Cool, cooler, Husqvarna: Steve-McQueen-würdige Neuauflage eines Klassikers des Motorrad-Designs
Jeder Werbeprofi weiß: Was er verkauft, ist in den allermeisten Fällen kein Produkt, sondern ein Lebensgefühl. Für Luxusgüter, Modeartikel und Statussymbole gilt das in ganz besonderem Maße.
Wenige Spezialisten für Industriedesign setzen diese Erkenntnis so konsequent um wie die 1990 in Salzburg gegründete Agentur KISKA, die nun im Auftrag von KTM (dem heutigen Eigentümer der schwedischen Kultmarke Husqvarna Motorcycles) einem Original aus dem Jahre 1955 mit zwei atemberaubend schönen neuen Modellen Tribut zollt. Die Modelle SVARTPILEN (Schwarzer Pfeil) und VITPILEN (Weißer Pfeil) sind beide dem legendären Silverpilen nachempfunden.
Heute arbeiten bei KISKA an Standorten in Deutschland, Österreich, den USA und China insgesamt über 230 Design-Fachleute. Laut Craig Dent, der als Creative Lead für die Projekte für Husqvarna und KTM zuständig ist, sprechen sie alle eine gemeinsame Sprache: „Wenn unsere Produkte beim Kunden keine emotionale Reaktion auslösen, machen wir etwas falsch“, ist er überzeugt.
Reaktionen zu provozieren, bedeutet für Dent und sein Team auch, über den Tellerrand bzw. das jeweilige Designobjekt hinauszuschauen. So ging es gerade bei der Entwicklung der Modelle SVARTPILEN und VITPILEN darum, die gesamte Geschichte und Bedeutung der Marke in die konkrete Produktgestaltung einzubringen.
Dent spricht in diesem Zusammenhang von einer „übergreifenden Erzählung, in der alle Elemente zusammenwirken“. „Nicht mehr und nicht weniger wollen wir unseren Kunden geben – darin besteht unsere Vision. Mit einem kurzen Briefing für ein neues Produkt in ihrem Sortiment ist es nicht getan, dafür ist unsere Neugier, unser Interesse an ihrer Marke viel zu stark. Dabei schürfen wir fast immer richtig tief und unterziehen die gesamte Selbstpräsentation des Kunden einer kritischen Analyse.“
Noch einmal mit Gefühl
Wie schafft man es, diese leidenschaftliche Begeisterung mit den praktisch-ökonomischen Sachzwängen unter einen Hut zu bringen – die Entwurfspräsentation fristgerecht fertigzustellen oder ein formschönes Teil zu entwickeln, das zugleich die Funktionsanforderungen übertrifft?
„Mit dieser Beschreibung unseres Arbeitsalltags treffen Sie den Nagel auf den Kopf“, bestätigt Dent. „Ich sehe meine Aufgabe darin, mich aus den Detailfragen herauszuhalten. Dafür sind unsere spezialisierten Teams zuständig, und während des gesamten Entwicklungsprozesses fragen wir uns laufend: ‚Entspricht das noch der Vision, die wir für diese Marke haben? Stimmen die Lösungen, die das Konstruktionsteam vorschlägt, noch mit dem emotionalen Designkonzept überein?‘ Wenn wir den Konstrukteuren von KTM ständig auf der Pelle hocken würden, wäre die Gefahr groß, dass wir die emotionale Reaktion, um die es uns geht, aus dem Blick verlieren und stattdessen alles abnicken nach dem Motto: ‚Okay, das ist die einfachste Lösung, machen wir es doch so.‘ Die räumliche Distanz verschafft uns zugleich Abstand im übertragenen Sinn.“
Der Kult lebt
Warum gerade dieses Modell? Seither hat die Marke Husqvarna mehrmals den Eigentümer gewechselt und viel von ihrem einstigen Prestige eingebüßt. Die 1950er und 1960er aber waren eine goldene Ära. Der Weltmeistertitel, den Rolf Tibblin 1959 mit seiner 250er Husqvarna einfuhr, war nur der erste von zahlreichen Siegen im internationalen Motocross. Und als Steve McQueen in Bruce Browns Dokumentarfilm „Teufelskerle auf heißen Feuerstühlen“ (1971) auf einer Husqvarna-Maschine durch die US-amerikanische Wüstenlandschaft bretterte, war der Kultstatus der Marke endgültig besiegelt.
Den seinerzeitigen Design- und Konstruktionsstil beschreibt Dent als „wunderschön schlicht, auf das Wesentliche reduziert“. „Uns fasziniert die bestechende Mechanik der Produkte von damals. Du siehst jedem Objekt auf den ersten Blick an, was es alles kann bzw. was man damit anfangen kann, und das ist spannend. Heutzutage lässt sich die Funktion sehr einfach übertünchen, indem wir alles, was aus der technischen Planung zu uns kommt, quasi in eine Maske hüllen. Ziemlich daneben, finde ich.“
Bei KISKA kehrt man stattdessen das Innere nach außen, wie Dent berichtet: Die Form müsse immer der technischen Funktion in aller kompromisslosen Schlichtheit folgen. „Der gradlinige, authentische Designansatz dieser Motorräder hat uns total inspiriert“, sagt er. „Wir haben uns bemüht, genau das nachzumachen, um es lediglich mit einer neuen Interpretation und Bauweise in die Gegenwart zu holen.“
Zukunftweisend statt rückwärtsgewandt
Dem Anspruch gerecht zu werden, dass ein Design nur dann etwas taugt, wenn es eine emotionale Reaktion auslöst, ist natürlich leichter gesagt als getan. Dass die Umsetzung bei den Modellen SVARTPILEN und VITPILEN so überzeugend geglückt ist, lag nicht zuletzt an der Wahl der geeigneten Arbeitstechniken und Werkzeuge.
Am Anfang stehen – ganz wie seinerzeit im 20. Jahrhundert – Bleistiftzeichnungen auf Papier. Die Mitarbeiter des Designteams räumen ihre Schreibtische auf und machen ihre Terminkalender frei, setzen sich Kopfhörer auf und dürfen drei oder gar vier Wochen lang nicht gestört werden; nur so könne die Magie ihre Wirkung entfalten, wie Dent meint. In dieser Phase geht es darum, etwas Neuartiges zu schaffen, das sowohl intern als auch beim Kunden Emotionen weckt.
Im nächsten Schritt werden diese Zeichnungen dann mithilfe von CAD-Software als 3D-Modelle umgesetzt. Für Dent ist Alias von Autodesk hier stets die erste Wahl. Um jedoch echte Emotionen auszulösen, braucht es mehr als ein 3D-Bild auf einem Flachbildschirm.
Deswegen wird als nächstes im 3D-Fräsverfahren ein Prototyp angefertigt. Aus den in der CAD-Software erfassten Daten werden mit der CAM-Software von Autodesk Werkzeugwege erstellt. Aus den G-Codes wird dann ein Tonmodell in Originalgröße gefräst, das in liebevoller Nachbearbeitung so detailgetreu ausgestaltet wird, dass es als Referenz für die Produktionsvorlagen dient.
Nun muss das Modell nur noch in den Originalfarben gestrichen und in hoher Auflösung eingescannt werden. Diese Daten werden dann wieder in die CAD-Software eingepflegt, um die präzise Anpassung sämtlicher Oberflächen und Maße zu ermöglichen.
Diese 3D-Daten werden dann als Virtual-Reality-Simulation einer Begutachtung unterzogen, bevor der Entwurf in die Fertigung geht.
Heutige Motorrad-Designs sehen oft eher aus, als wären sie von Manga-Zeichnern entworfen worden: grelle Farben, Kunststoffverkleidungen und computerisierte Mechanik – angesichts der weltweiten Beliebtheit japanischer Motorradmarken vielleicht kein Wunder.
Wollte man sich mit dem Design der neuen Husqvarna-Modelle ausdrücklich von dieser Ästhetik distanzieren? Über dieses Thema könnte er sich stundenlang ereifern, sagt Dent – und bringt seine Philosophie dann doch in ein paar knappen Sätzen auf den Punkt:
„In letzter Zeit sind eine Menge Interpretationen klassischer Modelle auf den Markt gekommen. Husqvarna ist jedoch alles andere als eine rückwärtsgewandte Marke, und entsprechend wollten wir auf keinen Fall in Nostalgie schwelgen. Andere haben mit ihren Maschinen vielleicht einen auf Retro-Design gemacht – wir dagegen wollten wegweisend, super-minimalistisch und absolut progressiv an die Sache herangehen und dabei trotzdem diese Schlichtheit zelebrieren, die den Produkten von damals eigen war.“