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Visionär und Architekt I. M. Pei: eine Karriere zwischen Ablehnung und Erfolg

War vor allem für seine Museumsbauten bekannt: I. M. Pei

Ieoh Ming (I. M.) Pei war ein chinesisch-amerikanischer Architekt. Mit seinen kreativen Ideen prägte er vor allem Museumsgebäude wie die Pyramide des Louvres. Dieses Jahr hätte er seinen 102. Geburtstag gefeiert. Ein Rückblick.

Im Jahr 2017 fand im legendären Rainbow Room im 65. Stock des New Yorker Rockefeller Center eine Feier zu Ehren des 100. Geburtstages des angesehenen chinesisch-amerikanischen Architekten I. M. Pei statt. Das Genie hinter der Glaspyramide am Louvre hatte gerade sein 11. Lebensjahrzehnt erreicht. Im Rollstuhl sitzend, mit einem warmen Lächeln hinter seiner Brille, verbreitete er seinen typischen Charme.

Der inzwischen verstorbene Pei feierte dieses Jahr im April seinen 102. Geburtstag, und so bemerkenswert der Pritzker-Architektur-Preisträger in Körper und Geist gealtert war, gewann auch sein Werk – eine Verschmelzung westlicher modernistischer Architektur mit östlichen Landschaftstraditionen – mit der Zeit an Gunst.

Seine Glaspyramide, von der französischen Tageszeitung Le Figaro einst als „abscheulich“ bezeichnet, hat dem Eiffelturm als Wahrzeichen von Paris inzwischen fast den Rang abgelaufen. Jean-Luc Martinez, Präsident und Direktor des Louvre, nannte es einmal „das moderne Symbol des Museums“, ein Meisterwerk auf gleicher Stufe mit „der Mona Lisa, der Venus von Milo und der Nike von Samothrake“.

Peis symbolträchtige Glaspyramide am Louvre in Paris.
Peis symbolträchtige Glaspyramide am Louvre in Paris.

Viele seiner anderen, zunächst kritisch aufgenommenen Projekte haben eine ähnliche Kehrtwende erlebt. Das kantige, aus Glas und Marmor gebaute Ostgebäude der Nationalen Kunstgalerie in Washington D.C. – seinerzeit als zu unnachgiebig modernistisch und dem Originalgebäude unterlegen erachtet – erfreut sich heute nahezu ausnahmsloser Bewunderung.

Architekturkritiker Carter Wiseman ist Autor und Dozent an der Yale University. Er zählt Peis spätere Projekte zu seinen besten: Das in den Bergen außerhalb der japanischen Stadt Kyoto gelegene Miho Museum und die kubistischen Formen des Museums für Islamische Kunst in Doha, der Hauptstadt von Katar, sind seiner Meinung nach Beispiele für die „Sensibilität und Fähigkeit des Architekten, Stimmen aus der Vergangenheit auf eine Weise zum Ausdruck zu bringen, die alles anders als imitierend oder disneyhaft ist“.

Das Miho Museum in der Nähe von Kyoto. Mit freundlicher Genehmigung des Miho Museums.
Das Miho Museum in der Nähe von Kyoto. Mit freundlicher Genehmigung des Miho Museums.

Peis Weg zum Ruhm war lang und steinig. Er wurde in Guangzhou bei Shanghai geboren und wuchs umgeben von kolonialen Prachtbauten im Beaux-Arts-Stil auf. Als er 18 war, starb seine Mutter an Krebs und er zog in die Vereinigten Staaten, um sein Interesse an der Architektur zu verfolgen. Er studierte am MIT und an der Harvard University unter Walter Gropius, dem Gründer der Bauhausschule. In den folgenden Jahrzehnten baute er mit seinem Architekturbüro I. M. Pei & Partners (später Pei, Cobb, Free & Partners) ein beeindruckendes Portfolio auf. Dennoch stand er häufig im Schatten von Zeitgenossen wie Philip Johnson.

Meister des Betonbaus gegen harte Vorurteile

Gleichzeitig gab es für Pei andere Hürden zu überwinden, wie zum Beispiel Probleme mit Qualitätskontrollen und Kostenüberschreitungen beim Bostoner Hancock Tower, bei dem sein langjähriger Partner Henry Cobb federführend war. Diese Missstände beruhten größtenteils auf Faktoren, die sich seiner Kontrolle entzogen, galt Pei doch als Meister in Sachen Betonbau, der unerbittlich auf die strukturelle Integrität seiner Gebäude bedacht war. Abgesehen von diesen und ähnlichen Kontroversen waren die eigentlichen Gründe für Peis verzögerte Anerkennung jedoch eher Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Standesdünkel. So verkündete bei einem Treffen mit der französischen Denkmalschutzbehörde in Jahr 1984 einer der anwesenden Experten sogar lautstark: „Sie sind hier nicht in Dallas!“

Seine ersten kommerziellen Aufträge für den New Yorker Bauträger William Zeckendorf Senior wurden als „Rückschritt im Vergleich zur Graduate School of Design an der Harvard University“ verurteilt, erinnert sich Wiseman. Doch gerade diese Erfahrungen förderten Peis instinktiven Charme und seine Zähigkeit, die ihm später dabei halfen, die Gunst von hochkarätigen Kunden zu gewinnen oder schwierige Aufträge zu bewältigen.

Das Museum für Islamische Kunst in Doha, der Hauptstadt von Katar
Das Museum für Islamische Kunst in Doha, der Hauptstadt von Katar

Das John F. Kennedy Presidential Library and Museum in Boston ist ein anschauliches Beispiel: Die Vollendung des strahlend weißen Betonturms und des verglasten Atriums mit Blick auf den Hafen von Boston dauerte 13 schwierige Jahre. In seiner Biographie über I. M. Pei, A Profile in American Architecture, zitiert Wiseman Jacqueline Kennedy, die das Auswahlkomitee leitete und Pei mit ihrem Ehemann verglich: „Er steckt voller Potenzial – genau wie Jack“.

Als sie ihm im Jahr 1964 den Auftrag erteilte, wurde sie zuvor im Foyer seines Büros mit einem Strauß ihrer Lieblingsblumen in einer Vase begrüßt. „Manche Menschen würden das als zynische Verkaufstaktik aufnehmen“, so Architekturkritiker Wiseman. „Für mich war es die Geste eines Menschen mit einem hohen Maß an Intelligenz und Anstand.“

Keiner wollte die Pyramide

Sowohl die Idee für ein Museum als auch der ursprüngliche Entwurf – eine Teilpyramide aus Glas – seien bei den wohlhabenden Bürgern von Cambridge auf starken Widerstand gestoßen, erzählt Dan Fenn, der erste Direktor des Museums. „Baut es woanders. Wir wollen hier keine Hinterwäldler, die in Bermuda-Shorts ihre Kinderwagen durch die Gegend schieben“, zitiert Fenn die Kritiker. „Angeblich hätte es die Feinheit des Harvard Square zerstört, der – ich weiß nicht, ob Sie jemals in Cambridge waren – nicht besonders fein ist.“ Die Pyramide tauchte übrigens Jahrzehnte später im Entwurf für den Louvre wieder auf.

Das John F. Kennedy Presidential Library and Museum in Boston, Massachusetts.
Das John F. Kennedy Presidential Library and Museum in Boston, Massachusetts.

Wie Fenn berichtet, fand das Bauwerk seinen heutigen Platz schließlich auf der Bostoner Halbinsel Columbia Point. Pei, der gehofft hatte, ein Museum bei der renommierten Harvard University zu bauen, zeigte sich über diesen Umstand zutiefst enttäuscht. Selbst nachdem Mitglieder der Kennedy-Familie die Vorstellung seines Konzeptes mit fast 90 Sekunden völliger Stille quittierten, hatte er taktvoll, aber hartnäckig an der Vollständigkeit seiner Vision festgehalten. „Sargent Shriver, ein wunderbarer Kerl, betrachtete fragend den Entwurf und sagte: ,I. M., ich bin sicher, es ist sehr schön, aber was hat es mit John Kennedy zu tun?‘“, erzählt Fenn.

Glaspyramide als Ort der Meditation

„Ich fragte ihn, ob man die spitzen Eckpunkte abflachen könnte“, fährt er fort. „Davon wollte er nichts wissen. Wir hatten eine Meinungsverschiedenheit. Er nannte die Glaspyramide einen Ort der Meditation. Ich fand den Namen ziemlich scheußlich. Ich war ziemlich ignorant und sagte, dass sich Menschen unten in ,dem Ding‘ furchtbar klein fühlen würden. Dabei ist die Pyramide einfach grandios. Ich bewundere ihn wirklich sehr. Auch wenn wir anderer Ansicht waren, war er immer äußerst freundlich und zuvorkommend. Er war niemals verbittert – das lag nicht in seiner Natur.“

Die Geschichte war dem Gebäude gegenüber gnädig. Die Bibliothek erfreut sich seit ihrer Eröffnung im Oktober 1979 enormer Beliebtheit und wurde bereits mehreren Renovierungsarbeiten unterzogen. Museumsdirektor Alan Price glaubt, dass sie sich nicht zuletzt gerade aufgrund ihrer starken Anlehnung an die aufgeschlossenen Ideale des ehemaligen Präsidenten durchgesetzt hat.

Das Atrium der Kennedy Library. Mit freundlicher Genehmigung des John F. Kennedy Presidential Library and Museum.
Das Atrium der Kennedy Library. Mit freundlicher Genehmigung des John F. Kennedy Presidential Library and Museum.

„Für mich ist das Gebäude ein Ausdruck dafür, wie sehr Pei von Kennedy inspiriert wurde“, meint Price. „Der monumentale Raum des Pavillons mit der großen Flagge ist außergewöhnlich und zeitlos. Man hebt unwillkürlich den Kopf, schaut auf die Flagge und spürt die Faszination dessen, was war und was hätte sein können.“

Über den Autor

Jeff Link ist preisgekrönter Journalist und setzt sich mit den Themen Technologie, Planung und Umwelt auseinander. Seine Arbeiten wurden unter anderem in Wired, Fast Company, Architect und Dwell veröffentlicht.

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