Warum BIM in der Landschaftsarchitektur Wurzeln schlagen sollte
Landschaftsarchitektin Lauren Schmidt machte schon früh in ihrer Karriere eine wichtige Entdeckung. Obwohl BIM (Building Information Modeling) in ihrem Berufszweig traditionell eher selten zum Einsatz kommt, erkannte sie, dass das „I“ in BIM (nämlich die Informationen für das 3D-Modell) das Potenzial barg, etwas wahrhaft Großes in der Landschaftsarchitektur zu bewirken.
Als Mitarbeiterin des in Seattle ansässigen Landschaftsarchitekturbüros GGN durfte Schmidt BIM-Technologie bereits im Rahmen ihrer eigenen Projekte erproben. Allerdings musste sie zu ihrer Enttäuschung feststellen, dass es an Informationen bezüglich der Verwendung von BIM in der Landschaftsarchitektur mangelte. Eine Lösung dafür hatte sie schnell parat: Sie stellte im Internet einen Video-Kurs zur Nutzung von Revit in der Landschaftsarchitektur auf die Beine und verfasste einen Artikel zu diesem Thema auf ihrem Blog landarchBIM.
Überdies schreibt Schmidt eine Kolumne für den Architektur-Blog World Landscape Architecture (WLA) und erstellt massenweise Material für 3D-Modelle, die auf einen Industriezweig zugeschnitten sind, der bei der Anwendung von BIM anderen Berufsfeldern wie Gebäudearchitektur, Ingenieurwesen oder Bauindustrie hinterherhinkt.
„Als Landschaftsarchitektin werde ich immer wieder von anderen Architekten gefragt, warum ich [Autodesk] Revit verwende“, erzählt Schmidt. „Die Antwort ist ganz offensichtlich: aus genau denselben Gründen, aus denen Architekten und Bauplaner es auch benutzen. Für alle, die sich mit der Software und ihrem breiten Anwendungsbereich auskennen, liegt das klar auf der Hand, aber denjenigen, die nicht regelmäßig damit arbeiten, reicht diese Begründung nicht aus.“
Schmidts Fachkompetenz für BIM in der Landschaftsarchitektur sticht umso mehr heraus, da es neben ihr nur wenige weitere Experten auf diesem Gebiet gibt. „Es hat den Anschein, als sei die Landschaftsarchitektur nur ein kleinerer Berufszweig in der Verästelung von Architektur und Bauwesen, und vielleicht wird sie bei den momentan verfügbaren Hilfstechnologien ein wenig vernachlässigt“, mutmaßt sie. „Mit anderen Worten: Wir haben keinen besonders großen Marktanteil.“
Landschaftsarchitekten beginnen, BIM einzusetzen – auch aus Kostengründen
Noch anders ausgedrückt: Landschaftsarchitekten befinden sich heute in der gleichen Lage wie Landvermesser und Bauingenieure vor einigen Jahren. Damals begann deren Kundschaft, also Architekten und Bauträger, BIM und Modellplanung im großen Stil anzuwenden, und so sah man sich gezwungen, entsprechend nachzuziehen. Als eindrucksvolles Beispiel für die Zusammenarbeit mithilfe von BIM führt Schmidt das Gemeinschaftsprojekt mit LMN Architects an, in dem zurzeit der Anbau des Washington State Convention Center neugestaltet wird.
Im Jahr 2015 hielt Schmidt einen Vortrag in Budapest. Schon damals kam sie zum Schluss: „Die Arbeit mit BIM ist sowohl in der Architektur als auch im Bauwesen längst zum Standard geworden und viele Eigentümer und staatliche Auftraggeber haben ihre eigenen BIM-Vorgaben. Bei all den finanziellen und zeitlichen Einsparungen ist das auch wenig verwunderlich. Von der Arbeit mit der Software mal ganz abgesehen, möchte ich daher alle Landschaftsarchitekten dazu ermutigen, sich weiterzubilden und sich mit BIM auseinanderzusetzen. Wenn wir uns alle über den Anwendungsbereich und die Vorteile im Klaren sind, können wir gemeinsam die Entwicklung der Landschaftsarchitektur und der Software weiter verbessern.“
Die Herausforderungen auf diesem Weg sind nicht zu unterschätzen: Es gibt im Prinzip keine 3D-Modell-Technologie, die für die Verwendung in der Landschaftsarchitektur vorgesehen ist. „Und auch Revit“, erläutert Schmidt, „ist nicht für die Arbeit im landschaftlichen Bereich optimiert.“
Warum also sollten Landschaftsarchitekten BIM nutzen? Immerhin steht das „B“ doch für „Building“, also das Modellieren von Gebäuden. Was spricht gegen die Verwendung von bewährter Planungssoftware im Bauingenieurwesen, die doch zumindest für die Arbeit über und unter der Erde ausgelegt ist?
„Bei Großbauprojekten besteht die Rolle von Landschaftsarchitekten häufig darin, die Arbeit der Architekten mit der Arbeit der Bauingenieure zu verbinden und beispielsweise Lösungen für Gefälle oder Entwässerungen zu entwerfen“, erklärt Schmidt. „Das ist mit gewissen Herausforderungen verbunden. Wir müssen sozusagen die ‚Zwischenräume‘ in die Planung einbeziehen, wie zum Beispiel Schwellen- und Eingangsbereiche, Schutzmauern und Gehwege. Je früher wir also auf die Modelle der Architekten und Bauingenieure zugreifen können, desto besser.“
Auf das “I” in BIM kommt es an
Bei der Wahl der richtigen Planungstechnologie kommt es laut Schmidt insbesondere auf das „I“ in BIM an – also auf die Informationen. In einem ihrer Artikel auf WLA schreibt sie: „Der entscheidende Unterschied zwischen einem klassischem 3D-Modell und BIM ist die Menge an Informationen (oder Daten) innerhalb des Modells. Der zu Grunde liegende Gedanke dabei ist, dass jedes Objekt im Modell Informationen enthält, die für dieses Objekt relevant sind. Ein Baum würde beispielsweise innerhalb einer BIM-Landschaft über alle Parameter verfügen, die zum Zeitpunkt des Pflanzens des Baumes notwendig sind, also seine wissenschaftliche Bezeichnung, die Länge seiner Wurzeln, seinen Zustand und seine Höhe beim Einpflanzen. Darüber hinaus könnte er Informationen enthalten, die für die längerfristige Planung wichtig sind, zum Beispiel seine ausgewachsene Höhe, das Ausmaß der Baumkrone, den Licht- und Wasserbedarf und die Blütezeit.“
Sind diese Informationen bereits im Modell enthalten, kann dies die Arbeit weitaus effizienter gestalten, etwa durch automatisierte Mengenplanung oder Materialauflistung. Eine frühzeitigere und gezieltere Zusammenarbeit mit den anderen Berufsfeldern, die an einem Projekt beteiligt sind, ermögliche Landschaftsarchitekten außerdem, so Schmidt, „einen Platz am Planungstisch“. Vor allem aber führe dies zu besseren Ergebnissen in der Planung: „Die Informationen im Modell können entscheidende Entschlüsse hervorbringen – etwa, wie man Regenwasser am besten auffangen und speichern kann.“
„Einer der größten Vorteile von BIM ist die Möglichkeit, Bauunterlagen direkt anhand des Modells zu erstellen“, fährt Schmidt fort. „Pläne, Schnittzeichnungen und Höhenansichten werden durch die Verwendung spezieller Vorlagen im Handumdrehen automatisch erstellt. Und die Elemente in diesen Ansichten können erstaunlich detailliert und präzise sein.“ Das gilt weitgehend auch für die Schnittzeichnungen, die Bauingenieuren zur Verfügung gestellt werden, sowie für Kostenschätzungen und Planungsdaten.
Noch mag BIM nicht hundertprozentig für die Nutzung in der Landschaftsarchitektur optimiert sein, doch setzt sich die Methode zunehmend als geradezu unerlässlicher Bestandteil der Planung von Flächenentwicklungen im Rahmen großer und komplexer Bauprojekte durch – und zwar aus denselben Gründen, warum sie für große Bauwerke schon längst zum Standard geworden ist.
„Es mag zunächst den Anschein haben, die Arbeit mit Technologien, die nicht speziell für unseren Berufszweig entwickelt worden sind, würde Kosten verursachen und der Planungsarbeit keinen Mehrwert bescheren“, so Schmidt. „Aber letztendlich ist BIM wesentlich effizienter und das spart wiederum Geld. Und da Geld ein treibender Motor ist, ist es nicht verwunderlich, dass Architekten, Unternehmer, Auftraggeber – und nun eben auch Landschaftsarchitekten – in immer größerer Zahl BIM bei ihren Projekten einbeziehen und sogar zur Voraussetzung machen.“
So viel steht fest: Es ist allerhöchste Zeit, dass Landschaftsarchitekten dem Baum ihrer Planung die Krone aufsetzen und mit der Verwendung von BIM anfangen. Oder, wie Schmidt es auf den Punkt bringt: „Wenn wir BIM nicht in unsere Arbeit aufnehmen, sägen wir an dem Ast, auf dem wir sitzen. Jemand anders wird die Gelegenheit nutzen und uns die Aufträge wegschnappen.“