieferanten und Kunden unterstützen kann,

  • Möglichkeiten zur Bündelung der Nachfrage durch vorgezogene Marktzusagen prüfen (siehe unten), 

  • Aufklärung betreiben und sich für den Ausbau staatlicher Fördermaßnahmen einsetzen.

Vorgezogene Marktzusagen

Vorgezogene Marktzusagen (Advance Market Commitments, AMCs) sind ein neuartiges Instrument zur Finanzierung des CO2-Abbaus und zur Senkung der damit verbundenen Kosten, um den CO2-Abbau als wirtschaftliches Ziel zu etablieren und das Wachstum der Branche auf das erforderliche Gigatonnen-Niveau zu fördern. Der entsprechende Rahmen wurde ursprünglich zur Förderung der Impfstoffentwicklung in Entwicklungsländern geschaffen. Konkret verpflichten Käufer aus dem privaten oder öffentlichen Sektor sich dazu, über einen bestimmten Zeitraum Dienstleistungen zum CO2-Abbau in bestimmtem Umfang abzunehmen. Auf diese Weise wird eine Grundnachfrage festgelegt, die Investitionssicherheit signalisiert und dazu beiträgt, dass diese neuen Technologien in einem weniger riskanten Umfeld finanziert werden.

Im Wesentlichen geht es dabei darum, nebulöse Verpflichtungen zur Nachhaltigkeit in verbindliche Verträge zur Finanzierung des CO2-Abbaus zu verwandeln. Ein Konsortium aus technischen Fachleuten investiert das Geld der Käufer in eine breite Palette von Unternehmen, die Leistungen zum CO2-Abbau erbringen. Nach Abbau der festgelegten Menge CO2 werden die Lieferanten bezahlt und den Käufern entsprechende Gutschriften für die erzielten negativen Emissionen ausgestellt.

Ein großer Vorteil dieses Ansatzes liegt darin, dass er das Risiko auf eine Vielzahl von Anbietern von CO2-Abbauanlagen verteilt. Der Hauptwert besteht jedoch darin, dass durch Investitionen in großem Umfang die Finanzierung und Nachfrage aus vielen Quellen gebündelt wird. Autodesk hat gemeinsam mit anderen Partnern 100 Millionen USD (ca. 94 Millionen Euro) in das Konsortium Frontier AMC investiert, das sich zum Kauf negativer Emissionen mit einem Gesamtwert von 1 Milliarde USD verpflichtet hat.

Privatwirtschaftliche Initiativen erfordern einen aufsichtsrechtlichen Rahmen

Bioreaktoren mit grünen Algen, die CO2 binden
Privatwirtschaftliche Investitionen sind ein wesentlicher Innovationstreiber für Technologien zum CO2-Abbau wie diesen mit Algen gefüllten Bioreaktoren.

Ihr Entstehen verdankt die CO2-Abbau-Branche größtenteils Investitionen des Privatsektors im Rahmen weitreichender Unternehmensverpflichtungen zur Dekarbonisierung des eigenen Geschäftsbetriebs. Autodesk hat die Emissionen in der gesamten Geschäfts- und Wertschöpfungskette seit 2021 neutralisiert. Microsoft wirtschaftet seit 2012 kohlenstoffneutral und hat im Rahmen der Verpflichtung, bis 2030 eine negative CO2-Bilanz zu erreichen, Verträge abgeschlossen, um 2,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen. Der Immobilienkonzern JLL will bis 2030 sämtliche Gebäude klimaneutral betreiben. Auch Apple hat sich verpflichtet, bis 2030 den gesamten Stromverbrauch in seiner Lieferkette auf erneuerbare Energiequellen umzustellen. 

Ein Großteil dieser Aktivitäten basiert auf Gutschriften und Kompensationen: Anbieter von Leistungen zum CO2-Abbau stellen Gutschriften aus, während Unternehmen, die Emissionen verursachen, durch den Kauf solcher Gutschriften die eigenen Emissionen kompensieren und eine weitere Dekarbonisierung subventionieren. 

Dieser Ansatz ist insofern problematisch, als seine tatsächliche Wirkung sich schwer messen lässt und im schlimmsten Fall ein Mechanismus entsteht, der die Dekarbonisierung verzögert. Es darf für Unternehmen nicht möglich sein, sich ihrer Verantwortung durch bloße Kompensation zu entziehen. Darüber hinaus führen starke Qualitätsschwankungen dazu, dass der Kauf von Gutschriften womöglich nicht in jedem Fall die erwarteten Kohlenstoffeinsparungen bringt. Einmal angenommen, eine Gutschrift wird von einer forstwirtschaftlichen Organisation ausgestellt, die nachhaltige Forstwirtschaft und Naturschutz betreibt, und dann von einem Unternehmen auf einem anderen Kontinent gekauft – welche aufsichtsrechtlichen Maßnahmen würde dann verhindern, dass die Bäume, die eigentlich geschützt werden sollten, abgeholzt werden? 

Wichtig ist zudem eine eindeutige Unterscheidung zwischen Methoden zur Reduzierung der Emissionen einerseits und CO2-Abbau andererseits: Im ersten Fall soll vermieden werden, dass Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen, im zweiten werden Treibhausgase entfernt, die sich bereits in der Atmosphäre befinden. Beide Ansätze sind für eine effektive Bekämpfung der Klimakrise unverzichtbar und müssen Hand in Hand gehen. Zur Reduzierung der aktuell sehr hohen Kosten für den CO2-Abbau sind massive privatwirtschaftliche Investitionen sowie staatliche Maßnahmen zur Schaffung eines entsprechenden aufsichtsrechtlichen Rahmens erforderlich.

Parallel dazu sind Regierungsbehörden und öffentliche Versorgungsbetriebe weltweit gefordert, sich verstärkt um die Reduzierung der eigenen Emissionen zu bemühen. US- und EU-weit entsteht nahezu die Hälfte der Treibhausgasemissionen im öffentlichen Sektor. Erschwerend kommt hinzu, dass die Umstellung auf neue Technologien und Verfahren oft nur schleppend vorangeht und öffentliche Betriebe weniger dem in der Privatwirtschaft herrschenden Innovationsdruck ausgesetzt sind. Dafür unterliegen sie zumeist strengeren Regulierungen, die ein hohes Maß an Datentransparenz und Kommunikation gewährleisten.

Kurzfristig kommt es vor allem darauf an, dass staatliche Vorschriften für Umweltgenehmigungen und einschlägige Leistungsstandards aktualisiert werden, um die Voraussetzungen für ein Wachstum im Bereich der Kohlenstoffbeseitigung zu schaffen. Im nächsten Schritt müssen aufsichtsrechtliche Kapazitäten und Protokolle aufgebaut und spezifische KPIs festgelegt werden, um den Erfolg politischer Maßnahmen zum CO2-Abbau zu messen. Weiterhin liegt es in der Verantwortung der Behörden, über Fortschritte und Rückschläge zu berichten und diese zu analysieren, zu überprüfen, ob die Leistungs- und Konformitätsstandards eingehalten werden, und Bündnisse zwischen allen Organisationen des öffentlichen Sektors zu bilden, die in Technologien und Methoden zum CO2-Abbau investieren.

Weltweite Maßnahmen zum CO2-Abbau

Luftaufnahme eines Bürogebäudes mit Dachgärten und Solarzellen
Alle Länder der Welt stehen in der kollektiven Verantwortung, klimaschützende Technologien allgemein zugänglich zu machen.

Das US-Energieministerium subventioniert kommerzielle DAC-Konsortien mit Subventionen in Höhe von bis zu 1,2 Milliarden USD – die weltweit größte Einzelinvestition in den CO2-Abbau. Im Rahmen von Project Cypress, das ebenfalls Teil dieses Maßnahmenpakets ist, sollen Climeworks, Heirloom und das Forschungs- und Technologieunternehmen Battelle mit der Errichtung einer DAC-Anlage im Bundesstaat Louisiana beauftragt werden. Die Regierung stellt außerdem 2,5 Milliarden USD für die Wiederaufforstung nach Waldbränden, 2,5 Milliarden USD für die Speicherung von CO2 und 2,1 Milliarden USD in Form von zinsgünstigen Darlehen für die Logistikinfrastruktur bereit. 

Auch in Europa setzt sich zunehmend die Einsicht durch, dass die staatliche Förderung des CO2-Abbaus alternativlos ist. Großbritannien hat sich verpflichtet, bis 2030 fünf Millionen Tonnen Treibhausgase aus der Atmosphäre zu entfernen, und plant, über einen Zeitraum von 10 Jahren 20 Milliarden GBP (ca. 24 Milliarden Euro) in dieses Ziel zu investieren. Portugal hat als erster EU-Mitgliedsstaat CO2-Abbau-Ziele gesetzlich verankert. 

In Kanada investiert die ölreiche Provinz Alberta 1,24 Milliarden Dollar in den CO2-Abbau und fördert damit den Anschluss der neu entstehenden Branche an etablierte Ölraffinierungsverfahren. Auch in den Schwellenländern gibt es ausgesprochen positive Entwicklungen. In unmittelbarer Nähe eines der größten Kaffeeverarbeitungsbetriebe im zentralafrikanischen Kamerun stellt  NetZero  Biokohle aus Kaffeekirschenschalen her, die normalerweise als Abfall entsorgt werden. Die hier produzierte Biokohle (bis zu 2.000 Tonnen pro Jahr) kann von den örtlichen Kleinbauern zur Aufwertung der Böden verwendet werden. NetZero hat bereits eine zweite Anlage in Brasilien eröffnet, die über die doppelte Kapazität der ersten Anlage verfügt.

CO2-Abbau in großem Maßstab ist heute keine Option, sondern eine absolute Notwendigkeit. Um dem Klimawandel entgegenzuwirken, müssen Unternehmen diese neue Branche in ihre Abläufe integrieren und durch Förderung von Innovation dazu beitragen, dass sie dem gewaltigen Ausmaß der weltweiten CO2-Emissionen gewachsen ist. Eine ausgereifte CO2-Abbau-Branche, die in der Lage ist, das ökologische Gleichgewicht der Welt wiederherzustellen, kann dafür sorgen, dass die Treibhausgasbilanz bei jeder wirtschaftlichen Entscheidung berücksichtigt wird und jeder einzelne Wirtschaftsakteur seine CO2-Emissionen auf allen Ebenen reduziert. 

Es liegt in der kollektiven Verantwortung, dafür zu sorgen, dass diese Technologie allgemein erschwinglich wird und dass große und kleine Unternehmen Zugang zu den benötigten Instrumenten haben. Das Engagement sowohl des privaten als auch des öffentlichen Sektors für die Erweiterung und Optimierung von Technologien zum CO2-Abbau ist eine unverzichtbare Voraussetzung für die Abwendung der Klimakatastrophe. Unternehmen sind gefordert, durch Förderung von Innovationen und eigenes Handeln eine Zukunft zu sichern, in der Technologie und Natur zusammenwirken, um ein nachhaltiges Erbe für kommende Generationen zu schaffen.