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Mehr als Airbnb und Uber: Die Produktion als Sharing Economy

Teilen (Neudeutsch: Sharing) ist neuerdings angesagt – vor allem in der Sharing Economy.

Airbnb hilft uns einen Schlafplatz zu finden. Die Uber-Mitfahrgelegenheit organisieren wir per Smartphone. Und wenn eine Besorgung ansteht, laufen wir einfach zum nächsten Carsharing‑Standort, leihen uns ein Auto und lassen es dann für den nächsten Benutzer an einem komplett anderen Ort stehen.

Die Bezeichnung Sharing Economy ist jedoch etwas irreführend, denn eigentlich wird kaum etwas geteilt. Vielmehr handelt es sich um eine Access Economy, also darum, Zugang zu Gütern und Dienstleistungen zu erhalten. Für Konsumenten ist dies ein relativ neues Konzept, wobei aus Produkten, Immobilien und sogar alltäglichen Aktivitäten wie Autofahren Dienstleistungen werden, mit denen ein Einkommen erzielt wird.

In der Produktion hingegen ist es nicht mehr ganz so neu und wird seit Jahren praktiziert, zum Beispiel indem Maschinen gemietet werden. Nehmen wir an, in einer Fabrik ist eine bestimmte Maschine vorhanden, die Sie zum Spritzen eines Kunststoffteils benötigen. Sie erhalten Zugang zur Maschine der Fabrik und können Ihr Spielzeug, Ihre Flasche oder Ihren Griff produzieren lassen. Ihre Bestellung wird verschickt und schon können Sie Ihr Produkt verwenden. Nur die größten Unternehmen können es sich leisten, eigene Fabriken zu bauen, und selbst sie produzieren nicht alles im eigenen Werk. Unternehmen bezahlen für die Möglichkeit zum „Teilen“ der Maschinen, die ihre Produkte, Teile oder Geräte herstellen und verpacken …

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Im Bereich Produktion gibt es jedoch eine Besonderheit: Man versucht immer einen Schritt voraus zu sein und zwar aus guten finanziellen Gründen. Momentan steht die Industrie an der Schwelle zu noch größeren Durchbrüchen bezüglich Zugang und Effizienz. Das „Teilen“ von Produktionsressourcen erreicht sowohl in Bezug auf Maschinen als auch Ideen neue Dimensionen. Und dieses Mal werden sogar die Konsumenten einbezogen.

Zugang zu Software und lokalen öffentlichen Werkstätten

Bei der Entwicklung eines jeden Produkts beginnt man zunächst mit dem Design und heute kann jeder ein Designer sein. Sind Sie ein normaler Konsument, Anhänger der blühenden Maker‑Bewegung oder ein ausgebildeter Industriedesigner? Egal: Sie können mitmachen – unabhängig davon, ob es um Möbel, Schuhe, Kostüme oder das nächste vernetzte Produkt geht. Noch nie war es so leicht, Zugang zu Design‑Software zu erhalten und das über alle Niveaustufen hinweg, vom Anfänger bis zum Profi. Zu verdanken ist dies Produkten wie Tinkerplay, Tinkercad, oder Autodesk Fusion 360.

Die Produktionstüren stehen nun weit offen. In den USA entstehen immer mehr sogenannte TechShops. Als Mitglied erhalten Sie in diesen offenen Werkstätten Zugang zum 3D-Drucker oder zur CNC-Maschine Ihrer Träume. Des Weiteren steigt dort die Zahl der öffentlichen Bibliotheken, die für ihre Mitglieder kostenlos zugängliche Makerspaces einrichten, zum Beispiel in Cincinnati, Chicago oder San Diego. Auch in Deutschland bieten u. a. die Stadtbibliothek Hamburg, die Stadtbibliothek Köln sowie die SLUB Dresden ihren Mitgliedern bereits die Möglichkeit, dort vorhandene 3D‑Drucker zu nutzen.

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Allgemein werden 3D‑Drucker immer zugänglicher. Sie müssen nicht mal direkten Zugang zum Drucker haben, wenn Sie nicht selbst aktiv werden wollen. Ein Drucker befindet sich ganz in der Nähe, bieten doch beispielsweise Staples und UPS in den USA bereits 3D‑Druck in ihren Filialen an und in Deutschland startete der Elektronikhändler Conrad ein ähnliches Pilotprojekt. Man kann ein Design zum Druck und Versand bei Shapeways hochladen oder auf 3D Hubs einen Drucker vor Ort ausfindig machen. Wenn Sie in der Lage sind, das Design zu entwickeln, können Sie es auch in 3D drucken.

Und wissen Sie was? Sie können es auch teilen. Websites wie Instructables oder Expli im deutschsprachigen Raum bieten neue Möglichkeiten zur Veröffentlichung Ihres Designs oder stellen ganze Marktplätze zur Verfügung, die Ihnen beim Verkauf helfen, wie zum Beispiel der Online-Marktplatz für Handgemachtes Dawanda.

Selbst Großkonzerne beziehen Kunden heute in die Fertigung ein

Das „Teilen“ in der Produktion hat sich als fester Bestandteil der Unternehmenskultur etabliert. Die Hersteller sind nicht mehr nur an Ihrem Feedback interessiert: Sie wollen, dass Sie sich von Anfang an am Design beteiligen.

Ein Beispiel dafür ist das ambitionierte Gemeinschaftsprojekt von GE und Local Motors, eine Initiative namens FirstBuild. Ihre Mission besteht darin, „eine neue Welt der Haushaltsgeräte zu erschaffen, indem eine sozial engagierte Gemeinschaft bestehend aus Hobbybastlern, Designern, Ingenieuren und Herstellern entsteht, die Ideen teilen, ausprobieren und echte Produkte bauen, um Ihr Leben zu verbessern.“

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Opal ist eine von der FirstBuild Community entwickelte Eiswürfelmaschine für den Heimbereich. Mit freundlicher Genehmigung von FirstBuild.

Dank der Zusammenarbeit bei der Gestaltung entwickelt sich derzeit eine komplett neue Dynamik. Den Unternehmen ist es möglich, Innovationen gemeinsam mit den Anwendern und anderen Designern voranzutreiben. Die Zeit der Isolation ist vorbei. Außerdem produziert FirstBuild seine Designs in einer Mikrofabrik: eine wachsende Tendenz, bei der es vor allem darum geht, Prototypentwicklung, Herstellung und Zusammenbau in unglaublich kurzer Zeit abzuschließen und zwar alles unter einem Dach.

Die 7500 Mitglieder der stetig wachsenden Community überfluten die Website mit Ideen. Davon zeugt zum Beispiel die aktuelle Erfolgsgeschichte der Eiswürfelmaschine Opal von GE. Sie wurde für diejenigen entwickelt, die weiche, kaubare Eiswürfel mögen. GE sagt dazu: „In Bezug auf Standards in der Produktentwicklung – es kann bis zu vier Jahre dauern, bis ein neues Gerät entwickelt wurde – erreicht die Entwicklung von Opal beinahe Warpgeschwindigkeit.“ Erst im März 2015 hatte FirstBuild seine Community dazu aufgefordert, eine kompakte Eiswürfelmaschine zu entwerfen, die bis zu 500 g Eiswürfel pro Stunde erzeugen kann.

„Nach diesem Aufruf gingen insgesamt 30 Entwürfe ein. Der Gewinnervorschlag, den ein unabhängiger Designer aus dem mexikanischen Guadalajara eingesandt hatte, wurde nur einen Monat nach Wettbewerbsbeginn gewählt“, schreibt das Unternehmen weiter. „Der erste Prototyp verließ die Mikrofabrik von FirstBuild Anfang Juli.“

Die Zeit für ein fertiges Produkt von vier Jahren auf vier Monate verkürzen? Ein 3D-Drucker gleich um die Ecke? Teilen war noch nie so attraktiv wie heute.

Über den Autor

Dr. Andrew Anagnost ist President und Chief Executive Officer von Autodesk. Bereits seit mehr als 25 Jahren unterstützt er anhand effektiver Produkt-, Business- und Marketinginitiativen die Unternehmensstrategien, Transformationsvorhaben und Produktentwicklung von Unternehmen wie Autodesk, der Lockheed Aeronautical Systems Company und der EXA Corporation. Er promovierte an der Stanford University und arbeitete anschließend als Postdoktorand des National Research Council am Ames Research Center der NASA. Dr. Anagnost schloss sich Autodesk 1997 an und hatte seitdem mehrere Positionen im Bereich Marketing, Neugeschäftsentwicklung, Produktmanagement und Produktentwicklung inne. Bevor er 2017 President und CEO von Autodesk wurde, war er als Chief Marketing Officer und SVP für den Bereich Business Strategy & Marketing tätig. In dieser Rolle plante und lenkte er die Transformation des Geschäftsmodells zum Software-as-a-Service(SaaS)-basierten Angebotsmodell. Zuvor war Dr. Anagnost in diversen leitenden Positionen im Unternehmen tätig. Ganz zu Beginn seiner Karriere bei Autodesk verantwortete er die Entwicklungsaktivitäten für das Fertigungsproduktangebot und steigerte dabei die Umsätze für Autodesk Inventor auf über 460 Millionen Euro. Dr. Anagnost ist Vorstandsmitglied von Autodesk. Er hat einen Bachelor of Science in Maschinenbautechnik von der California State University, Northridge (CSUN), einen Master of Science in Ingenieurwissenschaften und einen Doktor in Luftfahrttechnik und Computerwissenschaft von der Stanford University.

Profile Photo of Andrew Anagnost, Autodesk CEO - DE