Skip to main content

Betonhäuser aus dem 3D-Drucker: New Story setzt neue Maßstäbe im Kampf gegen Wohnungsnot

concrete printed house from new story and icon

Seit 1985 hat die UNO den ersten Montag im Oktober zum Welttag des Wohn- und Siedlungswesens bestimmt. Mit Veranstaltungen in zahlreichen Städten weltweit soll der Aktionstag auf den globalen Mangel an bezahlbaren und menschenwürdigen Wohnungen aufmerksam machen. Die Vereinten Nationen, die sich im Rahmen ihrer Nachhaltigskeitsziele bis 2030 zur Halbierung der Armut auf der ganzen Welt verpflichtet haben, zählen das Recht auf Wohnen zu den Menschenrechten der zweiten Generation (wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte).

Laut Schätzungen der UNO lebt weltweit jeder Achte in menschenunwürdigen Bedingungen, also ohne Wasser- und Sanitärversorgung, ausreichenden Wohnraum oder Gewährleistung der physischen Sicherheit. Betroffen sind unter anderem die wachsende Anzahl von Migranten und Flüchtlingen aus politischen Krisengebieten sowie die Bewohner von durch Naturkatastrophen zerstörten Ortschaften.

New Story will hier Abhilfe schaffen und engagiert sich als gemeinnütziges Unternehmen im Wohnungsbau für bedürftige Familien überall auf der Welt. Mit einem Betonhaus aus dem 3D-Drucker setzt das Unternehmen nun neue Maßstäbe und verspricht sich davon erhebliche Effizienzgewinne, die wiederum einen Ausbau seiner globalen Präsenz ermöglichen sollen. Mitgründerin und COO Alexandria Lafci erläutert: „Uns kam es darauf an, Bauzeiten zu verkürzen und Kosten zu senken, ohne Abstriche bei der Qualität zu machen. Billiger, besser und schneller bauen – möglich wird das erst, wenn technische Innovationen die Grenzen des Machbaren verschieben.“

IDP camp in Haiti following 2010 earthquake
Zeltlager auf Haiti in der Folge des Erdbebens von 2010

Neue Ansätze für altbekannte Probleme

Seine Ursprünge hat das Erfolgskonzept von New Story im haitianischen Lévêque, wo viele Menschen fünf Jahre nach dem katastrophalen Erdbeben von 2010 immer noch in provisorischen Notunterkünften hausten.

„Wir gingen von der Annahme aus, dass die Hilfsorganisationen, die vor Ort für die Wiederaufbauarbeit zuständig waren, einiges besser machen könnten“, so Lafci. „Zudem sahen wir erhebliches Verbesserungspotenzial bezüglich der Arbeitsabläufe bei gemeinnützigen Organisationen allgemein.“

In Zusammenarbeit mit einem haitianischen Partnerunternehmen baute die Hilfsorganisation eine begrenzte Anzahl einfacher Häuser aus mit Gips verputzten Betonblöcken mit wahlweise drei oder vier Zimmern, Wellblechdächern, abschließbaren Türen und Lamellenfenstern. Die Arbeitskräfte und Werkstoffe wurden unmittelbar vor Ort beschafft.

Spender wurden unter anderem mithilfe von Videoaufnahmen angesprochen, die die betroffenen Familien zeigten. Dank ihrer Unterstützung entstanden in Lévêque insgesamt 151 Häuser. Inzwischen hat New Story mit 1.113 Bauten an vierzehn Standorten in Haiti, El Salvador, Mexiko und Bolivien weltweit über 6.000 Menschen ein neues Zuhause verschafft, zuletzt im Rahmen eines zehnmonatigen Projekts in El Salvador. Die Baukosten für jedes der achtzig Häuser in Ahuachapánin lagen bei ca. 6.500 US-Dollar (5.700 Euro).

concrete printed house vulcan 3d printer
Digitales Rendering eines Bauprojekts, bei dem Vulcan-Beton eingesetzt wurde. Mit freundlicher Genehmigung von New Story.

Die Grenzen des Machbaren verschieben

Dem Team von New Story ging das immer noch zu langsam. Lafci zog zunächst verschiedene Modular- und Fertigbau-Optionen in Erwägung und stieß im Zuge ihrer Forschungen auf eine andere Lösung: Betondruck. Kontakte aus der Tech-Branche empfahlen ihr ICON, einen der wenigen Anbieter für 3D-Betondrucker.

Anstelle der beim Betondruck häufig verwendeten Spezialzusatzstoffe, damit der Beton besser fließt und aushärtet, entwickelte ICON eine eigene Mörtelmischung, die nur aus Zement, Sand und Wasser besteht. „Wenn ich in abgelegenen Gegenden auf Haiti arbeite, kann ich nicht auf einen Spezialwerkstoff warten, der extra eingeflogen werden muss“, betont Lafci.

Als Machbarkeitsnachweis hat ICON am Unternehmenssitz im texanischen Austin ein Musterhaus mit einer Wohnfläche von 32,50 Quadratmetern gebaut. Das Haus besteht aus Wohnzimmer, Küche, Schlafzimmer, Bad und einer umlaufenden Veranda.


Damit der Drucker unter verschiedenen Witterungsbedingungen eingesetzt werden kann, sind noch ein paar Anpassungen erforderlich. So drang während des Druckvorgangs in Austin immer wieder Regenwasser in die Pumpe ein. Aktuell arbeitet man bei ICON an einem Nachfolgemodell des Vulcan-Betondruckers, das robust genug ist, um den Lastwagentransport in unwirtliche Gegenden zu überstehen, und auch ohne zuverlässige Stromversorgung und sauberes Wasser funktioniert.

Solide Wertarbeit in kurzer Zeit und für wenig Geld

3D-Betondruck liegt weltweit voll im Trend. Planern gefällt daran vor allem die Freiheit, komplexe Formen gestalten zu können, die jenseits der Machbarkeitsgrenzen herkömmlicher Bauverfahren liegen. Für die Planung des Musterhauses in Austin setzte das Architekturbüro Logan Architecture auf Revit von Autodesk; die Baustatiker arbeiteten mit AutoCAD.

Die Sachzwänge, denen die Planer dabei unterlagen, seien nicht wesentlich anders gewesen als bei herkömmlichen Betonbauten, berichtet Firmengründer Andrew Logan. Nach den Vorgaben der Bauingenieure von ICON zur Wanddicke erstellte Logan in Revit eine family-Datei. Die Tragwerksplanung wurde dann mit AutoCAD erstellt.

concrete printed house new story
Das Billighaus von New Story besteht aus Wohnzimmer, Küche, Schlafzimmer, Bad und umlaufender Veranda. Mit freundlicher Genehmigung von New Story.

Beim Musterhaus in Austin stellte Logan die neuen Möglichkeiten, die der Einsatz von 3D-Druck bei Bauvorhaben bringt, durch geschwungene Wände zur Schau. ICON nutzt ein firmeneigenes Software-Tool zur Übersetzung von AutoCAD-Dateien in eine Programmiersprache namens g-code, die die Bewegung von Maschinen steuert.

„Das Interessante am Hausbau mit 3D-Druckern ist, dass er zahlreiche neue Möglichkeiten eröffnet, die mit herkömmlichen Bauverfahren sehr schwierig, teuer oder überhaupt nicht machbar gewesen wären“, so Jason Ballard, Mitgründer und CEO von ICON. „Geschwungene, abgeschrägte, organische und biomorphe Formen sind jetzt nicht nur machbar, sondern richtiggehend einfach, ohne dass sich dadurch die Kosten erhöhen.“

Mit dieser Technologie kann New Story die Bauzeit auf weniger als 24 Stunden und die Kosten auf 4.000 US-Dollar (3.500 Euro) reduzieren. Zudem hält der Drucker die Planungsvorgaben präzise ein, sodass auch das Thema Pfusch am Bau ein für alle Mal abgehakt wäre.

Der Großteil der Kosten entfällt dabei auf den Drucker. Die erforderlichen Werkstoffe sind billig und einfach zu beschaffen, und die Arbeitskosten verringern sich erheblich. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass sich 3D-gedruckte Wohnhäuser problemlos an unterschiedliche örtliche Gegebenheiten und Bedürfnisse anpassen lassen. Dies ist umso wichtiger, als New Story die zukünftigen Bewohner der Häuser prinzipiell in die Planung einbezieht. CAD-basierte Baupläne lassen sich schnell modifizieren, sodass die Bauleiter auf eine Vielzahl von Druckvorlagen zurückgreifen können.

Ein neuer Prototyp für den sozialen Wohnungsbau

Die zur Finanzierung der nächsten Generation von Vulcan-Druckern erforderlichen 600.000 US-Dollar werden als F&E-Investitionen von Großspendern aufgebracht. Ein weiterer Spendenaufruf richtet sich an Privatpersonen; diese Gelder sind ausschließlich zur Deckung der Arbeits- und Werkstoffkosten bestimmt. Bei New Story ist man überzeugt, dass sich die Investition eines Betrags, der zum Bau einer ganzen Ortschaft ausreichen würde, langfristig lohnen wird: Von dem neuen Drucker verspricht man sich nämlich Kosteneinsparungen in Höhe von 2.500 US-Dollar pro Haus.

concrete printed house logan architecture
Mithilfe des erfolgreichen Musterhauses im texanischen Austin hat New Story eine Spendenaktion zur Finanzierung des Nachfolgemodells für den Vulcan-Drucker sowie einer für 2019 geplanten 3D-gedruckten Ortschaft gestartet. Mit freundlicher Genehmigung von Logan Architecture.

Zudem hofft man, dass andere Hilfsorganisationen sowohl das Gesamtkonzept als auch das 3D-Druckverfahren als solches übernehmen werden. New Story arbeitet derzeit daran, das System für andere gemeinnützige Bauunternehmen reproduzierbar zu machen. Dazu sollen mobile Apps entwickelt werden, die interessierte Unternehmen bei der Erfassung von Daten zur Nutzung der Häuser bzw. Projektleitung und Qualitätssicherung für Bauvorhaben in ländlichen Gebieten unterstützen. Angedacht ist auch die Bereitstellung eines Portfolios an Druckvorlagen für Wohnhäuser.

„Die Entwicklung im Wohnungsbau geht ziemlich schleppend voran“, meint Lafci. „Wir bauen seit 30 Jahren genau die gleichen Häuser ohne wesentliche Verbesserungen, Informationen über die Gebäudeleistung oder Einsichten in die emotionalen Faktoren, die für die betroffenen Familien eine Rolle spielen.“

Für 2019 ist die Errichtung der weltweit ersten Ortschaft aus dem 3D-Drucker geplant; New Story ist in Lateinamerika auf der Suche nach geeignetem Bauland und einem Partner vor Ort. Wenn es dem Unternehmen gelingt, das gesamte Ökosystem des sozialen Wohnungsbaus auf eine solidere und effizientere Basis zu stellen, „dann könnten wir noch zu unseren Lebzeiten einen spürbaren Unterschied herbeiführen“, so Lafci.