Skip to main content

6 Beispiele für den Einsatz von Generativem Design in der Fertigung

So formschön wie funktional: Die Felgen für den nachgerüsteten VW-Klassiker wurden mit Generativem Design entworfen. Mit freundlicher Genehmigung von Volkswagen Innovation & Engineering Center California.

Innerhalb weniger Jahre hat Generatives Design die Fertigungsbranche im Sturm erobert. Wir listen die schönsten und schrägsten Beispiele aus dem Jahr 2019 im Rückblick.

Von Kleinbetrieben bis zu global tätigen Großkonzernen, von Schwermaschinen bis zu Schutzausrüstung für Extremsportler: Immer mehr Hersteller machen sich die Vorteile der neuen Wunderwaffe zunutze. Generatives Design lässt nicht nur Produktideen möglich werden, auf die zuvor kein Designer oder Konstrukteur gekommen wäre, sondern auch die sprichwörtliche Neuerfindung des Rades – auf minimales Gewicht und maximale Effizienz optimiert – plötzlich durchaus sinnvoll erscheinen. Obwohl die Technologie ihr volles Potenzial noch längst nicht entfaltet hat, verheißt sie bereits heute eine Revolution in der Fertigung, und die Branche reagiert mit coolen und teilweise unerwarteten Entwicklungen.

Weil‘s so schön war – und weil vielleicht nicht alle Leser jeden Beitrag bei seiner Erstveröffentlichung wahrgenommen haben –, möchten wir Ihnen heute noch einmal im Rückblick auf 2019 sechs Beispiele für den erfolgreichen Einsatz von Generativem Design in der Fertigung vorstellen.

1. VW: Generatives Design als Schlüssel zum coolen, nachhaltigen Automobilbau der Zukunft

Zur Feier des 20. Jubiläums des Volkswagen Innovation & Engineering Center in Kalifornien wollte das Unternehmen Tradition und Innovation kombinieren und hat einen klassischen VW-Bus aus dem Jahr 1962 mit zukunftsweisender Technologie nachgerüstet. Dabei kam Generatives Design unter anderem beim Entwerfen von Radfelgen und Außenspiegelbefestigungen zum Zuge.

„Ich als Designer finde es einfach wunderschön“, so Andrew Morandi, Senior-Produktdesigner, Volkswagen Group of America. „Es hat eine vollkommen neue Ästhetik, die wir bei neuen Konzepten und Fahrzeugen künftig immer öfter sehen werden.“ Zum Video

2. DENSO: Kleines Autoteil ganz groß: Die japanische Firma DENSO erfindet die Motorsteuerung neu

Automobilhersteller sind zurzeit um neue Möglichkeiten bemüht, die Motorleistung zu steigern und das Gewicht von Fahrzeugen zu minimieren. Die japanische DENSO Corporation stellte sich dieser Herausforderung und nahm eine Schlüsselkomponente unter die Lupe, die winzig genug ist, um sie in einer Hand zu halten. Die Motorsteuerung ist ein elektronisches Kontrollsystem, das u. a. den genauen Kraftstoffverbrauch berechnet. Dieses System spielt eine wichtige Rolle dabei, die Menge und den richtigen Zeitpunkt des eingespritzten Kraftstoffs zu bestimmen, was die Fahrleistung verbessert und zu einem geringeren Ausstoß schädlicher Emissionen führen kann. Zur Optimierung der Motorsteuerung setzte Akira Okamoto, Direktionsassistent für Produktdesign bei DENSO, auf Generatives Design, um in kurzer Zeit gleich zwei Kernziele umzusetzen: die Reduzierung des Gewichts und die Optimierung der Kühlleistung. Zum Beitrag

A.I. von Kartell unter Mitwirkung von Starck, mit Unterstützung von Autodesk. Mit freundlicher Genehmigung von Kartell.
A.I. von Kartell unter Mitwirkung von Starck, mit Unterstützung von Autodesk. Mit freundlicher Genehmigung von Kartell.

3. Philippe Starck: Eine zukunftsweisende Zusammenarbeit zwischen Design-Genie und Künstlicher Intelligenz

Von Möbeln über Gebrauchsgegenstände bis hin zu Hotels – auf der Erde und im All – kann Philippe Starck ein beeindruckendes Portfolio vorweisen. Nun hat der französische Design-Visionär in Zusammenarbeit mit Autodesk Research und dem italienischen Möbelhersteller Kartell einen Arbeitsstuhl entwickelt, der von einer Künstlichen Intelligenz entworfen wurde. Komplexe Generative-Design-Algorithmen stemmten die Rechenleistung zur Erstellung einer Vielzahl von Gestaltungsoptionen, die sowohl Starcks Konzeptionsvorgaben als auch die Fertigungsanforderungen für die Herstellung im Spritzgussverfahren erfüllten.

Noch stoße die Kreativität des Designers an die Grenzen, „die ihm durch die Fantasie, Begabung und Intelligenz des Programmierers gesetzt sind“, resümiert Starck. „In naher Zukunft wird sich das mit der Entwicklung einer Künstlichen Intelligenz mit kreativer Begabung ändern. Es ist durchaus denkbar, dass ich in ein paar Jahren mein kreatives Potenzial mit diesem Tool steigern könnte.“ Zum Beitrag

4. TU München: Wie Roboy 2.0 als humanoider Roboter ein Abbild vom Menschen wird

Roboy 2.0 ist ein interdisziplinäres Grundlagenforschungsprojekt der Technischen Universität München zur Entwicklung eines Roboters, der dem Menschen im gesamten Auftreten so nahe wie möglich kommen soll. In der aktuellen Entwicklungsstufe kann Roboy bereits auf einem Rad in die Pedale treten, Hände schütteln und Gespräche führen. Er kann Xylofon spielen und Eis verkaufen. 2020 soll er in der Lage sein, grundlegende medizinische Diagnostik durchzuführen.

Mit innovativen Methoden wie 3D-Druck, Generativem Design und anderen hochmodernen technologischen Verfahren bilden die Ingenieure Knochen, Muskeln und Sehnen nach, anstatt – wie im Roboterbau sonst üblich – Gelenke lediglich durch Motoren zu ersetzen. Dadurch gelingt es, das Gewicht wichtiger Bauteile des Roboters deutlich zu reduzieren und die Stabilität gleichzeitig zu erhalten, damit Roboy noch agiler wird. Zum Beitrag

 

5. Edera Safety: Sport ist Mord? Ein neues Rückenprotektor-System verspricht mehr Sicherheit

Die Hälfte der weltweit 250.000 bis 500.000 akuten Rückenmarksverletzungen pro Jahr wird durch Verkehrsunfälle verursacht, immerhin neun Prozent passieren beim (Extrem-)Sport. Dennoch fehlen in vielen Ländern entsprechende Normen und Vorschriften für Rückenprotektoren. Die Wirksamkeit der derzeit erhältlichen Modelle liegt bei vier Prozent, wie ein Grazer Forschungsteam herausgefunden hat. Deswegen arbeitet das Designstudio Edera Safety nun mithilfe von Generativem Design an der Entwicklung eines neuartigen Rückenprotektor-Systems, das sich wie eine zweite Haut um den Körper schnallen lässt.

Ein Vorteil dieses Ansatzes bestand darin, dass sich basierend auf den berechneten Krafteinwirkungen das benötigte Material reduzieren ließ. „Wenn wir nicht mit Generativem Design gearbeitet hätten, hätten wir wohl mehr Material verwendet bzw. das Produkt schwerer gemacht“, so Rene Stiegler, der für die Produktgestaltung zuständig ist. „Die Software sagt uns quasi, wie hoch die Belastung ist, die das Produkt aushalten muss, bzw. wie dick das Material sein muss. Die Entscheidung, wie wir diese Vorgaben in unserem Endprodukt letztlich umsetzen, liegt bei uns.“ Zum Beitrag

6. Claudius Peters: Digitaler Kulturwandel beim Schüttgutriesen Claudius Peters

Claudius Peters ist ein deutsches Traditionsunternehmen, das sich seit seiner Gründung vor über 100 Jahren als Spezialist für Schüttgut- und Verfahrenstechnik für die Verarbeitung von Zement, Kohle, Aluminium und Gips etabliert hat. Wie wehrt man sich als Dinosaurier gegen das Aussterben? Mithilfe von Generativem Design – so will jedenfalls der Chief Digital Officer und Operations Director sein Unternehmen als weltweiten Vorreiter in puncto digitale Innovation positionieren.

Die Konstrukteure testeten die Kapazitäten der Software an einem großen, schwergewichtigen Metallgussteil mit hohen Herstellungskosten. Nach einer vierstündigen Schulungssitzung gelang es ihnen, eine um 25 Prozent leichtere Alternative zu entwerfen. Eine Festigkeits- und Verformungsuntersuchung ergab, dass das neue Teil aus verschweißten lasergeschnittenen Platten in Bezug auf Festigkeit, Fertigungsaufwand und Kosteneffizienz besser abschnitt als das Metallgussteil. Zum Beitrag

Über den Autor

Rosa Trieu lebt und arbeitet als Technische Redakteurin und Journalistin in San Francisco und bemüht sich, komplexe Sachverhalte in allgemein verständlicher Sprache aufzubereiten.

Profile Photo of Rosa Trieu - DE