Die 4 Kräfte, die dem Beton den Kampf ansagen und intelligentes Bauen ermöglichen
Kann man eine Brücke so bauen, dass sie unendlich lange stabil und tragfähig bleibt? Was spricht eigentlich dagegen? Vor allem eins: das Gewicht der Brücke selbst.
Brücken und Gebäude, die mit zeitgenössischen Bautechniken erbaut worden sind, sind schon aufgrund ihres hohen Werkstoff- und Energieaufwands nicht nachhaltig.
Zwar gehört Beton – im wahrsten Sinne des Wortes – zu den Fundamenten des modernen Bauwesens, doch als Baustoff ist er alles andere als ideal. Er ist anfällig für Verschmutzungen, wird rissig und fleckig und kann in sich zusammenbrechen, wenn er über lange Zeit Regen und Abgasen ausgesetzt ist. Beton ist eine Totlast. Der Millennium Tower, auch bekannt als der schiefe Turm von San Francisco, ist der beste Beweis dafür.
Die in den letzten Jahren entstandenen Bauwerke zeigen, dass es auch anders und besser geht. Dank einer Handvoll Technologien, die sich hervorragend ergänzen, werden sich die von der Baubranche verwendeten Arbeitsverfahren und Materialien bald drastisch verändern.
Die Einführung innovativer Fertigungszellen für die Baubranche – automatisierte Ökosysteme, in denen mithilfe von Robotertechnik intelligente Oberflächen und Objekte hergestellt und sogar intelligente Gebäude errichtet werden können, – wird sich in Zukunft beschleunigen. Dafür sorgt die ganzheitliche Umstellung auf neue Werkstoffe, additive Fertigung, Robotertechnik und eine neue Generation synthetischer Gehirne (dazu gehören auch FPGAs, kurz für Field Programmable Gate Arrays). Gebündelt läuten diese vier Kräfte einen tiefgreifenden Wandel in der Baubranche ein, welcher die Entstehung intelligenterer und nachhaltigerer Städte ermöglicht.
Stellen Sie sich beispielsweise vor, Baustellen-Roboter hätten die Fähigkeit, einen Baustoff mit intelligenten Eigenschaften zu versehen. Nehmen wir dazu einfach mal an, Sie säßen in einem Zimmer, in dem Ihnen zu warm ist. Das Zimmer reagiert aber nicht auf Ihr Unbehagen. Es kann sich nicht in Sie hineinversetzen und die Temperatur ändert sich erst, wenn Sie die Heizung herunterdrehen. Bestünden die Zimmerwände jedoch aus einem intelligenten Verbundwerkstoff, nähmen sie hautähnliche Eigenschaften an und könnten spüren, wie Sie sich gerade fühlen – und entsprechend darauf reagieren.
Die „Intelligenz“ einer Brücke oder Straße kann dabei ganz unterschiedliche Ausprägungen annehmen. Das Bauwerk kann intelligent sein, weil es dank der Vernetzung einzelner Werkstoffe und Bauteile mit dem Internet der Dinge (IdD) auf äußere Einflüsse reagieren kann. Vielleicht ist es aber auch besonders nachhaltig, weil es aus einem Mischgewebe aus natürlichen und künstlichen Fasern anstatt aus Beton und Betonstahl entstanden ist, und insofern intelligent.
Eine Brücke oder Straße, die sich an ihre eigene Umgebung anpassen soll, muss von vorneherein auf Multifunktionalität ausgelegt sein. Wäre es nicht viel effizienter, mittels 3D-Druck einen Kabelkanal durch einen Brückenträger zu ziehen, anstatt später, in einem zweiten Bauschritt, ein Kabel von außen zu verlegen? Warum sollte man dies nicht zu einem einzigen Prozessschritt zusammenfassen?
Dank additiver Fertigung ist keine Konstruktion mehr zu komplex. Durch den Einsatz von Robotertechnik und 3D-Druck können wir an den Bau intelligenter Infrastruktur (Brücken, Straßen, Häuser) ganz anders herangehen als bisher, als noch von Menschenhand gebaut wurde. Menschen bauen zum Beispiel traditionell eher senkrechte, rechtwinklige Strukturen. Mit 3D-Druck-Technik ausgestattete Roboter hingegen sind gänzlich frei von diesen Präferenzen und Beschränkungen, denen wir Menschen unterworfen sind.
Bei den Bauvorhaben der Zukunft werden zunehmend flexible Werkstoffe – industriell hergestellte Stoffe wie Kohlefaser und Polymer, aber auch Naturmaterialien wie Seide und Baumwolle – zum Einsatz kommen. Damit bieten sich zahlreiche nachhaltige, leichte und kosteneffizientere Alternativen zum dichten und starren Beton. Schon jetzt werden diese neuartigen Materialien zur Herstellung futuristisch anmutender Möbel oder leistungsstarker Transportmittel genutzt, wie zum Beispiel Jachten aus dem 3D-Drucker.
Sobald man leichtere, leistungsfähigere Materialien, die als Informationsträger oder sogar – ähnlich einem Akku – als Energiespeicher dienen können, mit Sensoren bestückt, kommen die Vorteile dieser neuen Generation des Bauwesens richtig zur Geltung. Verbundmaterialen mit eingebauten FPGAs sind – im Gegensatz zu Beton – langlebig und nachhaltig. 3D-Druck ermöglicht die Integration von Sensoren und Kabel schon in der Bauphase. Auf diese Weise können Brückenträger, Straßen, Häuser und andere Strukturen sich selbst überwachen und die Temperatur, den auf ihnen lastenden Druck und andere Parameter messen, ähnlich wie es das menschliche Nervensystem vermag. Sie könnten sogar miteinander kommunizieren und sich – ebenfalls analog zum menschlichen Körper – selbst reparieren, wodurch eine längere Gebäudelebensdauer erzielt werden könnte.
Bill Kreysler, Präsident von Kreysler & Associates, zählt zu den Ersten, die diese reaktionsfähigen, der Natur nachempfundenen Materialien verwendeten. Die Projekte, in denen er sie bereits eingesetzt hat, reichen von einem Gemeindezentrum im amerikanischen Tulsa, dem Boathouse Pavilion, bis hin zu dem von Zaha Hadid Architects entworfenen Wolkenkratzer One Thousand Museum. Kreysler, der zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn Rennsegler baute, haben wir es auch zu verdanken, dass Glasfaser mittlerweile ein weit verbreiteter Baustoff ist.
Von zentraler Bedeutung sind Verbundwerkstoffe auch für die Automobilindustrie, die derzeit einen großen Umbruch erlebt. Dort werden leichte, synthetische Stoffe verbaut, um zum einen das Fahrzeuggewicht und zum anderen den Schadstoffausstoß zu mindern.
Der Vergleich dieser Stoffe mit der menschlichen Haut ist übrigens umso passender, als dass in ihnen Prozesse ablaufen können, die einer biologischen Reaktion ähneln. Ein Gebäude, das mit solchen zusätzlichen sensorischen Eigenschaften ausgestattet ist, kann sich in Sekundenbruchteilen auf seine Umgebung einstellen. Die Wände der Zukunft werden sich wie biologisches Material verhalten und sich sogar selbst „heilen“ können, wenn sie beschädigt werden.
Nehmen wir einmal an, wir verbauen intelligentes Fasermaterial. Durch diese Fasern fließt ein Kunstharz, ganz so, wie Blut durch unsere Venen fließt, und im Kunstharz befindet sich ein Mikrobläschen, das mit einem ungehärteten, epoxidähnlichen Stoff gefüllt ist. Platzt das Bläschen, kommt der Stoff in Kontakt mit der Luft und beginnt zu oxidieren. Durch diesen Prozess können Risse gestopft werden, was mit der chemischen Reaktion vergleichbar ist, die im menschlichen Körper ausgelöst wird, um eine Wunde zu verschließen.
Die mechanischen Sensoren übernehmen – um bei der Haut-Analogie zu bleiben – die Rolle von Nervenenden, die zu ständiger Anpassung fähig sind. Diese Idee wurde in der Praxis bereits aufgegriffen, wie zahlreiche Experimente mit selbstheilendem Beton zeigen. Doch die Verwendung von Verbundmaterialien als Bauelement wird der Weiterentwicklung dieses Konzepts den entscheidenden – und vor allem nachhaltigeren – Impuls geben.
All das mag zwar nach Science-Fiction klingen, doch diese Technologien gibt es bereits. Und wenn der Mensch noch ein wenig nachhilft, können diese Ideen, die heute noch weit hergeholt scheinen, schon im Laufe des nächsten Jahrzehnts verwirklicht werden. Bevor sich diese fortschrittlichen Baumethoden jedoch endgültig durchsetzen, muss die Branche zunächst experimentierfreudiger werden und wegweisende Projekte in Angriff nehmen, die die Machbarkeit solcher Vorhaben nachweisen. Indem neue Konzepte auf Fassaden und anderen nicht-tragenden Strukturelementen zur Schau gestellt werden, können innovative Köpfe wie Kreysler beweisen, dass Projekte dieser Art sicher, nachhaltig, erschwinglich und effizient sind.
Um allerdings zu zeigen, wozu die Bautechnik der Zukunft alles imstande ist, müssen zunächst in unserer Gegenwart Infrastrukturprojekte speziell zu Lehr- und Informationszwecken ins Leben gerufen werden. Erst wenn die Bauträger das enorme Potenzial, das die Branche aktuell birgt, nicht nur erkennen, sondern auch nutzen, wird der Fortschritt tatsächlich im Bauwesen Einzug halten.