Nach dem aktuellen Forschungsstand reicht die Reduzierung der zukünftigen CO₂-Emissionen nicht aus, um die Klimaschutzziele zu erreichen – ergänzend ist ein massiver Ausbau der bisherigen Maßnahmen zur Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre unbedingt erforderlich
Vielversprechende Innovationen in unterschiedlichen Bereichen der negativen Emissionstechnologien wie Biokohle, Biomass Carbon Removal and Storage (BiCRS), Direct Air Capture (DAC) und Mineralisierung geben Anlass zur Hoffnung
Mit staatlicher und privatwirtschaftlicher Förderung können diese Technologien den Weg in eine dekarbonisierte Zukunft weisen
Um die bevorstehende Klimakatastrophe abzuwenden, reicht es nicht aus, die Emissionen zu reduzieren. Mehrere Wellen klimabedingter Katastrophen (Überschwemmungen im Nordosten der USA, Südkorea und mehreren europäischen Ländern, das erste Todesopfer bei einem Tornado in Delaware seit 40 Jahren und Waldbrände in Kanada, die den Himmel über weiten Teilen Nordamerikas mit Rauch bedecken) sowie die wärmsten Jahre seit Beginn der Temperaturmessungen sind unübersehbare Vorboten einer globalen Katastrophe, die wir unbedingt verhindern müssen.
Diese Chance besteht nach Meinung der Experten nur, wenn es gelingt, den globalen Temperaturanstieg unter 1,5 Grad Celsius zu halten. Dies setzt voraus, dass die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf nahezu null gesenkt werden. Trotz erheblicher positiver Impulse sind wir derzeit weit davon entfernt, dieses Ziel zu erreichen. Schuld daran sind u. a. sogenannte „Hard to abate“-Branchen – darunter Architektur, Ingenieurwesen, Bau und Gebäudebetrieb (AECO) – mit besonders energieintensiven Prozessen, die bei der Raffination, dem Transport, dem Bau und dem Betrieb von Projekten enorme Kohlenstoffemissionen verursachen. Die vielen Tonnen Stahl und Beton, die für Gebäude und Infrastrukturen produziert werden, und die Notwendigkeit, diese schweren Materialien über große Entfernungen zu transportieren, sind ein Grund dafür, dass die AECO-Branchen zu den größten Verursachern von Kohlenstoffemissionen in der Wirtschaft zählen.
Die Dekarbonisierung dieser Branchen ist nicht über Nacht möglich, sodass bis dahin weiterhin Emissionen in die Atmosphäre gelangen werden. Das Erreichen der Klimaziele kann daher nicht einfach durch die Reduzierung künftiger Emissionen erreicht werden. Laut einem im März 2023 veröffentlichten Bericht des Weltklimarats (IPCC) ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass sich die globalen Temperaturen auf 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau halten lassen, ohne die Gigatonnen von CO2 zu entfernen, die sich bereits in der Atmosphäre befinden. Der einzige nachhaltige Weg in die Zukunft ist ein „Sowohl als auch“-Ansatz, der die Verringerung künftiger Treibhausgasemissionen mit der gezielten Förderung eines lebenswichtigen, aber bisher noch unterentwickelten und unterinvestierten Sektors verbindet: der Entwicklung und Anwendung negativer Emissionstechnologien zum CO2-Abbau.
Was ist CO2-Abbau und warum ist er unverzichtbar?
Unter CO2-Abbau versteht man den Prozess der Bindung und dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid, das sich bereits in der Atmosphäre befindet. Dies kann durch natürliche Prozesse wie die Photosynthese erfolgen oder aber durch technische Eingriffe, z. B. durch Abscheider, die Kohlendioxid aus der Umgebungsluft binden. In beiden Fällen besteht das Ziel darin, die Uhr zurückzudrehen und Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen, um die Auswirkungen des globalen Temperaturanstiegs zu verhindern.
CO2-Abbau darf auf keinen Fall als Ersatz für Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen missverstanden werden. Es ist von entscheidender Wichtigkeit, Investitionen in Technologien zu priorisieren, die zu einer umfassenden Dekarbonisierung der Wirtschaft führen. Ebenso dringend ist jedoch der Ausbau von Lösungen, die Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen und speichern. Im Klartext heißt das: Es muss quasi aus dem Nichts eine völlig neue Branche für den CO2-Abbau entstehen.
Gegenwärtig macht der Sektor des CO2-Abbaus einen verschwindend kleinen Teil der Weltwirtschaft aus und repräsentiert einen Markt im einstelligen Milliardenbereich. Eine erfolgreiche Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen würde bedeuten, dass der CO2-Abbau zu einem Billionen-Sektor wachsen muss, etwa in der Größenordnung des heutigen Öl- und Gassektors. Diese beschleunigte Skalierung erfordert beträchtliche Investitionen und Innovationen seitens der Unternehmen sowie die Unterstützung des öffentlichen Sektors, um dieses Wachstum zu fördern und Risiken zu verringern.
Bisher erfolgt der CO2-Abbau größtenteils durch konventionelle und natürliche Prozesse wie die Kohlenstoffspeicherung in Bäumen. Technische bzw. von Menschen entwickelte Methoden machen nur einen Anteil von 0,1 % aus. Insgesamt muss die Branche zum Erreichen der Klimaziele um das 1.300-Fache wachsen. Die Schätzungen variieren, liegen aber grob zwischen 5 und 16 Milliarden Tonnen CO2, die bis 2050 pro Jahr aus der Atmosphäre entfernt werden müssen. (Zum Vergleich: Die USA allein haben 2021 Treibhausgasemissionen in Höhe von 5 Milliarden Tonnen verursacht.) Der CO2-Abbau muss von Tonnen auf Gigatonnen pro Jahr hochskaliert werden – und zwar innerhalb eines Zeitrahmens, in dem er einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann.