Schnee von morgen: Start-up Neuschnee setzt auf nachhaltige Schneeproduktion auf Basis von Kunstwolken
Wer schon mal Ski gefahren ist (oder schon mal Wintersport im Fernsehen gesehen hat), dem dürften auch Schneekanonen ein Begriff sein. Gemeint sind die zylinderförmigen Anlagen, die Skipisten mithilfe riesiger Propeller mit Kunstschnee beschneien, um die Wintersportsaison in den Skigebieten zu verlängern und Pisten durch die Beseitigung von Unebenheiten sicherer zu gestalten.
Keine Frage: Herkömmliche Beschneiungssysteme haben sich als effektiv bewährt und sind aus der Wintersportbranche kaum noch wegzudenken. Dennoch lassen sie in puncto Wasser- und Stromverbrauch einiges zu wünschen übrig. Genau damit soll ab sofort Schluss sein: Das österreichische Start-up Neuschnee hat eine Methode zur natürlichen Schneeproduktion entwickelt, die genauso elegant wie effektiv ist – kein Wunder, wenn man bedenkt, wo sich das Unternehmen nach eigener Aussage Anregungen geholt hat. Geschäftsführer Michael Bacher erklärt: „Wir hielten es für die einfachste Lösung, die Natur nachzuahmen, eine Wolke zu erzeugen und es tatsächlich schneien zu lassen.“
Traditionelle Beschneiungsanlagen verfahren allesamt nach dem gleichen Prinzip: Sie mischen Wasser und Luft, um daraus Schnee herzustellen. Dabei gilt es jedoch, zum einen die angewandte Methode und die daraus resultierende Schneequalität und zum anderen – was noch wichtiger ist – den Wasserverbrauch des Systems und die dadurch verursachte Umweltbelastung zu beachten. „Alleine in Österreich fließen pro Saison etwa 50 Millionen Kubikmeter Wasser in die Erzeugung von Kunstschnee“, so Bacher. „Wir sehen es als unsere Verantwortung, eine möglichst effiziente Methode zur Schneeproduktion zu entwickeln.”
Entwicklung der Wolkenkammer
Bevor er sein Unternehmen gründete, setzte sich Bacher eingehend mit der sogenannten Rheologie von Schnee auseinander. Die auch als „Fließkunde“ bezeichnete Disziplin befasst sich mit dem Verformungs- und Fließverhalten von Schnee, der aufgrund der Schwerkraft nach unten fließt. Gemeinsam mit Kollegen der Universität für Bodenkultur Wien sowie der Technischen Universität Wien begann er, die Möglichkeit einer Anlage zu erkunden, in der Schnee nach natürlichem Vorbild bei Minustemperaturen erzeugt wird – ganz so wie in einer Wolke. Man wollte sich von herkömmlichen Schneekanonen wegbewegen, die auf gänzlich andere physikalische Prozesse vertrauen, um Kunstschnee zu produzieren und auf Skipisten zu verteilen.
„Wir können bei geringerem Wasserverbrauch pro Zeiteinheit die gleiche Menge an Schnee herstellen“, fährt Bacher fort. „Wenn man weniger Wasser in das System pumpen muss, spart man zum einen natürlich Wasser, zum anderen verbrauchen auch die Pumpen, die es zu den Schneekanonen befördern, weniger Strom.“
Neuschnee hat seine Beschneiungsanlage bezeichnenderweise „Wolkenkammer“ getauft. Die beeindruckende Konstruktion ist in etwa so groß wie ein Wassertank für den Gartenbedarf und besteht aus einer strapazierfähigen Polyethylen-Plane, die stramm um einen Aluminiumrahmen mit fast 3 Kubikmetern Durchmesser gespannt ist und – durch Stahlstützen getragen – förmlich in der Luft zu schweben scheint. Die Wolkenkammer kann bis zu 15 Kubikmeter Schnee mit nur einem Kubikmeter Wasser produzieren.
„Wir orientieren uns an der Natur und lassen einzelne Wassertropfen gefrieren und anschließend verdampfen“, so Bacher über die Produktion von Schneekristallen in seiner Wolkenkammer. „Dann blasen wir kleinste Eispartikel in das System und versuchen, den in der Wolke enthaltenen Wasserdampf aufzufangen. Das Eis wirkt wie ein Magnet, das Moleküle stärker anzieht als die vorhandenen Wassertropfen. Hierdurch entstehen – je nach Temperatur in der Kammer – Eiskristalle oder Schneeflocken.“ So kann auf natürliche Art und Weise echter Schnee erzeugt werden, der anschließend durch eine Öffnung am unteren Ende der Kammer nach außen geleitet wird. Und das Beste: Hierzu wird weitaus weniger Strom benötigt als bei der Verwendung herkömmlicher Schneekanonen.
„Man kann nicht einfach über die Infrastruktur hinwegsehen, die zum Betrieb von Schneekanonen oder -lanzen benötigt wird“, fügt Bacher hinzu und bezieht sich dabei auf die Pumpen, Verteilungssysteme und Ventilatoren, die im Rahmen traditioneller Beschneiungsanlagen zum Einsatz kommen. Neben dem hohen Stromverbrauch weisen Schneekanonen auch einen erheblichen Wasserverlust auf. Tatsächlich werden hier infolge der hohen Menge an Kunstschnee, die während der Produktion einfach verfließt, bis zu 40 Prozent des verwendeten Wassers verschwendet.
Die Erschließung des „grünen“ Beschneiungsmarkts
Das Team von Neuschnee ist bereits früh zu der Erkenntnis gekommen, dass die Beschneiung größerer Gebiete mit dieser Technologie wenig kosteneffizient ist – zumindest vorerst. „Wir haben von dem Gedanken Abstand genommen, ganze Skipisten mit Schnee zu bedecken. Stattdessen wollen wir mit kleineren Flächen beginnen, die wir täglich mit frischem Schnee versorgen“, erklärt Bacher.
Skigebiete könnten laut Bacher zu einem zukünftigen Markt für die neue Technologie werden. Zwar verwenden Skiresorts in ihren Werbeauftritten in der Regel Bilder, auf denen Naturschnee zu sehen ist. In Wirklichkeit lässt sich schwerer Kunstschnee aufgrund seiner hohen Dichte jedoch besser glätten und für den Einsatz auf Pisten präparieren. „Im Zuge der weiteren Entwicklung unserer Technologie werden wir unsere Produktionskapazität auf jeden Fall steigern“, so Bacher. „Statt 0,65 Kubikmeter werden wir in der Lage sein, 15 oder sogar 16 Kubikmeter Schnee pro Stunde zu produzieren – so könnten wir zu einem echten Konkurrenten für herkömmliche Schneekanonen werden.“
Zunächst einmal soll sich die Wolkenkammer jedoch im Rahmen kleinerer Eissporthallen oder Snowboardparks bewähren. Zwar könnte die Wolkenkammer sich durchaus als Segen für größere Gebiete wie zum Beispiel Skipisten erweisen, gemäß seinen Grundsätzen als Wissenschaftler bevorzugt Bacher jedoch, die Daten für sich selbst sprechen zu lassen.
„Unsere Strategie für das erste und sogar das zweite Jahr besteht darin, zu beweisen, dass das System hält, was es verspricht“, erklärt er. „Wir sind noch nicht so weit, dass wir Betreiber von Skipisten und -resorts überzeugen können, gleich 100 Anlagen zu bestellen. Das ist eher ein Szenario, das in Zukunft möglich sein wird, wenn wir anhand konkreter Daten in der Lage sein werden, die Vorteile unserer Technologie gegenüber den bisherigen Methoden zur Schneeproduktion zu belegen. Momentan können wir allerdings nur die Daten unserer Testgeräte vorlegen. Zwar lässt sich daraus auf eine positive Zukunftsprognose schließen, aber zurzeit fehlt es uns an handfesten Beweisen.“
Auch auf den Kostenaufwand für die Einführung der neuen Technologie angesprochen, bleibt der Neuschnee-CEO realistisch. Trotz der erheblichen Vorteile für die Umwelt und seiner Überzeugung, dass es nur genügend Wolkenkammern bedürfte, um ein ganzes Skigebiet mit Schnee zu versorgen, ist ihm bewusst, dass Schneekanonen ein fest verankerter Bestandteil eines jeden Skiresorts sind. „Betreiber werden sagen: Wir haben eine Menge Geld investiert, wir sind zufrieden mit unserem dichten Kunstschnee und alle arbeiten mit dieser Methode“, so Bacher.
„In Sachen Produktionskapazität – das ist die hergestellte Menge an Schnee pro Zeiteinheit – kann unsere Wolkenkammer nicht mit anderen Systemen mithalten“, fügt er hinzu. „Auch unsere Preise fallen höher aus; wir sind ein kleines Unternehmen und können es uns nicht leisten, uns in dieser Hinsicht an die Konkurrenz anzupassen.“
Dennoch werden Skiresorts in Bachers Augen in Zukunft eine Rolle für das Unternehmen spielen. Allein in Österreich gibt es genügend Resorts, um Bacher und sein Team die kommenden Jahre über Wasser zu halten – und wer weiß, vielleicht wird das Unternehmen es in Zukunft auch auf dem internationalen Markt schneien lassen.