Metropolen 2050: Daten und Technologie als digitaler Rohstoff für die Großstädte von morgen
Wer sich ausmalt, wie Großstädte im Jahr 2050 aussehen könnten, dem eröffnen sich verschiedenste mögliche Szenarien: Werden sie, ähnlich wie bereits einige Städte in Südkorea, einer digital vernetzten Version der heutigen Gesellschaft ähneln? Werden sie dem Beispiel imposanter und hochmoderner Städte wie Dubai oder Singapur folgen? Oder könnte sich das Stadtleben sogar unter der Erdoberfläche bzw. dem Meeresspiegel abspielen?
Innovative Städte wie das brasilianische Curitiba haben bereits damit begonnen, ihre Strategien im Hinblick auf Massenverkehrsmittel zu überdenken und dabei sogar selbstfahrende Autos und Drohnen einzubeziehen – eine Entwicklung, die auch in Deutschland so langsam ankommt. Bei der Planung von Infrastruktur gilt es seit jeher, in erster Linie zu beachten, wie Menschen heute und in Zukunft leben und sich von A nach B bewegen möchten.
Ein ebenso wichtiger Aspekt ist der Transport von Dingen jeder Art. Laut Prognosen von FedEx wird E-Commerce zwischen 2016 und 2018 um ganze 26 Prozent wachsen und sich weltweit zu einer 2,4 Billionen US-Dollar schweren Branche entwickeln. Dementsprechend kann von einem gesteigerten Bedarf an besseren Straßen, Autobahnen und Hafen- bzw. Flughafeninfrastrukturen ausgegangen werden – sei es für selbstfahrende oder herkömmliche Fahrzeuge.
Hinzu kommen verschiedene bahnbrechende Technologien wie Sensoren, Big Data und das Internet der Dinge (engl. Internet of Things, kurz: IoT), die eine engere und effektivere Vernetzung zwischen benachbarten Städten unterstützen.
Technologie dieser Art ist vor allem deshalb von Bedeutung, da Stadtplaner sich vermehrt den Herausforderungen der zunehmenden Urbanisierung stellen müssen, was insbesondere dort zu Problemen führt, wo wenig Platz für weitere Infrastrukturen vorhanden ist. Eine mögliche Alternative besteht darin, anhand gesammelter Daten zu ermitteln, wie Bevölkerungsstreifen zwischen benachbarten Städten sich mithilfe von Massenverkehrsmitteln zu Megalopolen verdichten lassen, in denen problemlos mehrere weitere Millionen Menschen eine Heimat finden könnten.
Eine Herausforderung, der sich viele Städte weltweit gegenübersehen, ist die Frage nach den Grenzen und Möglichkeiten eines effektiven Wachstums. Wie kann eine erfolgreiche Transformation unter gleichzeitiger Erfüllung der Bedürfnisse der Einwohner gewährleistet werden?
Daten und die Metropolen der Zukunft
Durch gemeinsame Infrastrukturen und gegenseitigen wirtschaftlichen Einfluss kommt es zu einer regelrechten Verschmelzung zwischen benachbarten Städten. Stromleitungen, Straßen, Verkehrs- und Wasserversorgungssysteme sowie Sicherheitsmaßnahmen jeder Art gehen über Stadtgrenzen hinaus, und Stadtverwaltungen scheinen sich auf einem immer schnelleren Kurs in Richtung Innovation zu befinden. Infolgedessen herrschen derzeit hitzige Debatten darüber, wer auf dem Weg in die Zukunft das Sagen hat und wie diese Zukunft aussehen soll.
Was die Planung neuer Infrastruktur angeht, ist vor allem eines klar: Über das Internet der Dinge erhobene Big Data werden wesentlich zur Entstehung der Metropolen von 2050 beitragen. „Unter Big Data versteht man all die Informationen um uns herum, die aus einer Vielzahl verschiedener Quellen bezogen werden“, erklärt Steph Stoppenhagen, die bei Black & Veatch als Leiterin des Bereichs Geschäftsentwicklung für intelligente Stadtplanung zuständig ist. „Wer zum Beispiel mit der New Yorker Subway fährt, nutzt hierzu eine sogenannte Metrocard. Diese registriert, an welcher Haltestelle ein Fahrgast ein- bzw. aussteigt, sowie die Route, die genommen wird, um dorthin zu gelangen. Das ist insofern hilfreich, als es zeigt, ob der Subway-Service funktioniert hat oder nicht. Hat der Service die Erwartungen des Kunden erfüllt? Wenn ja, wird dieser ihn höchstwahrscheinlich immer und immer wieder nutzen. Das ist nur ein Beispiel für die Einsatzmöglichkeiten von Daten zur Nachverfolgung der Bewegungsprofile von Personen, wodurch sich bessere Transportsysteme entwickeln lassen.“
Allerdings liefert nicht jeder Datensatz automatisch brauchbare Informationen. Um im Wandel begriffenen Stadtlandschaften gerecht zu werden, müssen Daten selbst als eine Form von Infrastruktur angesehen werden, die es ermöglicht, die Vernetzung von Städten innerhalb eines größeren Zusammenhangs zu planen.
Freilich sollte nicht vergessen werden, dass die ersten Impulse nicht technologischer, sondern menschlicher Natur sein müssen. Planung, Gestaltung, Investitionsentscheidungen – in Kombination mit der Einführung entsprechender Richtlinien – können anhand verschiedener Maßnahmen erleichtert und beschleunigt werden, etwa durch die Visualisierung, Simulation und Analyse von Infrastruktur. Aufgrund der Verfügbarkeit von Big Data und fortschrittlichen Modellierungslösungen ist es möglich, Infrastrukturinvestitionen mit mehr Weitsicht zu planen und entsprechende Prioritäten zu setzen, voraussichtliche Ergebnisse besser zu kommunizieren und nachweislich bessere Leistungen zu erzielen.
Zur Verwirklichung eines „Smart Cities”-Konzepts bedarf es jedoch mehr als der Optimierung von Dienstleistungen und der Kommunikation mit der Bevölkerung mithilfe des IoT: Letzteres muss vielmehr zum Rahmenwerk für Regierungsentscheidungen in Bezug auf Stadtumbaumaßnahmen werden. Das Jahr 2050 mag fern erscheinen – für Städte, die sich gleichzeitig weiterentwickeln, den Anforderungen der eigenen Bürgerschaft entgegenkommen und mit neuen modernen Städten mithalten müssen, scheint die Zeit jedoch bereits jetzt knapp. Städte müssen sich weiterentwickeln, um Nachhaltigkeit zu ermöglichen. Sie müssen wirtschaftliche Anpassungsfähigkeit beweisen, den steigenden Ansprüchen der Bevölkerung gerecht werden und Investoren, neue Unternehmer und qualifizierte Arbeitskräfte anlocken. Positiv ist hier anzumerken, dass Daten und Technologie zur besseren Vernetzung der Bevölkerung führen und somit den Alltag wesentlich erleichtern werden.
Dennoch setzt eine effektive Planung gezielte und wohlüberlegte Investitionen und politische Entscheidungen voraus, und ein Paradigmenwechsel weg von Zuschussfinanzierungen und hin zu Langzeitinvestitionen scheint unbedingt erforderlich. Zu diesem Zweck müssen Stadtplaner auf ein Zusammenspiel folgender Aspekte achten:
- Projekte: Bemühungen zur Umsetzung einer gemeinsamen Zukunftsvision und übergreifender wirtschaftlicher Ziele wie etwa Barrierefreiheit, Berufschancen, erschwingliche Immobilienpreise und eine gesunde Umwelt.
- Teams:Gemeinsame Anstrengungen über sämtliche Regierungsebenen hinweg, um Investitionen in öffentliche und private Infrastrukturen anzukurbeln; Einsatz von Big Data zum Messen der Leistungsfähigkeit von Infrastruktur.
- Einblicke:Neue Technologien, welche die Planung, die Funktionsweise und das Wirtschaftswachstum von Städten revolutionieren, indem sie sämtliche Beteiligten zu Beginn eines Projekts miteinander vernetzen.
- Ergebnisse:Projekte, die Planungs- und Business-Case-Anforderungen erfüllen und Kosten-Nutzen-Analysen zur Umsetzung von Wirtschaftszielen einsetzen.
3D – die Zukunft der Stadtplanung
Building Information Modeling (BIM) ermöglicht es, Sinn aus der Datenvielfalt zu schöpfen, die Architekten und Ingenieuren, Stadtbewohnern und Entscheidungsträgern zur Verfügung steht. Dank fortschrittlichen 3D-Modellierungslösungen können komplexe Informationen analysiert werden, darunter auch Risiken und Probleme auf der Gesamt- sowie Komponentenebene. Konkret bedeutet dies, dass sich die übergeordnete Funktion eines übergreifenden Systems im Vergleich zum jeweiligen Zweck seiner einzelnen Bestandteile betrachten lässt. Mithilfe dieser Informationen können Architekten und Ingenieure ihre Planung so anpassen, dass es für Einzelpersonen, Unternehmen und ganze Städte gleichermaßen leichter wird, ihre „intelligenten“ Ziele einer engeren Vernetzung umzusetzen und somit eine engere Verbindung zwischen Nachbarstädten zu schaffen.
Durch konsequente Nutzung von kontextbasierten 3D-Modellen kann in Kombination mit Simulationssoftware eine hypothetische, aber dennoch realistische Vorschau der Leistung physischer Infrastrukturen erstellt werden. Die konkrete Veranschaulichung in 3D ermöglicht eine effektive Besprechung von Zielen und Leistungsmaßstäben ohne Missverständnisse.
Die Verwendung von 3D-BIM-Prozessen wird eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung passender Infrastrukturen für die Metropolen der Zukunft spielen.
Die Technologie macht nicht nur Perspektive, sondern vor allem auch Tiefe sichtbar. Diese Tiefe kann den Informationsströmen entnommen werden, die anhand von Technologie gewonnen werden: So können informationsreiche Modelle beispielsweise dabei helfen, Investitionsmittel im Laufe der Planungs- und Bauphasen von Infrastruktur effizienter einzusetzen.
In einer Welt, die sich immer stärker in Richtung 3D-Technologie bewegt, werden 2D-Entwürfe eher früher als später ausgedient haben. An ihre Stelle werden 3D-BIM-Prozesse treten, die zweifellos eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung passender Infrastrukturen für die Metropolen der Zukunft spielen werden.
Gemeinsam intelligente Grundlagen schaffen
Stadtverwaltungen zeigen sich im Umgang mit Big Data nicht selten derart überwältigt, dass es ihnen nicht gelingt, aus den gewonnenen Informationen Nutzen zu schlagen. Ein wesentlicher Vorteil von BIM besteht darin, dass es Zusammenhänge zwischen sämtlichen im Rahmen komplexer Stadtplanungsprojekte relevanten Informationen aufdeckt und verwaltet – sowohl auf der Mikro- als auch auf der Makroebene.
Immersive Visualisierungssysteme können einer breiteren Öffentlichkeit ein besseres Verständnis der Zukunft der Infrastrukturplanung vermitteln. Die Möglichkeit umfassender virtueller Infrastruktur-Touren wird mehr und mehr zur Norm, die maßgeblich zu einer schnelleren Entwicklung, Überprüfung und Genehmigung von Planungskonzepten beiträgt und für weniger Einwände seitens Interessenvertretern sorgt.
In diesem eng vernetzten BIM-Zeitalter, in dem Informationen die Grundlage für die Planung, Gestaltung und Wartung von Systemen artifizieller wie auch natürlicher Art bilden, muss das Hauptziel darin bestehen, integrierte und anpassungsfähige Infrastrukturen zu schaffen. So sollen Städte nicht nur gegenüber Natur- als auch menschlich bedingten Katastrophen widerstandsfähiger werden bzw. sich im Falle einer Katastrophe schneller wiederaufbauen lassen, sondern durch Wachstum auch nachhaltig zukunftstauglich werden.
Die Erhebung und Analyse größerer Informationsmengen wird es Hoch- und Tiefbauingenieuren erleichtern, vorherzusagen, welche Voraussetzungen für eine effektive Instandhaltung von Brücken, Straßen und anderen Infrastrukturbauten erfüllt werden müssen, was wiederum längere Lebenszyklen ermöglicht. Mit wachsender Bevölkerungsdichte und wachsendem Bedarf an zukunftsfähigen Infrastrukturen gewinnt die Berücksichtigung tatsächlicher Lebenszykluskosten zunehmend an Bedeutung.
Eine technologisch untermauerte Vernetzung intelligenter Infrastruktur auf individueller, gemeinschaftlicher, großstadtweiter oder sogar nationaler Ebene liefert die notwendigen Voraussetzungen zur Leistungsüberwachung und -messung. Durch anschließende Analysen der erhobenen Daten können ggf. Schritte zur Lösung auftretender Probleme entwickelt werden (sei es durch menschliche oder maschinelle Maßnahmen).
Dadurch entsteht nicht nur eine neue Stadtvision, sondern auch die Grundlage für ganzheitlichere Planungsansätze. In den vernetzten Städten von 2050 werden Infrastrukturen verschiedenster Art – von Strom- und Wasseranlagen über Verkehrsmittel bis hin zu Gebäuden und Regierungsstellen – miteinander kommunizieren, um Bedürfnishierarchien zu erstellen, Ergebnisse zu optimieren, den Energieverbrauch auf ein Minimum zu reduzieren und den Bewohnern und Nutzern von Großstädten eine bessere Lebensqualität zu bieten.