5 Ansätze zur klimafreundlichen Planung in Fertigung und Bauwesen
Die wenigsten Menschen halten sich für mächtig oder einflussreich genug, um effektiv etwas gegen den Klimawandel ausrichten zu können.
Dabei haben viele alltägliche Kaufentscheidungen Auswirkungen auf das Klima und können zur Sicherung einer kohlenstoffarmen Zukunft beitragen, die weitgehend ohne fossile Brennstoffe auskommt. Die Menschen, die an der Entwicklung alltäglicher Produkte und gebauter Umgebungen beteiligt sind – von Maschinenbauern bis hin zu Architekten – können hier entscheidende Impulse setzen und Weichenstellungen vornehmen.
Mehr als ein Umweltproblem
Der Klimawandel ist Realität und macht sich zunehmend bemerkbar. 2016 ging zum dritten Mal in Folge als heißestes Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen in die Annalen ein. Die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels sind unübersehbar: steigende Meeresspiegel, Stürme, die zahlreiche Regionen mit zunehmender Häufigkeit und Intensität heimsuchen, Dürreperioden und Überschwemmungen. Diese Veränderungen der Witterungsverläufe führen zur Verknappung der Rohstoffe, Verschärfung der Flüchtlingskrisen, steigenden Krankheitsrisiken und politischen und wirtschaftlichen Turbulenzen – jeder einzelne dieser Faktoren hat schwerwiegende Auswirkungen auf die betroffenen Menschen. Die Erderwärmung ist nicht nur ein Umweltproblem; sie ist ein Menschheitsproblem.
Darüber hinaus ist sie jedoch auch ein Wirtschaftsproblem. 84 Prozent aller Treibhausgasemissionen in den USA werden durch Energieverbrauch verursacht; in Deutschland sieht es nicht besser aus. Und Prognosen der Umweltbehörden zufolge wird der Temperaturanstieg zukünftig zu weiteren Erhöhungen der Energiepreise führen.
Das Pariser Klimaschutzabkommen ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Zur Abwendung einer Klimakatastrophe verpflichteten sich die 195 Unterzeichnerstaaten dazu, den Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 °C gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen. Selbst wenn sich die Befürchtung, dass die USA unter ihrem neuen Präsidenten aus dem Abkommen austreten könnten, als unbegründet erweisen sollte, liegt bis zur Erreichung dieses Zieles noch viel harte Arbeit vor uns.
Planer und Ingenieure können einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung der Erderwärmung leisten.
Planung und Klimawandel
Planer und Ingenieure können vor allem durch Vorstöße bei der Steigerung der Produktivität einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels leisten. Konkret bedeutet das, den wirtschaftlichen Nutzen ihrer Entwürfe zu maximieren bei gleichzeitiger Minimierung der Kosten für Energie und Rohstoffe. Auf Architektur und Bauwesen bezogen, fällt darunter beispielsweise die Planung energiesparender Gebäude. In der Fertigung liegt die Herausforderung darin, langlebigere Produkte zu entwickeln, die weniger Primärrohstoffe enthalten. In allen Fällen geht es darum, der Energie- und Rohstoffeffizienz oberste Priorität einzuräumen.
In der Praxis haben sich dabei vor allem folgende Ansätze bewährt:
1. Proaktiver Umgang mit Energie- und Rohstoffeffizienz
Wer als Planer oder Ingenieur von Anfang an bei jeder planerischen Entscheidung die Fragen nach der Energie- und Rohstoffeffizienz und Produktivität in den Vordergrund stellt, reduziert nicht nur die Kosten, sondern steigert zugleich den Nutzen seiner Lösungsvorschläge. Werden diese Punkte bereits bei der Auswahl des Baulandes bzw. der Werkstoffe für ein neues Produkt berücksichtigt, so sind damit die Weichen gestellt für nachhaltige Entscheidungen über den gesamten Projektzyklus hinweg. Die Summe solcher scheinbar kleinen Entscheidungen kann bedeutende Konsequenzen haben.
Der Shanghai Tower ist das höchste Gebäude in China. Bei seinem Bau konnten die Architekten die Materialkosten um 25 Prozent reduzieren, indem sie eine leichtgewichtige Struktur schufen, die trotzdem robust genug sein musste, um dem Wind standzuhalten. Dies gelang durch die Berechnung der Windeinwirkung und eine windschnittig verdrehte Fassadenform. Diese Entscheidungen wurden dem Projekt nicht in letzter Minute als „grünes Feigenblatt“ angeklebt, sondern spielten von Anfang an eine wesentliche Rolle bei der Planung.
2. Optimierung durch Simulation
Die Simulationstechnik macht es heute einfacher denn je zuvor, Entwurfsalternativen in Modellform zu visualisieren und zu testen, um die Auswirkungen planerischer Entscheidungen vergleichend bewerten zu können. Der Elektronikhersteller Opto22 kann davon ein Lied singen: Bei der Neugestaltung einer Hardwareschnittstelle, die u. a. zur Steuerung der Springbrunnen-Automatik des Hotels „Bellagio“ in Las Vegas eingesetzt wird, wurden verschiedene Optionen für die elektronische Kühlung durchgespielt, um ein kompakteres Gerät zu erzielen. Der Verzicht auf sämtliche beweglichen Teile, darunter zwei Ventilatoren, reduzierte nicht nur den Energie- und Rohstoffverbrauch, sondern auch die Herstellungskosten – allein bei den Arbeitskosten ließen sich Einsparungen in Höhe von 70 Prozent erzielen.
Heute stehen Planern und Ingenieuren ausgeklügelte Simulationstools zur Verfügung, die die Optimierung der Energie- und Werkstoffnutzung bzw. des Zeitaufwands erleichtern und dadurch nicht zuletzt beträchtliche Kosteneinsparungen ermöglichen. Neben den technischen Möglichkeiten ist freilich auch eine entsprechende Aufklärung aller Projektbeteiligten über die vielfältigen Vorteile nachhaltiger Praktiken von der Vorplanung bis zur Bauphase erforderlich.
3. Langfristiges Denken
Zur klimafreundlichen Planung gehört unbedingt, dass bei allen Entscheidungen langfristig gedacht und der gesamte Lebenszyklus des jeweiligen Projekts oder Produkts berücksichtigt wird. Die Firma Howden France stellt Industrieventilatoren her. Eine Analyse der Werkstoffermüdung bei den Ventilatorenrädern (siehe PDF) führte zur Optimierung von Stärke und Gewicht, wodurch sich wiederum die Trägheit des Ventilators und damit der Energieverbrauch des Motors reduzieren und die langfristige Leistung verbessern ließen. Dadurch sanken zugleich die Betriebskosten – zur großen Freude der Kunden.
Zur nachhaltigen Gestaltung zählt auch, den Reparaturaufwand so gering wie möglich zu halten. Diesen Grundsatz hat beispielsweise der Hardwarehersteller HP bei der Entwicklung des Elite x2 1012 G1-Tablets beherzigt, indem er Reparaturanleitungen im Internet bereitstellt und die problemlose Beschaffung von Ersatzteilen gewährleistet, damit Käufer ihre Geräte selbst reparieren können.
4. Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs
Statt sich an Einzelfragen abzuarbeiten, rücken ganzheitliche Systemkonzepte die Beziehungen zwischen komplexen Systemen in den Vordergrund. Dies ist vor allem deshalb so entscheidend, weil uns Herausforderungen wie der Klimawandel mit einem Gesamtkomplex zusammenhängender Probleme konfrontieren, die sich nicht voneinander isoliert lösen lassen. Auch hier geht es wieder darum, bereits in der Frühphase eines Projekts das Augenmerk auf den Gesamtzusammenhang zu richten und die sich jeweils ergebenden Chancen wahrzunehmen.
Genau diese Methode wandte das Team bei der Entwicklung eines preisgünstigen, schnellen und sicheren Fahrzeugs mit geringem Energieverbrauch an. Das Endergebnis: ein kraftstoffeffizientes Hybridfahrzeug mit einem Benzinverbrauch von 1,5 Liter pro 100 Kilometer und einem Gewicht von nur 544 kg. Ohne die frühzeitige Berücksichtigung sämtlicher relevanten Faktoren hätte sich dieses Ziel kaum verwirklichen lassen.
5. Kommunikation
Eine Planung, die auf Produktivitätssteigerung abzielt, bringt Kosteneinsparungen und Wertsteigerungen für den Auftraggeber. Diese Effizienzgewinne müssen den jeweiligen Auftraggebern jedoch vermittelt werden. Planer und Ingenieure sind gehalten, ihre Auftraggeber, Lieferanten, Subunternehmer und Kollegen darüber aufzuklären, wie bestimmte Entscheidungen sowohl dem Budget als auch der Zukunft des Planeten zugutekommen.
Das global tätige Architektur- und Ingenieurbüro HOK hat sich durch die Unterzeichnung des AIA 2030 Commitment freiwillig zur Umsetzung klimaneutraler Neubauten und Gebäudesanierungen im Rahmen der Architecture 2030 Challenge verpflichtet. Dies habe dazu geführt, dass „die Mehrzahl unserer Planer nun mit Bauherren, Ingenieuren, Subunternehmern und Gutachtern Gespräche über energiebezogene Gesichtspunkte führen“, so Anica Landreneau, die bei HOK für Nachhaltigkeitsfragen zuständig ist. „Je frühzeitiger und häufiger wir im Zuge des Planungsprozesses das Thema Energieeffizienz ins Gespräch bringen, desto besser lassen sich Einsparpotentiale zugunsten unserer Auftraggeber identifizieren.“
Einfach gesagt: Nachhaltig geplant ist gut geplant. Lösungen für den Klimawandel zu finden, ist heute so wichtig wie noch nie. Planer und Ingenieure können hier einen entscheidenden Beitrag leisten, indem sie sich bereits in der Frühphase eines Projekts Gedanken über Energieeffizienz machen, die Möglichkeiten von Simulations- und Analysetools zur Optimierung ihrer Entwürfe ausschöpfen und sowohl den Gesamtzusammenhang als auch die langfristige Perspektive berücksichtigen. Die dabei erzielten Effizienzgewinne nützen nicht nur dem Klima, sondern auch dem Auftraggeber.